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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 3.1907

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Albert, Peter P.: Urkunden und Regesten zur Geschichte des Freiburger Münsters, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.2398#0036

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Albert, Urkunden und Regesten zur Geschichte des Freiburger Münsters

unverfälschten Zähringerbluts, sein beim Tode seines
altern Bruders, Bertholds III., im Sinken begriffene
Dynastengeschlecht wieder hochgebracht, den fast
verlorenen Reichsfürstenstand gerettet und aufs neue
begründet, seinen Nachfolgern den Boden für die
nachmals von ihnen eingenommene bedeutende
Stellung bereitet und den Wohlstand seines Hauses
auf die breiteste Grundlage gestellt hat. Nicht minder
war er der Kirche ein allzeit freigebiger Gönner,
seiner Stadt Freiburg der mildeste Herr gewesen.

Nur Architekten und Kunsthistoriker sperren sich
in der Regel gegen die geschichtlich vollauf ge-
sicherte Überlieferung, dass Herzog Konrad (1122 bis
1152), der Gründer der Stadt, auch der des Münsters
sei, wiewohl sie zugeben, dass das gewiss trefflich
zu dem Charakter des freundlichen Spenders passen
würde, „den nicht nur St. Peter auf dem Schwarz-
wald und die Reichenau als ihren Wohltäter ver-
ehrten". Sie nehmen Anstoß an den Stilformen der
heute noch bestehenden romanischen Bauteile des
Münsters, die angeblich viel mehr Übereinstimmung
mit der Zeit seines Sohns und Nachfolgers Ber-
thold IV. (1152—1186) als mit seiner eigenen zeigten.
Aber diese und ähnliche Bedenken können gegen
die Tatsachen der Geschichte nicht bestehen. Und
solange die Kunstverständigen selbst so stark von-
einander abweichen und keine besseren Gründe für
ihre Behauptungen beibringen, hat man das Recht,
ihnen den Glauben zu versagen und lieber den
allgemeinen Gesetzen der Geschichte als dem
wechselvollen und oft sehr zweifelhaften Ge-
schmack und Kunstverständnis einzelner zu folgen.
Steine reden wohl, aber vielfach eine ganz andere
Sprache, als die Kunstkenner zu hören glauben. Im
übrigen hat der Umstand, dass die noch vorhandenen
romanischen Formen unseres Münsters besser in
die zweite Blütezeit und Nachblüte des romanischen
Stils (1150—1250) passen, nichts mit der Tatsache
zu tun, dass Herzog Konrad der Gründer des
Münsters, d. h. der ersten, im Laufe der Zeit ver-
schiedentlich umgestalteten und erweiterten Pfarr-
kirche Freiburgs ist. Es gibt in der Tat auch Kunst-
gelehrte, welche den erwähnten Widerspruch nicht
finden können und sich gern an Hand der Ge-
schichte z. B. nach Burgund begleiten lassen, zu
welchem Herzog Konrad die engsten Beziehungen
hatte, da er seit 1127 dessen „Rektor" war. Dort
und in der benachbarten Westschweiz, wie z. B. in
St. Ursitz, gibt es der Anklänge an die Bauformen
des Freiburger Münsters so viele, dass man sich
wundert, warum die Kunstgeschichte diese Gegenden
noch nicht mehr zum Felde vergleichender Forsch-
ungen gewählt hat. Von anderer Seite hat man, um
die angeblichen Schwierigkeiten in der Stilfrage zu

beheben, den Vorschlag gemacht, anzunehmen: es
sei, während ein Notbau, mit dem aber noch keine
Pfarrechte verbunden waren, einige Jahre das erste
Bedürfnis befriedigte, an der Stelle des jetzigen Lang-
hauses des Münsters eine Lcclesia, die erste, steinerne
Pfarrkirche errichtet worden, der gegenüber die
jetzigen romanischen Teile nur als Erweiterungsbau
erschienen und die zirka 50 Jahre nach des letzteren
Vollendung, gerade weil sie ihrer Einfachheit und
Dürftigkeit wegen nicht mehr befriedigte, eingerissen
wurde, um dem gotischen Bau Platz zu machen."1
Ich glaube nicht, dass man unbedingt zu diesem Not-
behelf so oder ähnlich, wie er in der Entwicklungs-
geschichte des Münsters zu Straßburg ein Seiten-
stück hätte, seine Zuflucht nehmen muss, bin viel-
mehr überzeugt, dass es einer die geschichtlichen,
kirchen-, kunst-, kultur- und rechtsgeschichtlichen
Gesichtspunkte gleichmäßig in Betracht ziehenden
unbefangenen Forschung noch gelingen wird, auch
durch dieses Gewirr von Meinungen und Behauptungen
einen gangbaren Weg zu bahnen und selbst zur Beant-
wortung der Frage nach der Beschaffenheit der konra-
dinischen Kirche im ältesten Freiburg durchzudringen.
War diese, wie schon behauptet worden ist, „zuerst ein
Bethaus aus Holz, hierauf eine Steinkirche, dann der
zum Teil noch erhaltene romanische Bau und end-
lich das gotische Münster", auf das wir heute so
stolz sind? War das romanische Münster dem hl.
Nikolaus geweiht und erst das gotische unserer lieben
Frauen? und was derlei Fragen mehr sind. In älte-
ster Zeit wird das Münster lediglich als Pfarr- oder
Leutkirche schlechthin bezeichnet. Es fehlt jeder
Beleg dafür, dass es an erster Stelle der heiligen
Jungfrau geweiht war, und so legt sich nicht ohne
Grund die Vermutung nahe, dass die Benennung als
Liebfrauenkirche wie auch andernorts vielfach eine
spätere dem Volksmund entsprungene sei.

In der Gründungsurkunde ist von einem Oratorium,
einem Bethaus die Rede, was auf ein kirchliches Ge-
bäude kleineren Umfangs gedeutet wird, „wie es den
Bedürfnissen der erst beginnenden Stadt genügen
mochte", die in derselben Urkunde noch als Villa,
Weiler bezeichnet ist. Die verschiedenen im Mittel-
alter gebräuchlichen Benennungen für Kirche (Basi-
lica, Capella, Coenobium, Ecclesia, Monasterium,
Oratorium, Templum, Titulus etc.) geben an und
für sich wenig oder gar keinen Aufschluss über die
Beschaffenheit und Würde des betreffenden Gottes-
hauses; dies muss aus dem jeweiligen Zusammen-
hang erschlossen werden. Von den, mindestens
sechs verschiedenen engeren Bedeutungen des Be-

1 Vgl. Ulr. Stutz, Das Münster zu Freiburg i. Br. im
Lichte rechtsgeschichtlicher Betrachtung. Tüb. und Leipz. 1901
S. 5 Anm.
 
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