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Die Wacht im Osten: Feldzeitung der Armee-Abteilung Scheffer — 1916 (Januar - Dezember)

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(Nr. 367-397, Dezember 1916)
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Die Wacht im Osten

Die neue Kriegserklarnng.

Weniselos hat an Bulgarien und Deutsch-
land den Krieg erklärt. Etwas mehr Be-
deutung hat wohl diese Nachricht als die
Kuriosität, dah vor längerer Zeit auch ein
mexikanischer Eingeborenenstamm demDeutschen
Reiche (zugleich an die Vereinigten Staaten!)
eine Kriegserklärung übersandt haben soll.
Staatsrechtlich freilich ist der Unterschied gering.
Co wenig wir im Aztekenlande eine andrre
Regiernng anerkennen als die Carranzas, so
wenig halten wir einen Untertan des Königs
von Eriechenland für befugt zu einem Akte,
der nur gesetzmätzigen Regierungen zukommt.
Mit dem Rebellenhäuptling von Saloniki als
ihresgleichen zu verkehren, überlasien wir den
Herren in Paris, London und Rom — in
Petersburgwarman,wenigstensunterStuermer,
fichtlich von ihm abgerückt.

Selbstverständlich läht sich aber die Ver-
kündigung von Saloniki nicht mit staatsrecht-
lichen Eründen abtun. Die Streitkräste, die
die prooisorische Regierung der Aufständischen
von Saloniki aufzubieten vermag, sind leben-
dige Menschen von Fleisch und Vlut. Der
mazedonischen Front des Feindes werden sie
Verstärkungen zuführen. Die weniselistische
Partei gibt die Erläuterung zu der formellen
Kriegserklärung, dah auch den griechischen
Streitern die Eigenschast regulärer Soldaten
und damit eine entsprechende Behandlung ge-
fichert werden solle, für den Fall, dah sie in
Gefangenschast geraten. Zwingend ist diese
Folgerung ja nun steilich nicht, und kein Haager
Artikel dürfte ihr zur Seite stehen.

Die griechische Frage von heute hat sich so
eigenartig gestaltet, dah gar keine von Verhält-
nisien der Vergangenheit entnommene Mah-
stäbe auf die Beurteilung der aus ihr hervor-
gehenden besonderen Fragen angewandt werden
konnen. So ist keine Rede davon, die Re
gierung in Athen für den Friedensbruch der
Leute von Saloniki verantwortlich zu machen.
Wir haben vielmehr ein volles Verständnis
für die Schwierigkeiten, unter denen das Mini-
sterium Lambros einen letzten Schatten von
eigenem Willen behauptet. Die Forderungen
des Vierverbandes haben ja längst das Ärgste,
was jemals unabhängigenStaatenundderenRe-
gierungen zugemutet ist, weit hinter fich gelasien.
Die Auslieferung des Kriegsmaterials ist eine
Forderung, wie fie fiegreiche Feinde am Schlusie
eines Krieges stellen. Da aber der Leinahe
nur aus Jnseln und Küsten bestehende grie-
chische Staat so gut wie wehrlos den See-
zwingherren des Mittelmeeres ausgesetzt ist,
fo muh als achtenswert schon ein Widerstand
angesehen werden, der wenigstens diese äuherste
Zumutung bis jetzt abgelehnt hat, und der sich
gegen die Vergewaltigung unserer Eesandten
bloh mit einem wirkungslosen Proteste ver-
wahrt hat.

Solange eine offenbar nicht kleine Partei
fich um die Person des Königs schart und
dieser den letzten Wünschen des Vierverbandes,
auch ihn und seine Regierung zu einer Kriegs-
erklärung an Deutschland zu drängen, Trotz
zu bieten vermag, ist das griechische Volk nicht
darum eine uns feindliche Macht geworden,
weil ein Aufrührer in seinem Namen zu sprechen
sich erdreistet. Wir erfahren, dah die Mit-
glieder der aufgelösten Reservistenbünde nicht
aufgehört haben, ihre Bundesziele als unor-
ganisierte griechische Bürger weiter zu verfolgen.
Ob ihre Bewegung zu Erfolgen sühren kann,
steht dahin. Schon spricht man in englischen
und französischen Blättern davon, dah nötigen-
falls Admiral Fournet Athen besetzen werde.
Dann würde aber der König ein Eefangener
in seinem Schlosie — solange man ihn dort
beliehe — und die königstreuen Elemente,
ihren besten Willen vorausgesetzt, auf die Mög-
lichkeit beschränkt, einen Kleinkrieg gegen die
Dränger ihres Vaterlandes in desien Jnnern
mit seinen Gebirgsschluchten zu führen, wie
ihn ihre Erohväter 1821—1827 gegen die
Türken geführt haben. Don der Energie und
Nachhaltigkeit ihres Widerstandes hinge aber
felbstverständlich das Jnteresie ab, das wir
sür Griechenlands Sache bei den Auseinander-

setzungen nach Veendigung des Krieges betä-
tigen könnten. Doch schmerzlich genug ist es
uns natürlich, ein neutrales und schon durch
die Person des Königs uns befreundetes Volk
dafür leiden zu sehen, dah es sich nicht wie
gewisie andere Länder in den Krieg gegen
uns hineinpresien lasien will. B. R.

Der Bormarsch in Rumänien.

Nachdem die beiden natürlichen Schutzwehren, die
Rumänien von Norden und Süden umgürten, durch
unsere Heere durchbrochen worden sind, geht der
weitere Vonnarsch flott vonstatten. Die 9. Armee
des Een. o. Falkenhayn — so ist sie im amtlichen
Heeresbencht vom 18. November genannt worden—
hat mit dem rechten Flügel nunmehr den Vedea-
stuh oberhalb wie unterhalb Alexgndria erreicht
und rückt also in östlicher Richtung vor, im un-
mittelbaren Anschluh an die Streitkräfte des Feld-
marschalls v. Mackensen, die die Donau überschritten
haben. Znuoischen dauert der Druck von Norden
her kräftig sort, und im Alttale gewinnen unsere
tapseren Kebirgstruppen immer mehr Boden. Der
rumänische Flügel ist in glücklichem Vorschreiten,'
schon beginnt das Einsammeln der Beute. Mit den
geringen noch im Luhersten Westen Rumäniens
oorhandenen seindlichen Truppen scheint so ziemlich
aufgeräumt zu sein, wobei man sogar diesem Eegner
zugestehen mag, dah er sich tapfer gewehtt hat.
Natürlich ist in unserem Falle die Beute an Fahr-
zeugen und Vorräten aller Att noch angenehmer
als die an Eefangenen: sie scheint uns auf den
Strahen, in den Ortschasten, auf der Donau reich-
lich zuzusttömen. Es war fehr nett von General
Sacharoff, dah er mtt seinen Krästen in die Dobru-
dscha tiefer eingedrungen ist, in die wir ihn so weit
hineingelasien haben, bis sich sein Marsch an starken
Stellungen brach. Ernste Anstrengungen, diesen
Widerstand zu überwinden, hat er nicht gemacht,
und jetzt ist es zu spät. Was dieses „zu spät"
unserer Feind« während des ganzen Kttegsverlauses
für ein wettooller Bundesgenosie für uns ge-
wesen ist, kann kaum genug gelobt werden.
Wenn wir nun wieder aus der femdlichen Presie
erfahren, dah starke rusiische Verstärkungen nach
Rumänien gesandt werden sollen oder schon gesandt
werden, so werden wir in der Erinneruna daran
eine grohe Eelasienheit bewahren. Der Feldzug
geht oorwätts, wie unsere Eegner sich auch sträuben
mögen. Eeneral Sarrall hat gar keinen Einfluh
darauf, auch jetzt sind seine Ängriffe geschettett.
„Das zähe Aushalten deutscher Jäger" hat sie, wie
überall in der Welt, gebrochen. Sarrall hat Lbtt-
gens noch immer Besorgnisie für seinen Rücken;
solche Fechter pflegen nicht sehr starke Schläge gegen
die Brust des Feindes zu führen.

Jm Westen wie im Osten haben unsere Eegner
diesen Feldzug, der augenblicklch der wichtigste ist,
nicht zu hindern vermocht. Wo ist nun die Jni-
tiative, und wo die Tatkrast? Niemand von uns
gibt sich einer Täuschung hin Lber die Schwere der
Aufgabe, die noch zu bewältigen ist — aber auch
niemand soll zweifeln, dah wir den Berg über-
winden werden; genau so, wie die transsyloanischen
Alpen uns nicht aufzuhalten vermochten.

Das Hindenburgprog^arnin.

Jn den Verhandlungen des Reichshaltsausschus-
ses Lber den oaterländischen Hllfsdienst ist nach den
vorliegenden Berichten wiederholt vom „Hinden-
burgprogramm" geredet worden. Aus dem Zu-
Tammenhang, in dem dieser Ausdruck gebraucht
Aird. ergibt sich unschwer seine Bedeutung. Eene-
ralkelümarschall v. Hindenburg hat stch offenbar
nach übernahme seines verantwottungsoollen
Postens einen genauen llberschlag Lber alle Kräste
und Hllfsmtttel gemacht, die er zur Durchführung
seiner grohen Aufgabe, der Ettingung des endgül-
tigen Sieges über alle unsere Feinde, notwendig
gebraucht. Dieser llberschlag ist dann wohl in die
Form besttmmter Anforderungen an die deutsche
Volkskrast gegosien worden und hat nun den kur-
zen bezeichnenden Namen „Hindenburgprogramm"
erhalten. Zu seiner Durchstihrung hat die Reichs-
leitung dann die Einführung der allgemeinen Zivll-
dienstpflicht für unbedingt erforderlich gehalten.
So ist es zu verstehen, dah bei der Besprechung
des Eesetzentwurfs über den vaterländischen Hilfs-
dienst wiederholt auf das „Hindenburgprogramm"
Bezug genommen worden ist. Unserem grohen
Feldherrn wird aber auch dasür das deutsche Volk
dankbar sein, dah er von vornherein auf fester,
programmatischer Erundlage steht, wenn er die
Niederringung der furchtbaren Eegner ins Auge
saht. llnd der allgemcine Siegeswille der Nation
wird sich mit sreudiger Opserwilligkeit bereit hal-
ten, Hindenburg die Erfüllung seiner Forderungen
zu aewähren, die Durchführuna seines Programms
zu fichern. Das vaterländische Dienstpflichtgesetz

wird schon darum vom deutschen Volke berettwillltz
Lbernommen werden, trotz aller schweren Nev-
belastung, die es enthält, well es sür die Verwirt-
lichung des Hindenburgprogramms unbedingt not-
wendig ist. _

Saint-Pierre-Vaast.

Der Saint-Piette-Vaast-Wald, nördlich Peronne
gelegen, um desien Besitz zur Zett die erbittettsten
Kämpfe stattfinden, und der im Munde unserer
Sommekämpfer kurzweg der „Peter Vast" heiht,
ist offendar nach einem Heiligen „Pierre Vaast"
genannt. Ein Heiliger dieses Namens lebte um
die Wende des 5. Iahrhundetts. Von ihm be-
ttchtet eine alte Leaende folgendes Wunder:

Äls der Frankenkönig Chlodwig im Jahre 186
die Alemannen bei Zlllpich besiegt hatte, entschloh
er sich, fich zum Christentum zu bekehren und in
Reims durch den helligen Remigius taufen zu lasien.
Auf seiner Reise kam der König nach Toul, wo er
den wegen seiner grohen Frömmigkeit allgemein
bekannten Pierre Vaast aussuchte und ihn bat, den
König nach Reims zu begleiten, wozu sich Pierre
Vaast gern bereit erklätte. Vei Voncq (9 km nörd-
lich Vouziers) muhten die Reisenden die Aisne
Lberschreiten. Ein Blinder, um ein Almosen btt-
tend, hötte, dah sich Piette Vaast in Begleitung
des Königs besände. Er bat den Heiligen, ihm
die Sehkrast wiederzugeben. Pierre Vaast legtr
seine Hände auf die Augen des Blinden, und iu
dcm Augenblick, als er das Zeichen des Kreuzes
machte, wurde der Blinde zur allgemeinen Ver-
wunderung des Königs und seines Gesolges sehend.

Wahrscheinlich hat der jetzt so heihumstritten«
Wald bei Peronne seinen Namen von eben diesem
Heiligen: Lber die näheren llmstände dieser Namen-
gebung ist jedoch nichts bekannt. Eine andere Auf-
fasiung leitet den Namen Piette-Vaast-Wald oom
vlämischen „vaast", d. h. fest, stark, obgeschlossen,
uneinnehmbar, ab. Danach wäre St. Pierre-Vaast
der Name für eine der gegen die landeinsWgen
Räuber und gegen die Normannen im 11. Jahr-
hundett gebauten Burgabteien.

BierverbandsnSte.

Amsterdam, 27. 11. wtb. „Allgemeen Han-
delsblad": Selbst wenn es richttg ist, datz die
Vierverbändler die Salonikier Regierung an-
erkannten, fo reicht die Macht Weniselos' nicht
über Neugriechenland hinaus. Die Regierung
des Königs hat keinen Krieg erklärt. Der
diplomattsche Sieg des Vierverbandes in Salo-
niki wird sich vielleicht als Pyrrhussieg her-
ausstellen. Erotze Vewunderung für die Balkan-
politik des Vierverbandes kann mannicht fühlen.

Berlin, 27. 11. B. Z. Die Pariser Preffe.
welche jetzt die deutschen Heeresberichte über
den rumän. Kriegsschauplatz veröffentlichen
darf, sieht die Lage Rumäniens als äutzerst
kritisch an. Obstl. Rouffet und Een. Berteau
bezeichneten den Donauübergang Mackensens
als tollkühnes llnternehmen, das aber, wenn
es glücke, die Walacheiarmee ernstlich bedrohe.
Die gesamte Preffe erwartet mit Spannung
das endliche Eingreifen der Ruffen, das allein
die Eefahr beseittgen könne.

London, 27. 11. wtb. „Times": Vei der
Behandlung der rum. Frage wie bei allen
Vorgängen am Balkan hat die Zusammen-
arbeit der Strategen und Diplomaten der
Vierverbändler zu wünschen übrig gelaffen.
Auch dies Veispiel für den Optimismus, de»
die Regierung während des ganzen Krieges
zur Schau trug, zeigt, wie sehr fie versagt,
wenn es gilt, die Dinge zu durchdenken.

* Verlin, 28. 11. Die Vieroerbandspreffe
spiegelt die Beunruhigung wieder, die wegen
der militär. Lage in Rumänien immer mehr
um fich greift. -

Berlin, 28. 11. L.-A. aus Haag: Ein neuer
Ausstand in den Kohlenbergwerken von Süd-
wales erscheint unvermeidlich, da die Arbeiter
eine Lohnerhöhung von 15°/° verlangen.

Berlin, 27. 11. V. Z. aus London: Man
erwartet oon der Umgestaltung der Admiralität
eine energischere Bekämpfung der Eefahr der
Uboote, da die Zustände in England im Winter
schlimmer werden könnten als in Deutschland.
England müffe seine Schiffahrt zunächft für
den eigenen Landesbedarf benutzen und seine
Volksernährung allen Jntereffen der verbün-
deten Länder voransetzen. Die Zentralisation
der Schiffahrt aller Perbündeten habe für Eng-
land nur ungünstige Wirkung gehabt.
 
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