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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 3.1907

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Flamm, Hermann: Zur Geschichte der St. Michaelskaplanei im Münsterturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.2398#0085

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Kleine Mitteilungen und Anzeigen

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eine andere Liegenschaft übertragen worden sind.
Zu all dem stimmt es fast genau, wenn in einer Auf-
stellung der Einkünfte der Michaelskaplanei im
Münster, die aus den siebziger Jahren des 16. Jahr-
hunderts stammt1, als deren Jahresbezüge „nach einem
alten präsenzbuch" angegeben werden:

„Item der Kircherr zu Freiburg gibt järlichen
auf Martini 1 som wein und 4« <j rappen. Item
der Kessler in der Gruben gibt iärlichen auf Johans-
baptiste 10 ß, mer auf Joannis evangeliste 10 ß. Item
Peter Kessler oder seine erben geben 121/« ß. Item
Lorenz Krotzinger 71!., ß. Item ab einem Hof zu Wal-
thershofen werdend järlich geben 2 21/., mutt rocken
und 10 mutt gersten." Den Saum Weins aus dem
Freiburger Pfarrhof und die Roggengülte erwähnt
auch noch das schon genannte Urbar von 16662.
Von einer „caplanei, die zu Fryburg auf der purg lag
und nu in das münster zu ainem seelgrait gelegt ist",
sprechen auch zwei Notizen aus dem Jahr 1486,
welche eine Abgabe von 1 « 4 ß von der Kaplanei
zu Weiler bei Stegen im Kirchzartnertal an die nicht
näher bezeichnete Münsterkaplanei erwähnen1.

Nachdem nunmehr die Beziehungen der Burg-
und Münster-Michaelskaplanei nachgewiesen sind,
lassen sich leicht auch die verschiedenen Irrtümer
über die Michaelskapelle der Neuburg richtigstellen.
Weder die Vermutung Schreibers' noch die Poin-
signons6, der die Michaelskapelle der Neuburg für
die Fortsetzung der Burgkapelle hält und ihre Ent-
stehung also in die Zeit um 1366 verlegt, können
richtig sein. Jene wird durch die genaue Situations-
beschreibung der Lirkunde von 1295, diese durch die
Angaben des Präsenzstatuts von 1400 widerlegt. Dazu
kommt, was allerdings gleich zu einem neuen Irrtum
Anlass gab, dass die Michaelskapelle der Neuburg
schon 1277 anlässlich des Verkaufs eines Hauses, „das
an vron Lippinun lit bi sant Michaels kapeile" erwähnt
wird. Krieger" hat diese Stelle auf die Michaels-
kapelle der Grafenburg bezogen und seiner Quellen-
angabe sogar noch völlig irreführend die oben er-
wähnte Beschreibung der Urkunde von 1316 vor-
angestellt, ohne jeden Anhaltspunkt. Die Urkunde
von 1277 erwähnt die Burg mit keinem Worte.
Dass daher nicht die dortige Michaelskapelle ge-
meint sein kann, ist klar, ergibt sich aber auch

1 Stadtarchiv: Beneftcium St. Michaelis. — Der in der Notiz
genannte Kaplan starb um 1580.

" Engler a. a. O. S. 243.

3 Generallandesarchiv Karlsruhe: Breisgauer Archive Konv.
173 und Statthaltereiarchiv in Innsbruck: Repert. d. Schatzarchiv
Bd. 1, Bl. 376. Ich verdanke die beiden Notizen einer freund-
lichen Mitteilung des Herrn Baron C. von Althaus.

' Schreiber a. a. O. S. 32.

'• Ad. Poinsignon, Geschichtliche Ortsbeschreibung der
Stadt Freiburg im Breisgau 1 (Freiburg 1891), S. 134.

" A. Krieger, Topographisches Wörterbuch des Großherzog-
tums Baden 1- (Heidelberg 1903), Sp. 627.

ohne weiteres aus dem Umstand, dass dort oben die
Freiburger Bürger keine Häuser zu verkaufen hatten;
es kann also mit der Kapelle von 1277 nur die der
Vorstadt Neuburg gemeint sein. Wer diese gebaut
hat und wann dies geschah, ist nicht bekannt, nach
der Abbildung des Sickingerschen Stadtplans von 1589
(Ziff. 14) kann sie nur ein unscheinbarer Bau gewesen
sein. Seit dem 14. Jahrhundert, vielleicht aber auch
schon früher, gehörte sie dem Kloster Beuron im
Donautal, das in der Neuburg ein Haus besaß. Ihre
Geschichte ist, soweit überhaupt bekannt, nur in-
sofern von größerem Interesse, als sie einigen Auf-
schluss über das sonst wenig bekannte Interdikt
gibt, das während der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts über die Stadt Freiburg vermutlich wegen
ihrer Stellungnahme für die Päpste in Avignon ver-
hängt worden war7. Im Jahr 1662s kaufte Fischer,
der Vizekanzler der vorderösterreichischen Regie-
rung, die Kapelle samt dem anstoßenden Garten
dem Kloster Beuron ab; mit der Zerstörung der
Neuburg im Jahr 1677 ist jedenfalls auch sie dem
Festungsbau des Marschalls Vauban zum Opfer ge-
fallen.

Die Aufgabe dieser kleinen Untersuchung, die
Identifizierung der verschiedenen Freiburger Michaels-
kapellen und die Frage nach der Bedeutung der
Jahreszahl 1285 als Baudatum des Münsterturms, die
in negativem Sinn beantwortet werden musste, ist
damit gelöst. Zum Schluss seien jedoch der Voll-
ständigkeit wegen noch die wenigen Nachrichten ge-
geben, die über die Michaelskaplanei im Münster
außer den schon besprochenen Stellen ermittelt
werden konnten.

Wie schon hervorgehoben, fiel das Recht der
Verleihung der früheren Burgkaplaneistellen an die
Erzherzöge von Österreich. Wie sie zu dieser Stel-
lung kamen, war den Herzögen später selbst nicht
klar. Schon 1445" schreibt Herzog Albrecht, der
die Michaelspfründe seinem Protonotar Alexander
Los verliehen hatte, auf eine Beschwerde von Bürger-
meister und Rat der Stadt Freiburg, er habe von
Los vernommen, „wie dieselb capell von uns und
dem haus ze Österreich ze lehen rüre", und im
Jahr 1510 fordert Kaiser Maximilian von Breisach
aus von den Kirchenpflegern und Kirchmeistern des
Münsters unverzüglich „ein copei der fundacion der

7 Vgl. darüber H. Haupt, Das Schisma des ausgehenden
14. Jahrhunderts und seine Einwirkung auf die oberrheinischen
Landschaften in der Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins N. F. 5,
besonders S. 316 f. und außer der dort mitgeteilten Literatur die
im Bd. 2 der Regesten der Bischöfe von Konstanz offenbar
übersehene wichtige Urkunde vom 5. Sept. 1371 in den Mit-
teilungen der Badischen Histor. Kommission Nr. 4 (1885), S. 209f.

3 Schreiber a. a. O. S. 33.

9 Stadtarchiv: Beneftcium St. Michaelis.
 
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