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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 4.1908

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Geiges, Fritz: Das St.-Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein
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https://doi.org/10.11588/diglit.2634#0048

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Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

1378 den Kultus der hl. Anna, den allerdings die
griechische Kirche längst kannte, auch im Abendlande
öffentlich einführte, lässt das vermuten. Aber wenn
auch in dem genannten visionären Vorgang nicht
der eigentliche Ausgangspunkt dieser
religiösen Bewegung gesucht werden
darf, so gab er derselben doch jeden-
falls einen wesentlich fördernden An-
stoß in ganz bestimmter Richtung,
dessen Wirkung in der regen litera-
rischen Behandlung sowie der künst-
lerischen Gestaltung der ausgelösten
Ideen offenkundig wird.

Unter den Leuchten der Wissen-
schaft war es namentlich der be-
rühmte Abt Johannes Trithemius zu
Spanheim bei Kreuznach, der mit
einem wahren Feuereifer das Lob der
heiligen Mutter Anna verkündigte,
die er in seinen Hymnen mit einer
Glorie umgab, in der sich der Ab-
glanz all der wonniglichen, strahlen-
den Herrlichkeit spiegelte, mitweicher
die Dichter des Mittelalters die jung-
fräuliche Gottesmutter umkleideten
und für die er selbst die Conceptio
immaculata ihrer Tochter in Anspruch
nahm. Von den Schreibstuben der
gelehrten Theologen übertrug sich
die allseitig eifrig geschürte Begeiste-
rung auf das gläubige Volk, das mit
begieriger Andacht die den makel-
losen, vorbildlichen Wandel Mutter
Annas verkündigenden Lieder und
bildwerkgeschmückten Historien in
sich aufnahm, welchen die wunder-
bare neue Kunst Gutenbergs die
weiteste Verbreitung sicherte, unter
deren Erstlingswerken gerade die
Annenlegenden eine hervorragende
Stellung einnehmen. Es gibt im
ausgehenden 15. und beginnenden
16. Jahrhundert kaum eine Gestalt
der Legende, welche so sehr in den
Mittelpunkt des religiösen Empfin-
dens gerückt ist und solche innige
Zuneigung genoss, wie die heilige
Mutter Anna. In den verschiedensten
menschlichen Nöten und Anliegen
wird vertrauensvoll ihre Fürbitte an-
gerufen und zahlreich sind darum auch ihre Patro-
nate. Die hl. Anna vermag, so meint Trithemius,
„einem Christenmenschen alles zu geben, was zu
bitten erlaubt ist".

1. Ausschnitt aus einem Fenster
im Querschiff der Kathedrale zu

Chartres. Breite 1,08 m.
(Nach einer Pause von Durand.)

Zusehends mehren sich, aus solcher Stimmung

erwachsend, allenthalben die St. Annenbruderschaften,

und zwar in einem Umfange, dass manche Städte

deren mehrere aufweisen. Dem begnadeten Weibe

zu Ehren werden allerorts Glocken

geweiht, Altäre errichtet, Kapellen

und Kirchen erbaut.

Es ist naheliegend, dass das hier-
mit naturgemäß verbundene und kaum
zu befriedigende Verlangen nach ent-
sprechenden Reliquien dem Miss-
brauch nichtswürdiger Spekulanten
Tür und Tor öffnete, und die Aus-
dehnung, in welcher die Gutgläubig-
keit des Volkes solchen Betrügern
zum Opfer fiel, belegt nicht zuletzt,
wie alle andern geschilderten Er-
scheinungen, der Heiligen Volkstüm-
lichkeit und Ansehen.

Die ausgesprochenste Verehrung
aber genoss die Mutter Mariens bei
den Bergleuten. Als Luther, der Berg-
mannssohn, sich dem Klosterleben
gelobte, rief er laut ihren Beistand
an. In seiner mansfeldischen Heimat
stand, wie überall, wo der Bergbau
florierte, ihr Name voran allen an-
dern, und wiederholt gibt uns der
spätere Reformator Zeugnis davon.
Nicht nur einzelne Gruben, auch
ganze Gemeinwesen in erzreichen
Gegenden werden deshalb nach ihr
benannt. Heißen doch nicht weniger
als fünf Orte in deutschen Landen
Annaberg, darunter am bekanntesten
die einst bergmännisch betriebsame
Stadt im sächsischen Erzgebirge, die,
1496 als die neue Stadt am Schrecken-
berg gegründet, von Kaiser Maxi-
milian, der selbst Mitglied der an-
gesehenen Wormser St. Annenbruder-
schaft war, ihren Namen erhielt.

Auch im Breisgau hatte die berg-
männische Gewinnung von Silber-
erzen schon frühe eine große Aus-
dehnung gewonnen. Allein in den
zum Lehensbesitz der Freiburger
Grafen gehörenden Gruben wird in
der Zeit von 1280—1380 die jähr-
liche Ausbeute auf 2000—2500 M
Silber gewertet. Welche Stellung die breisgauische
Silberproduktion einnahm, ersehen wir aus der Be-
deutung, die sie auf den Messen der Champagne
genoss, denn in dem ältesten Börsenbericht, den ein

Mg m
 
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