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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 4.1908

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Geiges, Fritz: Das St.-Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein
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https://doi.org/10.11588/diglit.2634#0068

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Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

Stangen in der allgemein gebräuchlichen Weise durch
Deckschienen bewerkstelligt, welche mittelst Eisen-
keilen, sogenannten „Bislin", festgehalten werden, eine
Konstruktion, die als bekannt vorausgesetzt werden
darf. Die Windstäbe waren ursprünglich jedenfalls
teilweise der Form nach abgebogen22.

Und nun die Frage nach dem Schöpfer des
Werkes.

Wir besitzen die Aufzeichnungen einer Nürn-
berger Nonne aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts23,
in welchen dieselbe Anleitung zum Glasmalen gibt,
und die einleitenden Worte dieser Schrift enthalten
den Satz: „Item, wenn du wilt vester machen mit
gemolten glas. Es sei pild (figurales) oder gewechs
(Ornament) oder woben (Wappen) wellerlei das ist,
so mustu dir das laßen entwerfen auf papir einen
maier." Das ist nicht etwa nur der Standpunkt einer

Es wird besonders vermerkt, dass er das „malwerk"
zu machen habe, „nach inhalt einer visierung, die wir
im zu handen gestellt".

So müssen wir denn auch bei unserem St. Annen-
fenster die aufgeworfene Frage gleich in eine doppelte
scheiden: wer ist der künstlerische Urheber des
Werkes, d. h. wer hat den Entwurf gefertigt, und in
wessen Hand lag dessen Ausführung auf Glas. Auf
die erstere lässt sich einigermaßen schon aus der
Signatur der nicht gerade fremden künstlerischen
Handschrift die Antwort finden, sie ist uns außer-
dem aber auch urkundlich gegeben.

In den Zahlungsausweisen der Freiburger Mün-
sterfabrik ist zum Jahr 1515 der Vermerk enthalten:
„Item 13 ß meister Hans Baidung von den

schilten zu malen an der zumpfkerzen und von

der visierung zu sant Anna venster."

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23 und 24. Durchbrochen geschnittene Glasstücke. A. Weißes Spruchband. B. Blauer Damastgrund. (1Ji der Originalgröße.)

klösterlichen Dilettantin, auch der Mann von Fach,
der zünftige Glasmalerkünstler war um diese Zeit
nicht mehr allgemein gewohnt, unter allen Umständen
auch den Entwurf zu der ihm übertragenen Arbeit
selbst zu fertigen. Gegenüber der primitiven Kunst-
weise des Mittelalters war jene des 16. Jahrhunderts
zu einer Entwicklung herangereift, mit welcher die
der Glasmalerei zur Verfügung stehenden Kräfte
nicht mehr Schritt zu halten vermochten. Soweit die
Darstellung geläufiger Motive gefordert wurde, fehlte
es ja auch jetzt nicht an geeigneten Vorlagen, mit
welchen man sich, so gut und schlecht es eben ging,
zu behelfen wusste34, aber nicht immer war damit den
gestellten Anforderungen zu genügen, und so kam
es, dass häufig schon die Auftraggeber Entwurf und
Ausführung in verschiedene Hände legten.

Auch in der Vertragsurkunde, welche 1524 die
Universität mit dem Glasmaler Hans von Raperstein
wegen Herstellung der Fenster in ihrer Kapelle im
Chorumgang abschloss, kommt das zum Ausdruck.

Unter dem gleichen Datum ist dem noch bei-
gefügt:

„Item V ß nachgezogen in der fronvasten
Lucie. — Item 25 lib. rappen Hans Baidung."

Mit diesen kurzen Notizen ist das vorliegende
und längst bekannte urkundliche Material erschöpft.

Wie war nun diese Visierung beschaffen? Haben
wir uns darunter nur eine kleinere Entwurfszeich-
nung zu denken oder auch einen sogenannten Kar-
ton, eine Zeichnung in der Ausführungsgröße des
Fensters, wie sie ja der Glasmaler unter allen Um-
ständen benötigte? Und dann, wie weit ging im
einen oder andern Falle das Maß der Durch-
bildung? Das sind keine müßigen Fragen. Wenn
man bei Beurteilung des Fensters den Anteil Baidungs
an der künstlerischen Qualität des Werkes fest-
stellen will, muss man sich hierüber einigermaßen
im klaren sein.

Aus dem Wortlaut des Rechnungsausweises ist
nichts Sicheres zu entnehmen. „Die Visierung" kann

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