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Leiden und Freuden einer Vermietherin.
„Wenn ich noch mit dem Vieh hätte zu thun haben
mögen, so hätte ich mein Geschäft nicht aufgegeben. Weil
ich es aber aufgeben gemußt, will ich nichts mehr damit
zu thun haben und deshalb begreifen Sie wohl, daß ich
Ihnen kündigen muß.
Achtungsvoll N. N."
Ich war außer mir, unglücklich, trostlos. Wie meine Damen
lamentirten, als ich ihnen diese Aufkündigung ankündigte — es
rührte mich ordentlich! Nein, von den Künstlerinnen trenne
ich mich nicht mehr, das stand fest, aber ausziehen! Das war
mir ein schrecklicher Gedanke. Wieder war es ein Zufall, der
mir einen rettenden Ausweg zeigte.
Mein Namenstag war gekommen und die liebenswürdigen
Künstlerinnen gaben mir ein sinnig gewähltes Geschenk, ein
herrliches Buch, betitelt: „Die Bauten der Alten". Das
Werk interessirte mich unendlich; ich konnte nicht einschlafen,
bevor ich ein Kapitel darin gelesen. So saß ich auch eines
Abends wieder vor dem aufgeschlagenen Buch. Ich hatte den
Tag über Wohnungen angesehen und mich neuerdings über-
zeugt, daß keine so schön, wie die, die ich verlassen sollte. So
geschah cs mir, daß meine Gedanken zum ersten Male vom
Architrav abglitten, um plötzlich auf einem kleinen Satze zu hasten.
„Das Kapital", so stand im erläuternden Texte, „ist
das vermittelnde Glied, die stützende Kraft." Wie ein Blitz-
strahl leuchtete mir's in die Seele.
„Das Kapital!" Hatte ich nicht vorsichtiger Weise noch
ein Kapitälchen zurückgelegt, auf welches gestützt ich Hoffnungen
baute, die mich wach hielten, die sich bald verwirklichen sollten!
Mein Kapitälchen war das vermittelnde Glied zwischen mir
und dem Mctzgermeister, dessen Nachfolgerin im Amte ich ge-
worden, denn ich bin Besitzerin des Hauses, das ich verlassen
sollte — er mußte ausziehen.
Nun aber mußte ich daran denken, das pecuniäre Opfer,
das ich der Kunst und ihren Jüngern gebracht, auszugleichen:
ich mußte die übrigen Räume zu verwerthen trachten. Immer
nur das Interesse der Künstlerinnen im Auge, vermiethete ich
die unter und über unserer Wohnung liegenden Zimmer an
Musikschülerinnen, denn ich denke mir's äußerst angenehm und
anregend, wenn die Damen, an der Staffelet sitzend, von Morgens
bis Abends Klavier und Gesang hören. Mehrere Concertflügel
sind schon hinaufgeschafft, gestern sind die ersten Musikschülerinnen
cingezogen.
Während ich hier schreibe, säuselt über mir der Walküren-
ritt, aus zwei Klavieren achthändig meisterhaft ansgeführt, unter
mir klingt der liebliche Walzer Gasparones. Was meine
Künstlerinnen fühlen mögen?! Noch weiß ich's nicht. Das
weiß ich nur, ich selbst bin in solch' gehobener Stimmung, daß
ich befürchte, wenn diese anhält, in das Laster der Neuzeit zu
verfallen und doch zu schriftstellern, in welchem Falle ich im
Voraus um Entschuldigung bitte.
Aus der Stammkneipe.
Student: „. . .Was, Sie können sich noch erinnern, daß ich
Ihnen für die gestrige Kneiperei 50 Mark schulde?" — Wirth:
„Gewiß!" — Student: „Phänomenales Gedächtnis;!"
Gefunden.
„Ich will, nehm' jemals ich ein Weib,
Mir strenge Auswahl gönnen,
Hübsch muß sie sein und auch voll Geist,
lind kochen muß sie können!" —
So sprach mein Freund und fand ein Weib,
Dem diese Gaben sprießen;
Hübsch ist sie, geistreich, kocht ja auch --
's ist nur nicht zu genießen!
_ Älli. Roderich.
Erkannt.
Der Ball beim Herrn General hat lange begonnen; die Egui-
pagen sind nach Hause gefahren — da naht zu Fuß eine verspätete
Maske und will das Thor passiren. Posten: „Halt, da darf
man net 'rein!"
Maske: „Bauernlümmel, dummer, halt' Dein Maul und
geh' zum Teufel, Du Rindvieh, Du!"
Posten (erschrocken): „Donnerwetter, ein Herr Offizier!
Bedenklicher Husten.
Arzt: „Ihrer Frau Gemahlin habe ich soeben eine Bade-
reise vorgeschlagen! (Der Gatte bekommt nun plötzlich einen Husten-
anfall, der ihn augenscheinlich am Sprechen hindert.) Um Gottcs-
willen! Was haben Sie denn?" — Der kleine Hugo:
„Machen Sie sich nichts d'raus, Herr Doktor, so lhut der Papa
immer, wenn er grob werden will und darf es nicht!"
12*
Leiden und Freuden einer Vermietherin.
