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Bosdische Stichprowen aus'en Liederschätze :c.
Bis daß ä eens'ger Blick uf meine Haut
Dir mei' Geheimniß stilvoll ahnvertraut,
Bis du mir zunickst dorch de Spiegelscheiwen:
Dein is mei' Herz un soll es gleichfalls bleiwen!
III. Gennst Du das Land?
Ä äquadorialischer Freidenhymnus.
lAus 'en Lied-West-Affrizanischen tu'S Neihochdcitsche ijvwer tragen von ännen alboit
Leibz'ger.)
Gennst du das Land? wo de Gakdecn blieh'n,
In Bischern Klabberschlangenoogen glieh'n,
Der Elephant de dheiern Zähne fletscht,
Un jedermann sich 's Haareel selwer quetscht,
Gennst du es nich? — O Mensch, ich biddc dich,
Liest du denn Dageblatt un Zeidungk nich?
Gennst du das Land? wo de in Biwihut
Ging Bell voll Majesteet regieren dhut,
Wo sich der Leewe mancherlei erfrecht,
lin mer de Stci'r in Gaurimuscheln blecht,
Gennst es du nich? — O Fremd, du bist blamirt;
Wohin mer guckt, da sieht mcr'sch illnstrirt!
Gennst du das Land? wo schokeladebrann
Bereits de Bischeginder ahnzeschau'n,
Wo Awends mer sein Dcppchen Balmwein kneipt,
Un, wer de Will, in Plural sich beweibt,
Gennst du cs nich? — Dann gannst de leid mer dhun,
Denn 's zehnde Wort is Heide „Gamcrun".
Edwin Lormanu.
Eingcgangcn.
In dem Städtchen B. hatte eine ivandernde Schanspielertruppc
auf vier Wochen ihren Thespiskarren aufgeschlagen gehabt und das
kunstsinnige Publikum auf den Brettern, die die Welt bedeuten,
höchlichst entzückt. Als ganz besonderer Kunstmäcen zeigte sich stets
bei dergleichen Gelegenheiten der frühere Schneidermeister und jetzige
Rentier Müller, welcher, sonst der ruhigste Staatsbürger und
bravste Gatte, ja wie man ganz gewiß wissen wollte, ein recht
großer Pantoffelheld, dann allemal wie umgewandelt schien, bis
tief in die Nacht mit den Schauspielern zechte, und gegen alle
Gardinenpredigten seiner besseren Hälfte taub war, so daß die
letztere es selbst aufgab, gegen diese Verirrung ihres Gatten, wie
sic es nannte, weiter anzukämpfen, obgleich mit schwerem Herzen.
Der Thespiskarren war also schon vor ungefähr sechs Wochen
in die nächste Stadt abgeschoben, Müller zu seiner soliden Lebens-
weise zurückgekehrt, und ruhig ließ er die Gardinenpredigten seiner
Gattin wieder über sich ergehen, welche jedoch mit jedem Tage
heftiger wurden, seitdem die Gattin unter Müllers Papieren ein
Document mit folgendem Inhalte gefunden hatte: „Hierdurch
bekenne ich, von Herrn Rentier Müller Einhundert Mark baar
dargeliehen erhalten zu haben, und verspreche selbigen Betrag ihm
binnen vier Wochen pünktlich zurück zu zahlen. Pumpowsky,
Schauspieler." Alle Versicherungen, daß Pumpowsky der ehren
werthestc Mann sei, der an nichts weniger denke, als ihn um sein
Geld zu bringen, und daß derselbe jedenfalls nur aus Vergeßlich-
keit den Zahlungstermin nicht pünktlich eingehakten habe, nützten
Müller nichts, seine Gattin drohte ihm mit der Scheidungsklage,
Ein gegangen.
