Fliegende Blätter (78.1883 (Nr. 1953-1979))

Gemach erftarrt vom Froste, im Baume der kreisende Saft,
Rother'n, dem greisen König, verstecht die Lebenskraft;

Hinab rollt ohne Halten der Stein de» glatten Hang,

Nur Zauber kann verändern der Dinge natürlichen Gang.

Ein Magus las in den Sternen: „Noch einmal in Jugendkraft
Wird schlagen das Herz des Königs, so er schlürft Traubensaft -
Bon Mädchen, die noch schmücket der jungfräuliche Kranz,
Gekeltert mit frohem Gesänge im hellen Vollmondsglanz."

^nd als herangekommen die frohe Lesezeit,

Fuhr Rother zum Rebenberge mit herrlichem Geleit',

Da wieherte kein Schlachtroß, da blitzte kein Schwert zu Trutz',
Die Liebesgöttin sandte ein Heer zu seinem Schutz';

| Nur helle Augen blitzen, nur silbernes Lachen klingt,

Fürpaß zieht er gemächlich, von holdester Wache umringt;

So leicht wird ihm der Athem, so wonniglich im Sinn',

Er spüret Frühlingswehen lind durch die Seele zieh'n.

Als sic an's Ziel gekommen, war der Abend vorgerückt.
Gebadet im Mondenstrahle stand die Kelter schon beschickt
I Mit den erlesensten Trauben, errichtet auf rasigem Plan'

Vor dem Herrenhanse, Rother stieg die Treppe zum Söller hinan.
Von da zu überschauen, wie unten das Werk gedieh;

Die Mädchen schürzten schnelle die Kleider auf bis an's Knie,
Entblößend die zierlichen Füße, schimmernd gleich Elfenbein,
Erklimmen sie die Kelter, zu bereiten des Königs Wein;

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Einzelne Nummer 30

Kurze Jugend.

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