„Wohin, Sonnenwirth?" — ,/Nei' nach Urach — will mci'n
Johannesle e' Geld schicke. Die Sciubube sollet sehn, daß der
Sunnwirth koi' Lump tsch!"
Und des Sonnenwirths Johann und sonst noch Viele,
U c b c r
Der einzige Sohn des ebenso wohlhabenden, als geizigen
Rößlehosbauern Streitle, diente in Stuttgart bei den Ulanen.
Es ging ihm recht schlecht, denn sein Alter schickte ihm nur
selten einen spärlichen Zuschuß, und mit der Löhnung allein
auskommen, ist ein Kunststück, das nur Wenige können. Ver-
gebens waren alle Bitt-, Brand- und Drohbriefe — ja sogar,
als er, ganz vergessend, bei welcher Waffengattung er stand,
dem Alten schrieb — er müsse einen Tornister ersetzen, den er
bei einem Uebungsmarsche verloren habe, rührte das den Rößle-
hosbauern nicht. Der Alte war zwar selbst beim Militär ge- :
wesen und wußte, wie es war — aber die Vater haben in
solchen Dingen ein schlechtes Gedächtnis;, und der geizige Rößlc-
hofbaner natürlich erst recht.
Eines Tages auf der Stallwache hatte Joseph, der Rößlehof-
bauersohn, seinem Kameraden, dem Franz, der mit ihm in
einer Schwadron diente, seine Noth geklagt, und Franz, der ein
durchtriebener Bursche war und in allen Stücken guten Rath
wußte, hatte ihm, gegen entsprechendes Honorar in Bier, ver-
sprochen, an den Alten einen Brief zu schreiben, der nicht ohne
Wirkung bleiben werde.
Wirklich, lvenigc Tage später erhielt Joseph Streitle zu
seinem gerechten Erstaunen von seinem Alten 100 Mark mittels
Postanweisung geschickt.
Wie war das zugegangen? Was hat der Franz dem Rößle-
hosbauern geschrieben? In der Hauptsache lautete der Brief:
„Lieber Rößlehofer!
Euer Joseph hält sich recht brav — aber Ihr solltet ihn
nicht so knapp halten. Ist ja eine Schande! Wißt Ihr, was
der Herr Wachtmeister gesagt hat: Der Bater vom Streitle (das
wäret also Ihr) hat er gesagt, muß doch ein miserables, blutig
armes Kuhbäuerle sein, daß er seinem Sohn so arg wenig
schickt — n. s. w."
„Blutig armes Kuhbäuerle!" Das konnte sich der
reiche Rößlehofbauer nicht gefallen lassen.
„Die sollet seh'n, daß der Rößlebauer kann, wenn er
will — die Hungerleider!" rief er einmal über das andere
Mal, und ein eigener Bote mußte noch in derselben Stunde
100 Mark bei der nächsten Postanstalt einzahlen.
Tags darauf erzählt er's dem -Oedhofbauern, der auch einen
Ulanen, Kanoniere, Füsiliere und Reiter in Stuttgart, Ulm
und Ludwigsburg erhielten in jenen Tagen ungewöhnliche Zu-
schüsse, denn der Joseph Streitle hatte, in seiner Freude über
die Wundcrwirkung des Briefes, den Franz an seinen Vater
geschrieben, die Geschichte dem Gingele erzählt und der dem
Biele und der Biele dem Müusle, und so war es sortgegangen
von Schwadron zu Schwadron, und der Franz konnte nicht
Briefe genug schreiben, und Alle thaten ihre Wirkung, denn wenn
ein Bauer auch noch so geizig ist — lumpen läßt sich Keiner!
listet. 83
Sohn in Stuttgart bei den Ulanen hat. Der Oedhofbauer
sagt kein Wort und zieht einen ganz ähnlich lautenden Brief
aus der Tasche, und während sich die zwei, ihre Briefe in der
Hand, gegenseitig verdutzt anschanen, jagt der alte Sonnenwirth
in seinem Einspänner vorbei.