da sie mit einem-Manne nicht länger Zusammenleben könne, der
nicht nur Nächte lang sich mit Schauspielern herumtreibe, sondern
auch durch leichtsinniges Verborgen ihrer sauer erworbenen Kapitalien
sie noch an den Bettelstab bringen werde, und Müller fühlte, daß
er diese, das gewohnte Maaß in hohem Grade überschreitenden
Gardinenpredigten nicht länger ertragen könne. Nachdem zwei oder
drei Erinnerungsbriefe an Pumpowsky unbeantwortet geblieben
waren, setzt sich Müller endlich an seinen Schreibtisch und schreibt
folgenden Schreibebrief: „Mein lieber Pumpowsky. Die Vorwürfe
meiner Frau, daß ich Ihnen 100 Mark geliehen habe, ertrage ich
nicht länger. Da Sie mir bis heute das Darlehen nicht zurück-
gezahlt haben, muß ich annehmen, daß Sie augenblicklich nicht in
der Lage sind, Zahlung zu leisten, und sende ich Ihnen daher
hiermit 100 Mark mit der Bitte, mir selbige umgehend zurückzu-
senden und in Ihrem Briefe sie als Rückzahlung Ihres Darlehens
zu bezeichnen; meine Frau wird dann wenigstens beruhigt sein
und mich um Verzeihung bitten, daß sie mir vorgeworfen hat,
, ich habe mein Geld an einen Schwindler verborgt. Selbstverständlich
bleibt meine ursprüngliche Forderung von 100 Mark, über welche Sie
mir einen Schuldschein ausgestellt haben, bestehen und letzterer bis
zur Berichtigung desselben in meinen Händen. Hochachtungs-
vollst Ihr Müller." Er legt in den Brief einen Hundertmarkschein
und trägt ihn heimlich zur Post.
Niemand ist mehr verwundert als Pumpowsky. wie ihm der
Briefträger den Geldbrief bringt, er, der eben wieder bis auf den
letzten Pfennig abgebrannt war; hastig reißt er das Couvert auf,
liest Müllers Brief, läßt eiligst den Hundertmarkschein wechseln,
und schreibt in einer Anwandlung menschlichen Rührens folgenden
Brief: „Mein bester, mein Verehrtester Herr Müller! Erst heute
ist mir es möglich, die Hälfte meiner Schuld, an deren Berichtig-
ung ich täglich dachte, abzuzahlen, denn schwere Krankheit hatte
mich auf's Krankenlager geworfen. Ich sende Ihnen also fünfzig
Mark — und bitte auch, da ich noch siech und elend umherschreite,
wegen des Restes nicht zu drängen. Grüßen Sie mir Ihre Frau
Gemahlin, welche sich meine Hochachtung in unaussprechlich hohem
Grade erworben hat. Ihr Pumpowsky"; legt diesem Brief 50 Mark
Bosdische Stichprowen aus'en Liederschätze :c.
Bis daß ä eens'ger Blick uf meine Haut
Dir mei' Geheimniß stilvoll ahnvertraut,
Bis du mir zunickst dorch de Spiegelscheiwen:
Dein is mei' Herz un soll es gleichfalls bleiwen!
III. Gennst Du das Land?
Ä äquadorialischer Freidenhymnus.
lAus 'en Lied-West-Affrizanischen tu'S Neihochdcitsche ijvwer tragen von ännen alboit
Leibz'ger.)
Gennst du das Land? wo de Gakdecn blieh'n,
In Bischern Klabberschlangenoogen glieh'n,
Der Elephant de dheiern Zähne fletscht,
Un jedermann sich 's Haareel selwer quetscht,
Gennst du es nich? — O Mensch, ich biddc dich,
Liest du denn Dageblatt un Zeidungk nich?
Gennst du das Land? wo de in Biwihut
Ging Bell voll Majesteet regieren dhut,
Wo sich der Leewe mancherlei erfrecht,
lin mer de Stci'r in Gaurimuscheln blecht,
Gennst es du nich? — O Fremd, du bist blamirt;
Wohin mer guckt, da sieht mcr'sch illnstrirt!
Gennst du das Land? wo schokeladebrann
Bereits de Bischeginder ahnzeschau'n,
Wo Awends mer sein Dcppchen Balmwein kneipt,
Un, wer de Will, in Plural sich beweibt,
Gennst du cs nich? — Dann gannst de leid mer dhun,
Denn 's zehnde Wort is Heide „Gamcrun".
Edwin Lormanu.
Eingcgangcn.
In dem Städtchen B. hatte eine ivandernde Schanspielertruppc
auf vier Wochen ihren Thespiskarren aufgeschlagen gehabt und das
kunstsinnige Publikum auf den Brettern, die die Welt bedeuten,
höchlichst entzückt. Als ganz besonderer Kunstmäcen zeigte sich stets
bei dergleichen Gelegenheiten der frühere Schneidermeister und jetzige
Rentier Müller, welcher, sonst der ruhigste Staatsbürger und
bravste Gatte, ja wie man ganz gewiß wissen wollte, ein recht
großer Pantoffelheld, dann allemal wie umgewandelt schien, bis
tief in die Nacht mit den Schauspielern zechte, und gegen alle
Gardinenpredigten seiner besseren Hälfte taub war, so daß die
letztere es selbst aufgab, gegen diese Verirrung ihres Gatten, wie
sic es nannte, weiter anzukämpfen, obgleich mit schwerem Herzen.
