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Mnemotechnik.

Examinator: „Sagen Sie mir: Was geschah mit
Luther aus dem Reichstag zu Worms? (Während sich der
Exaininandus auf die Antwort besinnt.) Nun. Luther wurde auf
diesem Reichstage in — Was erklärt?" — Exaininandus:
„Bitte um einen Augenblick Geduld, ich weiß es. es war eine
Zahl. In die (an den Fingern ab,zählend) 3. 4 5. 6. 7 — „Acht."

Nicht Wurst.

Bertheidigcr: „Mein Client ist eines Diebstahls-
Verbrechens beschuldigt, iveil er ein Pfund Rindsdärme cnt-
wendet hat. Es war sein Unglück, daß die Därme nicht ge-
füllt waren, sonst würde er sich blos wegen Uebertretung der
Entivendung von Nahrungs- und Genußmitteln zu verantworten
haben." __

Unnöthige Gewissensbissc.

Es war einmal ein sogenannter armer Reisender. — Er
wunderte von einem Städtchen zum andern. um Arbeit zu
suchen, jedoch vergebens. Die wenigen Mittel, die sein Vater
ihm als Zchrpfcnnig mitgegebcn. waren ziemlich erschöpft, und
so wurde oft bei guten Menschen gefochten. Es war an
einem schönen Sonntagsmorgen. Im stillen Walde übernachtet,
steht er am nächsten Brunnen und macht Feiertagstoilette.
Noch einen letzten Blick auf seine zwar nicht ganzen aber desto
mehr zerrissenen Hosen und Stiefel werfend, hängt er seufzend
das schwindsüchtige Bündel über die Achsel und trabt hinein in
den schönen Sommermorgen. Eine Stunde ungefähr ist er so
gegangen, da zeigt sich seinen Blicken ein liebliches Thal; ein
kleines, nettes Dörfchen öffnet seine Pforten, und. überwältigt
von der Naturschönheit, ruft er aus: „Beim Heiligen, heut'
ist es eine ganze Woche, daß ich auf dieser schönen Erde kein
Fleisch gegessen habe, aber
heute am Sonntag muß
es werden, und lvenn
ich es —" Sein Gewissen
schluckt die letzten Worte
als erstes Frühstück hin-
unter. und fröhlich gestärkt
wandert er in's Dörflein
hinein. Kein Wölkchen steht
am Himmel. Die Luft
ist rein und klar. fried-
liche Stille, kein Geräusch
stört die sonntägliche Ruhe.

Fast Alles ist in der
Kirche. Jetzt steht er vor
dem Wirthshaus; ein
wahres Paradies lacht ihm
entgegen. denn selbiges,
zugleich Fleischerei. zeigt
einen Laden voll pracht-
voller Würste. Langsam
tritt er ein; die Klingel

Unnöthige Gewissensbisse.

an der Thüre thut ihre Schuldigkeit, doch Niemand er-
scheint. „Ist Niemand dalispelt er. Er wartet mit
im Munde zusammengelaufenein Wasser — nichts scheint
sich zuregen — da — der Dämon packt ihn, die Reihe
Würste ist zu verlockend — es sind so viel da. denkt
er — und mit einem kühnen Griff und Sprung ist er im
Besitz von zwanzig Knackwürsten und — auf der Straße.
Unschuld heuchelnde Schritte annehmend. geht er schnell,
scheu zur Seite blickend, durch das Dorf, die Würste unter
seinem weiten Rock verbergend. Glücklich am Ende der
Häuser angelangt, erweitert sich der Weg; an der einen Seite
hohe Felsen. zur andern ein sprudelndes Flüßchen. Nachdem
er sich nochmals überzeugt, daß ihn Niemand verfolgt, freut er
sich seiner Würste und verzehrt sic in vollster Seelenruhe. Sie
schmecken ausgezeichnet; die ersten sechs sind verschwunden und
eben will er die andern für einen zukünftigen Hunger wieder
verschwinden lassen, da hört er das Gebell eines Hundes. Sein
Gewissen klopft. Scheu guckt er sich um. und erblickt in nicht zu
weiter Entfernung hinter sich zwei Fleischerburschen mit einem
großen Fanghund. — Was thun? denkt er. einen Ausweg gibt^s
nicht; entlaufen. — nein, das geht nicht wegen des Hundes.
Kein Ausweg! Herrgott. schon hört er ihre Stimmen. —
gibt cs denn hier gar keine Rettung? Die Angst wird
immer größer. er sicht sich schon im Zuchthaus. da —
ein rettender Gedanke: die Zeugen des Diebstahls ver-

tilgen! Gedacht, gethan. Er verdoppelt seine Schritte
— in wahrer Todesverachtung hat er zehn weitere Würste
vertilgt. Einen Blick hinter sich werfend. sieht er. daß
auch die Rächer ihre Schritte verdoppeln. Jetzt würgt er

noch zwei hinunter. er kann nicht mehr. das letzte Stück
steckt noch halb in der Kehle; immer deutlicher hört er die

Stimmen der Verfolger —
noch eine — ihm wird gräß-
lich Angst. die Augen
treten ihm aus dem
Kopfe; schon schnuppert
der Hund um ihn herum
— er kann unmöglich die
letzte in den Mund stecken;
in seiner Herzensangst
läßt er sie fallen - der
Hund verschluckt sie —
Gottlob! Jetzt kommen
die Burschen an ihn
heran; er bleibt stehen,
der Angstschweiß tropft
ihm von der Stirn,
er ist verrathen. was soll
er sagen! Die aber gehen
lächelnd an ihm vorüber
und wünschen ihm. da cs
gerade Mittag läutet —
Gesegnete Mahlzeit!

Redaetion: I. Schneider in München. — Verlag von Braun & Schneider in Bliinchen.
Kgl. Hof-Buchdrucker« von E. Mühlthaler in München.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Unnöthige Gewissensbisse"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1881
Entstehungsdatum (normiert)
1876 - 1886
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 74.1881, Nr. 1862, S. 112
 
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