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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Die große Aufgabe des Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0095

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Die große Aufgabe des Werkbundes

In dem Ringen alier Deutschen um Wicdergesundung und
Aufstieg, um Erneuerung des Volkes, fällt jener Stelle erhöhte
Bedeutung zu, die seit nahezu dreißig Jahren unermüdlich
dafür wirbt, daß die sittliche Forderung, nur wertvolle Arbeit
herzustellen, anzubieten und zu kaufen, eine selbstverständliche
Verpflichtung jedes Einzelnen gegenüber dem Volksganzen
v/erde.

Daß von dieser Forderung die Existenz des echten deutschen
Künstlers und somit der deutschen Kultur abhängt, wußte man
schon bei der Gründung des Deutschen Werkbundes. Doch
heute, da durch Unterbietung und Währungsmaßnahmen für
Deutschland kein Geschäft mehr in der Welt zu machen ist,
kann sich selbst der ungläubigste Rechner der Erkenntnis nicht
mehr verschließen, daß die Erfüllung jener Forderung eine
Lebensfrage des ganzen deutschen Volkes geworden ist. Denn
die qualitative Überlegenheit deutscher Fertigware ist allein
noch imstande, die deutsche Ausfuhr wieder zu heben.

Die Güte einer Ware genügt aber noch nicht. Auch die
beste Ware bedarf zur Eroberung des Marktes der guten
Form. Denn diese ist die stärkste Werbung, durch keine andere
zu ersetzen. Nur die Einheit von Güte und Form kann sich auf
die Dauer behaupten.

Den Glcuben hat das deutsche Volk wiedergefunden, und
der Wille zur Erneuerung, zur Gemeinschaft, zum Aufbau ist
erwacht. Eine starke edle Gesinnung erfaßt mehr und mehr
die Herzen der Millionen. Doch der Weg von der Gesinnung
bis zur vollendeten, symbolischen Formgestaltung ist so weit
uncfmühevoll, daß wir alles daransetzen müssen, um die kost-
barsten Güter des Volkes, das sind die Kräfte der Erschauung
und Gestaltung, die schöpferischen Begabungen der Künstler
und Erfinder, zu mehren und zu üben, indem wir sie einschalten
in die Aufgaben der Gegenwart und ihnen helfen in dem
off so verzweifelten Kampf gegen den alles erdrückenden
Kitsch, gegen die Aufblähung und Aufdringlichkeit des Minder-
wertigen.

Es schlummern ja so unendlich viele Werte in unserem Volke.
Wir müssen sie nur herausholen durch unermüdliche Werbung,
Schulung, Übung,, und durch vorbildliches Schaffen. Dann wird
es einst selbstverständlich sein, daß in Deutschland nur gute
Ware hergestellt wird, daß die deutschen Städte und Woh-
nungen durchweg ein harmonisches Gesicht zeigen, ja, daß
man jedem Ding, welches in Deutschland hergestellt ist, seine
Herkunft auf den ersten Blick an der Güte und der starken
Sprache seiner äußeren Form ansieht.

Daß die Reichsregierung dieser Formbildung allergrößten
Wert beimißt, hat sie durch die Gründung der Reichskammer
der bildenden Künste praktisch bewiesen, und jeder Deutsche,
der die Berufung zur künstlerischen Tat in sich spürt, hat die
Pflicht, die Kammer zu unterstützen, wo er nur kann, und jeder
Verband wird dort, wo es sich um Hebung der Wertarbeit,
um Förderung des Gemeinwohles und der Kultur handelt, so
viel der Arbeit und der Aufgaben finden, daß nicht ein Einziger
überflüssig ist, so er nur seine Aufgabe richtig erkennt. Denn
was wollte die Kulturkammer machen, wenn sich das Volk
nicht selber rühr!', wenn keine Bewegung da ist, keine Jugend,
die freudig sich einsetzt, wenn einer gegen den anderen
arbeitet, anstatt daß einer den anderen unterstützt und ergänzt.

Er. war also eine Notwendigkeit, daß sich neue Männer
der Führung des Deutschen Werkbundes annahmen, um ihn
unter Abkehr von allem Starren und Dogmatischen, was durch
intellektuelle Einseitigkeit auch hier teilweise eingedrungen
war, wieder mitten ins Leben der Nation hineinzustellen als
eine zielbewußte Bewegung, als Erwecker und Sammler von
ideen und Kräften und als Künder lebendiger künstlerischer
Gesinnung und Tat.

Der Deutsche Werkbund hat sich zur Aufgabe gemacht, das
Gebiei' der Gestaltung total zu erfassen. Er bildet durch die
Zusammenarbeit aller seiner Mitglieder, die den verschiedensten
Berufen angehören, eine Querverbindung und enge Gemein-
schaft über alle Fachgruppen, die innerhalb der Kammer in
Fachsäulen getrennt sind. Wir sind Werkleute von deutschem
Blut, wir haben Boden unter den Füßen und gehen hinein in
unsere Fachverbände, in die Arbeitsfront, hinein ins Volk, aus
dem wir stammen und dem wir unsere Kräfte und die Sinn-
gebung unserer Arbeit verdanken. Es ist jedoch notwendig,
daß wir uns auch im engeren Kreise zusammenfinden, daß wir
uns vereinigen zu fruchtbarer persönlicher Aussprache und
gegenseitiger Anregung und Kritik, zur Vertiefung unserer An-
schauung und Erweiterung unseres Gesichtskreises.

In Verfolgung dieses Zieles sind wir ganz von selbst die-
jenige Stelle in Deutschland geworden, die jede Körperschaft
und jeden Einzelnen, vor allem auch das Ausland, über das
Gebier der Gestaltung aus einem Gesamtüberblick heraus vom
Wesentlichen unterrichten kann und auf das Erlesenste, was in
Deutschland geschaffen wird, aufmerksam macht. Noch bren-
nender jedoch, und damit kommen wir auf den Ausgangspunkt
unserer Betrachtung zurück, ist die Frage der aktiven Auslands-
werbung. Diese rührt an den Lebensnerv unserer Arbeit. Auf-
stieg oder Niedergang der deutschen Wirtschaft wird hier ent-
schieden. Hier müssen wir unsere kulturell und geistig über-
legenen Leistungen geschlossen ins Feld führen und alles
Mindere dabei ausscheiden. Es ist ein harter Kampf zu be-
stehen um der Erhaltung unseres Lebens und der Erfüllung
unserer Mission willen. Doch wir glauben an den Sinn des
Lebens. Jedem Menschen, jedem Volke ist eine Aufgabe
gegeben, die es erfüllen muß, wenn es nicht zugrunde-
gehen will.

Darum rufen wir die Freiwilligen vor! Schließt Euch enger
zusammen, die Ihr schon heute das Bild einer kommenden
Kultur erfühlt, bildet den Stoßtrupp im Kampfe um die reine,
lebendig und tief erschaute Formgebung, haltet treu zu Eurer
Überzeugung, beugt Euch nie der Nachfrage eines geschmack-
lich verdorbenen Publikums, auch wenn Euch dadurch Gewinn
entgehen sollte, sondern werbe ein Jeder unermüdlich für die
gute, schlichte, wertvolle Arbeit. Sie muß sich durchsetzen und
wird sich durchsetzen, wenn wir unerbittlich sind in der Selbstkritik.

Deutschland war von jeher ein starker geistiger Anreger
unier den Völkern der Welt. Wir wollen es bleiben, wollen
es als Träger einer welterneuernden Idee mehr sein denn je,
wollen wieder gut machen, was wir in Zeiten der Veräußer-
lichung und Vergiftung darin versäumt haben, und wollen der
ganzen Welt ein Vorbild werden, ein Vorbild, das sich aus
jedem Werkstück, jedem Bau, jedem Plakat, jeder Schrift, mit
einem Wort, aus jedem Formbild sichtbar wiederspiegelt
durch die deutsche Wertarbeit.

Ueber die praktische Arbeil der neuen Leitung unseres Bundes finden Sie Einzelheiten in den Werkbundmitteilungen am Schluß des Heftes

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