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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 4.1908

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Geiges, Fritz: Das St.-Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein
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https://doi.org/10.11588/diglit.2634#0056

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Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

schmuck der Kapelle, dessen Ursprung und Schick-
sale sowie seine Würdigung in historischer, ästheti-
scher und technischer Hinsicht.

Unter den Mitgliedern der als Stifter genannten
Gewerkschaft haben wir uns nicht etwa Wiesentäler
Bergarbeiter, sondern Freiburger Bergindustrielle zu
denken, wie ja der Betrieb der Todtnauer Silber-
gruben schon frühe in den Händen von Bürgern der
Stadt Freiburg lag, die an Ort und Stelle auch einen
eigenen Münzmeister stationiert hatte. Auf Freiburger
Unternehmer, Angehörige der gleichnamigen, ange-
sehenen Bürgergesellschaft, weist auch die frühere
Bezeichnung als „Fron zum Gauch" (Kuckuck). 1512
erhielt die Gewerkschaft zu St. Annengrub zu Todt-
nau, auch „Gewerkschaft zum Bach" genannt, von
Kaiser Max bestätigte neue Statuten, und vier Jahre
später wurde sie mit weiteren Privilegien ausgestattet.
Über die Namen der an dieser Grubengesellschaft
beteiligten Personen geben jedoch die betreffenden
im Stadtarchiv verwahrten Urkunden keinerlei Auf-
schluss.

Bevor wir der weiteren Frage nach dem künst-
lerischen Urheber des Fensters näher treten, wollen
wir sein Werk einer eingehenden Besichtigung unter-
ziehen.

Das gegebene Bildfeld, die vierteilige Fenster-
öffnung, deren Sohlbank 2,60 m über dem Fußboden
liegt, hat bei einer Höhe von 3,70 m in seinen ein-
zelnen Bahnen eine lichte Breite von etwa 53 cm.
Die schlank profilierten Steinpfosten haben eine
Stärke von etwa 17 cm; die drei Horizontalschienen,
deren Anordnung aus den verschiedenen hier bei-
gegebenen Aufnahmen ersichtlich ist, sind 4—5 cm
breit. In den unteren Ecken des Fensters sind Lüf-
tungsflügel angeordnet, durch welche die betreffenden
Kompartimente nach beiden Dimensionen um etwa
6 cm verengt werden.

Die getroffene Anordnung, durch welche die
völlige Durchbrechung der einzigen Außenwand der
Kapelle erzielt wird, lässt erkennen, dass man be-
strebt war, die Lichtquelle des Raumes so offen zu
gestalten als unter den gegebenen Verhältnissen über-
haupt angängig erschien. Dabei kam eine solche
Lösung auch dem architektonischen Aufbau des
Äußeren zu statten, in welchem die harmonische Ver-
bindung mit der Fenstergliederung des Obergeschosses
des Kapellenbaues im Auge zu behalten war.

Nach außen ist das Fenster in der üblichen
Weise durch kupferne, in einem Abstand von 12 cm
zwischen die Strängen gelegte, geflochtene Drahtnetze
von etwa 1,5 cm Maschenweite geschützt und durch-
schnittlich nur 5 cm von der Glasfläche abstehend,
durch ein schweres, aus vierkantigen 3—4 cm breiten
Flacheisen gebildetes Stachelgitter gegen Einbruch

gesichert. Ob diese Verkremsung mit Rücksicht auf
die tiefe Lage des Fensters von Anfang vorgesehen
war oder erst durch die Unterbringung des im
17. Jahrhundert gewonnenen Reliquienschatzes ver-
anlasst wurde, lässt sich nicht entscheiden. Ab-
gesehen von den durch diese Schutzvorrichtungen
bedingten Störungen hat das nach Norden gelegene
Fenster eine freie Lichtwirkung.

Was nun die künstlerische Lösung des in dem ge-
gebenen Rahmen entwickelten Gedankens betrifft, so
ergibt sich die Grunddisposition naturgemäß aus der
architektonischen Gliederung des ersteren, welche die
Wahl der fünfzehnköpfigen, vier Männer und vier Frauen
einschließenden Sippengruppe nahelegen musste. Auf
hufeisenförmiger gotischer Steinbank mit hoher ein-
facher, in der Gliederung des Fensters dekorierter
Rückwand sitzen die vier Frauen. In der Mitte zur
Linken, unbedeckten Hauptes, mit lang herabwallen-
dem Haar die jungfräuliche Gestalt der Gottesmutter,
den unbekleideten Jesusknaben auf dem Schoß hal-
tend, der begierig nach einem Apfel strebt, welchen
ihm die in den Matronenschleier gehüllte, zur Rechten
sitzende Großmutter, das Kind mit der Linken zu
sich ziehend, liebevoll entgegenhält. Auf den beiden
Seitensitzen der Bank haben Annas Töchter aus
zweiter und dritter Ehe, rechts Maria Salomae, links
Maria Cleophae Platz genommen. Beide Frauen
halten aufgeschlagene Bücher auf ihrem Schoß.
Während erstere ihre Aufmerksamkeit dem Jesus-
kind zuwendet, ist Maria Cleophae durch den kleinen
Jacobus minor in Anspruch genommen, der mit aus-
gestreckten Ärmchen begehrlich nach der Frucht
verlangt, welche die Mutter verlockend emporhält.
Die übrigen Knaben treiben sich jeweils zu Füßen
ihrer Mütter, mit allerlei Spielgeräten beschäftigt, auf
dem mit heraldischen Tiergestalten (Löwen, Hunden,
Adlern usw.) gemusterten Fliesenboden herum.
Den Jacobus major im leichten Hemdchen fesselt
das Spiel eines Windrädchens, während der kleine,
völlig nackte Johannes ev. in die Betrachtung eines
Bilderbuchs vertieft ist. Auf der andern Seite tummelt
sichJudas Thaddäus im Fellröckchen auf dem Stecken-
pferd, mit der Rechten, um deren Handgelenk das un-
vermeidliche Granatkettchen geschlungen ist, bestrebt,
dem ihm gegenüber sitzenden, nur an der Linken
mit einem Handschuh bekleideten Simon den un-
gestört durch das Tollen der Kinder an einem Nuss-
kern pickenden zahmen Stieglitz abzujagen, während
dazwischen Joseph Justus eifrig auf der Schwegel-
pfeife spielt. Nur der schon erwähnte Jacobus minor
ist ohne Spielzeug. Ein auf dem Boden liegendes,
mit Bildern geziertes Buch sowie eine angeschnittene
Frucht (Granatapfel) und ein Rosenzweig beleben die
leere Fläche zwischen den beiden spielenden Kinder-

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