„Wenn ich noch mit dem Vieh hätte zu thun haben
mögen, so hätte ich mein Geschäft nicht aufgegeben. Weil
ich es aber aufgeben gemußt, will ich nichts mehr damit
zu thun haben und deshalb begreifen Sie wohl, daß ich
Ihnen kündigen muß.
Achtungsvoll N. N."
Ich war außer mir, unglücklich, trostlos. Wie meine Damen
lamentirten, als ich ihnen diese Aufkündigung ankündigte — es
rührte mich ordentlich! Nein, von den Künstlerinnen trenne
ich mich nicht mehr, das stand fest, aber ausziehen! Das war
mir ein schrecklicher Gedanke. Wieder war es ein Zufall, der
mir einen rettenden Ausweg zeigte.
Mein Namenstag war gekommen und die liebenswürdigen
Künstlerinnen gaben mir ein sinnig gewähltes Geschenk, ein
herrliches Buch, betitelt: „Die Bauten der Alten". Das
Werk interessirte mich unendlich; ich konnte nicht einschlafen,
bevor ich ein Kapitel darin gelesen. So saß ich auch eines
Abends wieder vor dem aufgeschlagenen Buch. Ich hatte den
Tag über Wohnungen angesehen und mich neuerdings über-
zeugt, daß keine so schön, wie die, die ich verlassen sollte. So
geschah cs mir, daß meine Gedanken zum ersten Male vom
Architrav abglitten, um plötzlich auf einem kleinen Satze zu hasten.
„Das Kapital", so stand im erläuternden Texte, „ist
das vermittelnde Glied, die stützende Kraft." Wie ein Blitz-
strahl leuchtete mir's in die Seele.
„Das Kapital!" Hatte ich nicht vorsichtiger Weise noch
ein Kapitälchen zurückgelegt, auf welches gestützt ich Hoffnungen
baute, die mich wach hielten, die sich bald verwirklichen sollten!
Mein Kapitälchen war das vermittelnde Glied zwischen mir
und dem Mctzgermeister, dessen Nachfolgerin im Amte ich ge-
worden, denn ich bin Besitzerin des Hauses, das ich verlassen
sollte — er mußte ausziehen.
Nun aber mußte ich daran denken, das pecuniäre Opfer,
das ich der Kunst und ihren Jüngern gebracht, auszugleichen:
ich mußte die übrigen Räume zu verwerthen trachten. Immer
nur das Interesse der Künstlerinnen im Auge, vermiethete ich
die unter und über unserer Wohnung liegenden Zimmer an
Musikschülerinnen, denn ich denke mir's äußerst angenehm und
anregend, wenn die Damen, an der Staffelet sitzend, von Morgens
bis Abends Klavier und Gesang hören. Mehrere Concertflügel
sind schon hinaufgeschafft, gestern sind die ersten Musikschülerinnen
cingezogen.
Während ich hier schreibe, säuselt über mir der Walküren-
ritt, aus zwei Klavieren achthändig meisterhaft ansgeführt, unter
mir klingt der liebliche Walzer Gasparones. Was meine
Künstlerinnen fühlen mögen?! Noch weiß ich's nicht. Das
weiß ich nur, ich selbst bin in solch' gehobener Stimmung, daß
ich befürchte, wenn diese anhält, in das Laster der Neuzeit zu
verfallen und doch zu schriftstellern, in welchem Falle ich im
Voraus um Entschuldigung bitte.
Aus der Stammkneipe.
Student: „. . .Was, Sie können sich noch erinnern, daß ich
Ihnen für die gestrige Kneiperei 50 Mark schulde?" — Wirth:
„Gewiß!" — Student: „Phänomenales Gedächtnis;!"
Gefunden.
„Ich will, nehm' jemals ich ein Weib,
Mir strenge Auswahl gönnen,
Hübsch muß sie sein und auch voll Geist,
lind kochen muß sie können!" —
So sprach mein Freund und fand ein Weib,
Dem diese Gaben sprießen;
Hübsch ist sie, geistreich, kocht ja auch --
's ist nur nicht zu genießen!
_ Älli. Roderich.
Erkannt.
Der Ball beim Herrn General hat lange begonnen; die Egui-
pagen sind nach Hause gefahren — da naht zu Fuß eine verspätete
Maske und will das Thor passiren. Posten: „Halt, da darf
man net 'rein!"
Maske: „Bauernlümmel, dummer, halt' Dein Maul und
geh' zum Teufel, Du Rindvieh, Du!"
Posten (erschrocken): „Donnerwetter, ein Herr Offizier!
Bedenklicher Husten.
Arzt: „Ihrer Frau Gemahlin habe ich soeben eine Bade-
reise vorgeschlagen! (Der Gatte bekommt nun plötzlich einen Husten-
anfall, der ihn augenscheinlich am Sprechen hindert.) Um Gottcs-
willen! Was haben Sie denn?" — Der kleine Hugo:
„Machen Sie sich nichts d'raus, Herr Doktor, so lhut der Papa
immer, wenn er grob werden will und darf es nicht!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Erkannt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1886
Entstehungsdatum (normiert)
1881 - 1891
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 84.1886, Nr. 2121, S. 91
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg