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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Riezler, Walter: Museumspläne der Stadt Berlin?
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0199
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MUSEUMSPLÄNE DER STADT BERLIN?

Kürzlich hat die Stadt Berlin, wohl auf das
Drängen der Öffentlichkeit, endlich einmal für
drei Tage diejenigen Kunstwerke, die von ihr in
den letzten Jahren angekauft worden sind, im
Rathause öffentlich ausgestellt. Diese Ausstel-
lung war eine erstaunliche Angelegenheit. Man
konnte wieder einmal sehen, daß es gewisse kul-
turelle Dinge gibt, die in Berlin heute noch auf
durchaus provinziale Weise behandelt werden,—
wenn man dabei unter „Provinz" nicht die Haupt-
städte der Provinzen, sondern allerhöchstens die
Kreisstädte versteht. Unter den angekauften Bil-
dern und Plastiken befinden sich, wie man jetzt
weiß, einige wenige ernst zu nehmende oder
doch hübsche Stücke. (Über das Hauptstück, die
ohne Inspiration zu Ausstellungszwecken ange-
fertigte Wiederholung des „Florian Geyer" von
Lovis Corinth, die rund 25 000 Mark gekostet hat,
wurde in der Presse schon zur Genüge geredet.)
Der große Rest ist so, daß er nicht einmal für
ein bescheidenes Provinzmuseum in Frage käme.
Die Stadt Berlin kauft diese Kunstwerke als
Grundstock einer künftigen städtischen Galerie!
Aber vielleicht ist das gar nicht die Absicht, und
man will nur einen „künstlerischen Schmuck"
für die städtischen Büros gewinnen — in der
Magistrats-Bibliothek hängt irgendwo über einem
Schrank eines der wenigen früher von der Stadt
erworbenen bedeutenden Bilder, ein hervorra-
gendes Frühwerk von Liebermann! — und zu-
gleich notleidende Künstler unterstützen. Diese
letztere Absicht ist löblich, es ist vielleicht sogar
die Pflicht der Stadt Berlin, hier helfend einzu-
greifen, aber da unmöglich allen bedürftigen
Künstlern geholfen werden kann, müßte sich die
Stade schon dafür entschließen, sich von Sach-
verständigen die der Unterstützung Würdigsten,
das heißt diejenigen, an deren Erhaltung und
Gedeihen im Interesse der Kunst gelegen ist,
nennen zu lassen. Man scheint aber die Auswahl
dem Zufall zu überlassen oder nach irgendwel-
chen persönlichen Beziehungen zu treffen.

Es ist schlechterdings ausgeschlossen, daß
auf diese Weise weitergewirtschaftet wird. In

den neuen Haushaltplan der Stadt sollen
400 000 Mark für Kunstankäufe eingesetzt wer-
den. Das ist mehr als irgendein deutsches
Museum, die Staatlichen Berliner Museen einge-
schlossen, zu Ankäufen zur Verfügung hat. Da
muß die Stadt schon endlich klar zeigen, worauf
sie hinauswill. Eine Zeitlang hieß es, sie wolle
die Sammlung Böhm, eine hervorragende Samm-
lung deutscher Bilder des 19. Jahrhunderts, er-
werben. Das wäre für jede andere Stadt ein vor-
trefflicher Grundstock für ein neu zu errichten-
des Museum. Für Berlin wäre der Ankauf eine
verfehlte Sache, weil die Nationalgalerie bereits
eine ganz hervorragende Sammlung dieser Art
besitzt und nicht einzusehen ist, warum die Stadt
ausgerechnet das Gleiche noch einmal machen
will. Man sollte darüber gar nicht zu reden brau-
chen, daß die Stadt Berlin mit ihren Museums-
plänen unter keinen Umständen dem Staat ins
Gehege kommen darf. Nicht aus Rücksicht auf
den Staat und seine Sammlungen, sondern des-
halb, weil es nichts Langweiligeres gibt als zwei
Museen gleicher Art an einem Ort. Deshalb
scheint mir auch der von anderer Seite gemachte
Vorschlag, die Stadt möge ein richtiges „Berli-
ner Stadtmuseum" gründen und dort alles sam-
meln, was sich auf die Stadtgeschichte bezieht,
nicht ganz das Richtige zu treffen, denn sowohl
das Märkische Museum als das Hohenzollern-
museum enthält schon sehr reiche Schätze die-
ser Art, und es wäre viel richtiger, wenn die Stadt
das Märkische Museum in den Stand setzen
würde, diese Sammlung möglichst vollständig
zu machen. Und es wäre wohl eine lohnende
Aufgabe, wenn man einmal in einer umfangrei-
chen Ausstellung alles auf die Stadt Berlin Be-
zügliche aus den beiden genannten Museen ver-
einigen würde.

Es ist sehr begreiflich, wenn die Reichshaupt-
stadt den Ehrgeiz hat, sich auf musealem Ge-
biete zu betätigen. Und es gibt sehr wohl Mög-
lichkeiten, mit denen sie keinem der bestehen-
den Museen seine Kreise stören würde, ja sogar
etwas schaffen könnte, was es noch nirgends

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