Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 4.1908

DOI Artikel:
Geiges, Fritz: Das St.-Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2634#0053

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext




-■'■.■■-

^H



Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

47



gekürzten, langen genealogischen Reihe häufig als Gleichgültigkeit, sondern selbst eine völlig ablehnende
Halbfiguren wie Knospen herauswachsen. Stimmung gegenüber den üblichen Sippendarstel-

Als eine naheliegende Reflexwirkung dieser Be- lungen geltend. Man war schließlich zu der strengen
gleiterscheinung äußert sich die vereinzelt nicht ohne Anschauung gelangt, in der aus den apokryphen
Geschick durchgeführte Übertragung der Stamm- Evangelien geschöpften Vorstellung einer dreifachen
baumform auf das Sippenbild, welches dadurch aus Vermählung der hl. Anna einen anstößigen und
der ungünstigen Hintereinanderschachtelungdervielen darum wenig erbaulichen Vorgang zu erblicken. Was

lange vereh-
rungswürdig er-
schien, war nun
verwerflich, und
wie einst Calvin,
so eiferte 100
Jahre später der
Jesuit Molanus
gegen das Tri-
nubium der
Mutter Anna.
An Stelle der
Sippe tritt mehr
und mehr die
heilige Familie
in der oft genre-
haften, intimen
Behandlung des
Gedankens, wie
er zuvor schon
neben dem Sip-
penbild auftrat,
charakterisiert
durch die Aus-
scheidung der
weiteren Ver-
wandtschaft, mit
Ausnahme von
Elisabeth und
Johannes. Die
Annenbilder be-
schränken sich
auf die in der

französischen
Kunst auch zu-
vor beliebt
gewesenen Unterweisungen zwischen Mutter und
Kind.

Wenden wir uns nach diesem einleitenden Ex-
kurs auf das Gebiet mittelalterlicher St. Annen-
verehrung dem unmittelbaren Gegenstand unserer
Betrachtung zu, dem Freiburger St. Annenfenster,
das gleich der Kapelle, für deren Schmuck es ge-
schaffen wurde, seine Entstehung der geschilderten
religiösen Bewegung verdankt, als ein Tribut des
heimischen Bergbaues an die Schutzheilige berg-
männischer Tätigkeit.

Figuren zu einer
klareren Ent-
wicklung ge-
bracht werden
konnte. In be-
sonders befrie-
digender Weise
ist dieser Weg
auf dem großen
Schrein der Er-
löserkirche zu
Brügge beschrit-
ten, bei dem uns
auf den ersten
Blick kaum zum
Bewusstsein
kommt, dass
nicht weniger als
24 der sonst sich
zwängenden und

drängenden
Familienglieder
untergebracht
sind.

Dassfürden
nicht ängstlich
an der herge-
brachten Scha-
blone klebenden
Künstler auch
bei rein bild-
mäßiger Be-
handlung dieBe-
meisterung der
im Motiv wur-
zelnden Schwie-
rigkeit möglich ist, hat uns Geertgen van Haarlem
in seinem lebensvollen Sippenbild im Amsterdamer
Reichsmuseum bewiesen.

Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts be-
ginnt das Interesse an dem so vielfach variierten
genealogischen Gedanken, der so lange weite Schich-
ten des Volkes zu fesseln und zu erwärmen ver-
mochte, sichtlich nachzulassen. Die Ursache dieses
Wandels dürfte nicht etwa nur in der eingetretenen
Glaubensspaltung zu suchen sein. Auch in katholi-
schen Kreisen machte sich allmählich nicht allein

6. Äußeres der St. Annen-, jetzigen St. Alexanderkapelle.
 
Annotationen