Fliegende Blätter (78.1883 (Nr. 1953-1979))

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Erscheinen wöchentlich ein Mal. Einzelne Nummer 30 ^•

Wie cs dem Obcrstlieukenant Kreuzschnabel im großen Generalstabe erging.

Militär-Humoreske von Earl Zallrom.

Erzählen will ich's Euch, da Ihr Euch
dafür interessirt, aber macht Euch nicht auf
etwas Lustiges gefaßt. Es ist eine sehr,
sehr traurige Geschichte.

Und um von vornherein die nöthige
ernste Stimmring zu erwecken, so wißt:

Ich bin zur Disposition gestellt!!!

Und nun sitze ich hier auf meinem Gute
bei Straßburg in der Uckermark und baue
Kohl und Kartoffeln, . . . und — —
doch nein, fangen wir von vorne an:

Ich lvar also Offizier im Generalstabe
und mußte mich bereits am folgenden Tage
bei meinen Vorgesetzten zum Dienstantritt
melden.

Die Wahrheit zu gestehen, ich war ein
lvcnig verzagt. Ein derartiges Gefühl aber
pflegt bei mir nicht lange anzuhalten.

„Kreuzschnabel," sagte ich zu mir selbst,

„durch mußt Du! Mag es kommen, >vic
es will, nur tapfer!"

Um nun nicht so ganz unvorbereitet in
meine neue Stellung überzutreten, beschloß ich, zunächst eine Re-
cognoscirung vorzunehmen. Das heißt, ich suchte mit einigen her-
vorragenden Offizieren vom Generalstabe Fühlung zu bekommen,
um ihnen möglicherweise einige Geheimnisse ihrer Kunst abzu-
lauschen. Die Sache machte sich so einigermaßen, da ich mit den
. meisten bekannt war. Man gab mir bereitwillig Auskunft. Ganz
besonders aber suchte mir mein alter Freund, der Major Kauz
die Sache plausibel zu machen. Er war vom bayerischen Gcnernl-
stabe hieher berufen worden und kannte die Verhältnisse ganz

genau. Er war eine gutmüthige Haut, aber
der Schalk saß ihm zollhoch im Nacken, was
ich freilich damals noch nicht wußte.

Auf meine Bitte, mir zu sagen, für
welche Abtheilung ich in Aussicht genommen
sei, erwiderte der Kauz mit der größten Ge-
müthsruhe:

„Das kann ich Dir ganz genau sagen,
Kreuzschnabel, Du kommst in das Erb-
begräbnis;."

„In das Erbbegräbniß?" mußte ich
ganz verblüfft fragen.

„Jawohl, in das Erbbegräbniß. So
nennen wir diejenige Abtheilung, in welcher
die außer Curs gesetzten Karten und Pläne
aufbcwahrt werden. Da nämlich heutzu-
tage die Ort- und Landschaften ebenso rasch
leben, wie die Menschen, sintemalen die
Eisenbahnen, Landstraßen, Kanäle, Häuser
und Brücken wie die Pilze cmporschicßcn,
so verändert sich eine Gegend sehr rasch
und daraus folgt, daß Du alle Augenblicke
einen solchen alten zu Tode gehetzten Burschen zur Ruhe be-
statten mußt, wobei ein im Dienst ergrauter Registrator Dir
die nöthigen Küsterdienste leistet."

Ich war über diese Aussicht nicht wenig erschrocken. „Kauz,"
sagte ich, „das nehme ich unter keinen Umständen an. Todten-
gräber werde ich nicht."

„Ich thälls auch nicht an Deiner Stelle," erwiderte Kauz.
„Im Erbbegräbnis; hockst Du wie eine Motte im Fuchsschwanz
und läufst Gefahr, zu versauern. Ich an Deiner Stelle würde

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