11*
Johannesle e' Geld schicke. Die Sciubube sollet sehn, daß der
Sunnwirth koi' Lump tsch!"
Und des Sonnenwirths Johann und sonst noch Viele,
U c b c r
Der einzige Sohn des ebenso wohlhabenden, als geizigen
Rößlehosbauern Streitle, diente in Stuttgart bei den Ulanen.
Es ging ihm recht schlecht, denn sein Alter schickte ihm nur
selten einen spärlichen Zuschuß, und mit der Löhnung allein
auskommen, ist ein Kunststück, das nur Wenige können. Ver-
gebens waren alle Bitt-, Brand- und Drohbriefe — ja sogar,
als er, ganz vergessend, bei welcher Waffengattung er stand,
dem Alten schrieb — er müsse einen Tornister ersetzen, den er
bei einem Uebungsmarsche verloren habe, rührte das den Rößle-
hosbauern nicht. Der Alte war zwar selbst beim Militär ge- :
wesen und wußte, wie es war — aber die Vater haben in
solchen Dingen ein schlechtes Gedächtnis;, und der geizige Rößlc-
hofbaner natürlich erst recht.
Eines Tages auf der Stallwache hatte Joseph, der Rößlehof-
bauersohn, seinem Kameraden, dem Franz, der mit ihm in
einer Schwadron diente, seine Noth geklagt, und Franz, der ein
durchtriebener Bursche war und in allen Stücken guten Rath
wußte, hatte ihm, gegen entsprechendes Honorar in Bier, ver-
sprochen, an den Alten einen Brief zu schreiben, der nicht ohne
Wirkung bleiben werde.
Wirklich, lvenigc Tage später erhielt Joseph Streitle zu
seinem gerechten Erstaunen von seinem Alten 100 Mark mittels
Postanweisung geschickt.
Wie war das zugegangen? Was hat der Franz dem Rößle-
hosbauern geschrieben? In der Hauptsache lautete der Brief:
„Lieber Rößlehofer!
Euer Joseph hält sich recht brav — aber Ihr solltet ihn
nicht so knapp halten. Ist ja eine Schande! Wißt Ihr, was
der Herr Wachtmeister gesagt hat: Der Bater vom Streitle (das
wäret also Ihr) hat er gesagt, muß doch ein miserables, blutig
armes Kuhbäuerle sein, daß er seinem Sohn so arg wenig
schickt — n. s. w."
„Blutig armes Kuhbäuerle!" Das konnte sich der
reiche Rößlehofbauer nicht gefallen lassen.
„Die sollet seh'n, daß der Rößlebauer kann, wenn er
will — die Hungerleider!" rief er einmal über das andere
Mal, und ein eigener Bote mußte noch in derselben Stunde
100 Mark bei der nächsten Postanstalt einzahlen.
Tags darauf erzählt er's dem -Oedhofbauern, der auch einen
Ulanen, Kanoniere, Füsiliere und Reiter in Stuttgart, Ulm
und Ludwigsburg erhielten in jenen Tagen ungewöhnliche Zu-
schüsse, denn der Joseph Streitle hatte, in seiner Freude über
die Wundcrwirkung des Briefes, den Franz an seinen Vater
geschrieben, die Geschichte dem Gingele erzählt und der dem
Biele und der Biele dem Müusle, und so war es sortgegangen
von Schwadron zu Schwadron, und der Franz konnte nicht
Briefe genug schreiben, und Alle thaten ihre Wirkung, denn wenn
ein Bauer auch noch so geizig ist — lumpen läßt sich Keiner!
listet. 83
Sohn in Stuttgart bei den Ulanen hat. Der Oedhofbauer
sagt kein Wort und zieht einen ganz ähnlich lautenden Brief
aus der Tasche, und während sich die zwei, ihre Briefe in der
Hand, gegenseitig verdutzt anschanen, jagt der alte Sonnenwirth
in seinem Einspänner vorbei.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ueberlistet"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1885
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1890
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 83.1885, Nr. 2094, S. 83
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg