Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 3.1907

DOI article:
Sauer, Joseph: Die neueste Literatur über das Freiburger Münster
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2398#0092

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kleine Mitteilungen und Anzeigen

Eine Begleiterscheinung des frischen Tons der
Darstellung ist das verhältnismäßig lange Verweilen bei
burlesken und grotesken Eigenheiten, namentlich in
ikonographischer Hinsicht. So werden im Gegensatz
zu den Wasserspeiern, die der Verfasser entschieden
ins Herz geschlossen zu haben scheint, die ernsten
Figuren der Außenseite kurz abgetan. Wenn der Ver-
fasser es für angebracht hält, dem Leser die Nase
nachdrucksam auf derbe, burleske Einzelheiten zu stoßen,
da auf ein „schönes Kameel", dort auf „falsch geformte
Augen", „auf ein Weib von schwerem Stuhlgang", so
könnte man auch wünschen, gerade in pädagogischem
Interesse, dass das bei wirklichen Schönheiten und Fein-
heiten ebenfalls geschehen wäre. Dass z. B. die klugen
und törichtenjungfrauen bezüglich ihres Stimmungsgehalts
und der Differenzierung ihres Ausdrucks zu den herr-
lichsten gotischen Gebilden zählen, erfährt man aus der
Note, die Baumgarten ihnen gibt: ,allerliebste Person-
ellen', gewiss nicht.

In Bezug auf ikonographische und kunstgeschicht-
liche Einzelheiten sei noch folgendes angemerkt: Die
vier sitzenden Männer am Turm bedürfen noch sehr der
näheren Identifizierung. Da auch anderwärts an der
Turmfront solche Figuren in der Vierzahl vorkommen,
so scheint eine lokalgeschichtliche Beziehung aus-
geschlossen zu sein. Hier werden sie als „die vier
Vertreter (aber was für?) der Herrschaft gedeutet (S. 4),
die das Rektorat (soll heißen: Patronat!) über die Kirche
hatten". Dass die Krönung Davids durch Samuel im
Durchgang unter dem südlichen Hahnenturm „ein pla-
stisches Manifest für die von der Kirche um 1200 be-
anspruchte Stellung über dem Königtum" sein soll
(S. 47), ist natürlich ein schlechter Scherz. Ist vielleicht
auch das Gottesgnadentum der Fürsten ein solches
Manifest? Jene Relieftafel ist vielmehr der Rest einer
der zahlreichen Davidzyklen aus dem Psalter, die auf
sehr frühe Zeit zurückgehen. Der romanische Cruci-
fixus in der Böcklinskapelle ist sicherlich auf dem Hoch-
altar ursprünglich nicht gestanden; denn das frühe Mittel-
alter kennt das Kreuz auf dem Hochaltar nicht. Es ist
entweder als Prozessions- oder Triumphbogenkreuz an-
zusprechen und dürfte, wie eine nähere technische
Untersuchung vielleicht feststellen kann, keine ein-
heimische Arbeit sein. „Etwas durchaus Neues" (S. 44)
war die Auffassung der Geburt Christi durch Baidung

nicht. Schon geraume Zeit vorher lässt sich diese
malerische Neuerung schon in den Niederlanden auf-
weisen. Dass der bekannte romanische Fries am Ein-
gang zur einstigen Nikolauskapelle nichts weiter als ein
„lustiger Teppichsaum" sei, widerspricht durchaus der
Auffassungsweise des frühen Mittelalters. Nur wer die
theologische Literatur jener Zeit nicht genügend be-
herrscht, kann solche Anschauung vertreten. Man wird
nicht behaupten können, dass, während gewisse Begriffe
in dieser Literatur ihre festen Werte hatten, in der
doch aufs engste mit der Literatur zusammenhängenden,
fürs Gotteshaus und nicht für nebensächliche, inhalts-
lose Ornamentik eher zulassende Partien arbeitenden
Kunst plötzlich diese Werte fortfallen sollen.

Diese verschiedenen Bemerkungen mögen keines-
wegs als kleinlich angesehen werden; wenn wir sie hier
in der Würdigung des Schriftchens vorgebracht haben,
so leitete uns das lebhafteste Interesse. Dessen posi-
tivem Wert, dessen überaus geschickter Anlage, be-
wundernswerter Reichhaltigkeit und Sachlichkeit können
solche Kleinigkeiten, die bei einer neuen Auflage leicht
richtig gestellt oder vervollkommnet werden können,
nicht den mindesten Abtrag tun.

Im Anschlüsse an das Baumgartensche Büchlein
erwähnen wir eine interessante Untersuchung, die
Dr. Rudolf Burckhardt an einer etwas entlegenen Stelle1
dem Meister des Dreikönigsaltars, Hans Wydyz (nicht
Wydynz, wie Baumgarten S. 39 will), hat angedeihen
lassen. Dieser Altar war bis ins 19. Jahrhundert hinein
in der Kapelle des Baslerhofs aufgestellt und dürfte, wie
die zugehörigen Flügel in der Domkustodie zeigen, aus
Basel selber stammen. Er ist mit dem vollen Namen
des Meisters signiert und 1505 datiert, durch Glänz
1823 teilweise ergänzt worden. Die Hauptdarstellung,
die Anbetung der Könige, stammt aber noch von Wydyz.
Burckhardt stellt auf Grund anderer kleinerer Werke
des Künstlers (in Basel Adam und Eva und ein Cruci-
fixus, im Kaiser Friedrich-Museum ein Martyrium des
hl. Sebastian) dessen Eigenart und künstlerische Be-
deutung fest. Auch den Schmerzensmann über dem
Altar weist er auf Grund stilkritischer Merkmale dem
Wydyz zu, über dessen Lebensschicksale nichts weiter
zu ermitteln war.

1 The Burlington Magazine XI (1907), p. 212 -221.
 
Annotationen