Der Thespiskarren war also schon vor ungefähr sechs Wochen
in die nächste Stadt abgeschoben, Müller zu seiner soliden Lebens-
weise zurückgekehrt, und ruhig ließ er die Gardinenpredigten seiner
Gattin wieder über sich ergehen, welche jedoch mit jedem Tage
heftiger wurden, seitdem die Gattin unter Müllers Papieren ein
Document mit folgendem Inhalte gefunden hatte: „Hierdurch
bekenne ich, von Herrn Rentier Müller Einhundert Mark baar
dargeliehen erhalten zu haben, und verspreche selbigen Betrag ihm
binnen vier Wochen pünktlich zurück zu zahlen. Pumpowsky,
Schauspieler." Alle Versicherungen, daß Pumpowsky der ehren
werthestc Mann sei, der an nichts weniger denke, als ihn um sein
Geld zu bringen, und daß derselbe jedenfalls nur aus Vergeßlich-
keit den Zahlungstermin nicht pünktlich eingehakten habe, nützten
Müller nichts, seine Gattin drohte ihm mit der Scheidungsklage,
Ein gegangen.
da sie mit einem-Manne nicht länger Zusammenleben könne, der
nicht nur Nächte lang sich mit Schauspielern herumtreibe, sondern
auch durch leichtsinniges Verborgen ihrer sauer erworbenen Kapitalien
sie noch an den Bettelstab bringen werde, und Müller fühlte, daß
er diese, das gewohnte Maaß in hohem Grade überschreitenden
Gardinenpredigten nicht länger ertragen könne. Nachdem zwei oder
drei Erinnerungsbriefe an Pumpowsky unbeantwortet geblieben
waren, setzt sich Müller endlich an seinen Schreibtisch und schreibt
folgenden Schreibebrief: „Mein lieber Pumpowsky. Die Vorwürfe
meiner Frau, daß ich Ihnen 100 Mark geliehen habe, ertrage ich
nicht länger. Da Sie mir bis heute das Darlehen nicht zurück-
gezahlt haben, muß ich annehmen, daß Sie augenblicklich nicht in
der Lage sind, Zahlung zu leisten, und sende ich Ihnen daher
hiermit 100 Mark mit der Bitte, mir selbige umgehend zurückzu-
senden und in Ihrem Briefe sie als Rückzahlung Ihres Darlehens
zu bezeichnen; meine Frau wird dann wenigstens beruhigt sein
und mich um Verzeihung bitten, daß sie mir vorgeworfen hat,
, ich habe mein Geld an einen Schwindler verborgt. Selbstverständlich
bleibt meine ursprüngliche Forderung von 100 Mark, über welche Sie
mir einen Schuldschein ausgestellt haben, bestehen und letzterer bis
zur Berichtigung desselben in meinen Händen. Hochachtungs-
vollst Ihr Müller." Er legt in den Brief einen Hundertmarkschein
und trägt ihn heimlich zur Post.
Niemand ist mehr verwundert als Pumpowsky. wie ihm der
Briefträger den Geldbrief bringt, er, der eben wieder bis auf den
letzten Pfennig abgebrannt war; hastig reißt er das Couvert auf,
liest Müllers Brief, läßt eiligst den Hundertmarkschein wechseln,
und schreibt in einer Anwandlung menschlichen Rührens folgenden
Brief: „Mein bester, mein Verehrtester Herr Müller! Erst heute
ist mir es möglich, die Hälfte meiner Schuld, an deren Berichtig-
ung ich täglich dachte, abzuzahlen, denn schwere Krankheit hatte
mich auf's Krankenlager geworfen. Ich sende Ihnen also fünfzig
Mark — und bitte auch, da ich noch siech und elend umherschreite,
wegen des Restes nicht zu drängen. Grüßen Sie mir Ihre Frau
Gemahlin, welche sich meine Hochachtung in unaussprechlich hohem
Grade erworben hat. Ihr Pumpowsky"; legt diesem Brief 50 Mark
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eingegangen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1885
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1890
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 83.1885, Nr. 2101, S. 143
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg