Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 6.1910

DOI Artikel:
Münzel, Gustav: Der Dreikönigs-Altar von Hans Wydyz im Freiburger Münster (Fortsetzung)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2638#0075

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext






68

Münze], Der Dreikönig-Altar von Hans Wydyz im Freiburger Münster

Lazarus" vom Tegginger-Altar kam ein Monogramm
zum Vorschein, dessen Deutung durch die aufge-
fundenen Notizen über Baer und einen Vergleich mit
der Malerei der Flügel des Dreikönig-Altars gelang.
Die verbundenen Buchstaben HB bezeichnen Hans
Baer, und die in das H hineingeschriebenen Buch-
staben sind zu lesen als PX, eine Abbreviatur für
pinxit. Die Autorschaft Baers für den Tegginger-
Altar wird noch weiter verstärkt durch die Zeit seiner
Entstehung 1593, wo Baer in Freiburg seinen Wohn-
sitz hatte. Tegginger sowohl wie Burgknecht, der
Stifter der Flügel, standen in engen Beziehungen zu
dem Baer günstig gesinnten Basler Stifte1.

Wohl die hervorstechendste Ähnlichkeit zwi-
schen der Malerei der Flügel und dem Altarbild
liegt in der Bildung der Hände. Sie sind äußerst
maniriert gezeichnet, die Finger sind gespreizt und
wie gichtisch verbogen, namentlich auffallend ist die
Wendung des Daumenendes nach außen. Am deut-
lichsten ist dies im Lazarusbilde an den Händen des
Totengräbers, bei dem Jüngling, der den Lazarus
hält, bei Lazarus selbst, sowie bei dem knieenden
Petrus; auf den Flügeln vor allem bei Pantalus und
Paulus. Auch die großen Zehen sind ähnlich den
Daumen behandelt. Petrus und der an Dürers Apostel-
bild erinnernde Paulus zeigen auf beiden Bildern den-
selben Typus und die gleichen Körperproportionen,
ebenso sind sie in die gleichen dünnlappigen Ge-
wänder gehüllt. Der Bergzug im Hintergrunde auf
dem Heinrichbilde, die rauchartigen Wolken bei
Pantalus finden sich auch im Lazarusbilde, ebenso
überall, außer bei Heinrich, die klassischen Architek-
turen. Diese Übereinstimmungen sind für die Autor-
schaft Baers an beiden Bildern evident.

Charakteristisch für die Flügel ist die reiche
Ausbildung des Hintergrundes. Überall zeigt sich
eine vielgestaltige Architektur in gebirgiger Landschaft.
Jeder Hintergrund hat Beziehung zu der dargestellten
Person. Bei Paulus ist es seine Bekehrung auf dem
Wege nach Damaskus, bei Petrus sein Kreuzigungs-

1 ÜberTegginger vgl.].König, Die ältesten Statuten dertheol.
Fakultät in Freiburg: FreiburgerDiözesanarchiv 22 (1892), S. 12.

P. Albert, Geschichte der Stadt Radolfzell a. B. Radolfzell
1896 S. 491 f.

K. Schuster, Der Lettner im Freiburger Münster: Freiburger
Münsterblätter 1, 47 f.

Dieser Tegginger-Altar war durch die stilpuristische Be-
wegung entfernt worden, wurde bisher in der Domkustodie auf-
bewahrt und kam im Juli 1909 wieder in das Münster zurück,
allerdings nicht an seine ursprüngliche Stelle, sondern in die
Heimenhofer Kapelle oder die alte Basler Sakristei. Da der Altar
sehr verwahrlost und das Altarblatt stark beschädigt war, musste
es bei der Wiederherstellung des Altars in manchen Teilen er-
gänzt werden, so dass der Vergleich mit den Malereien der
Flügel nur mit der dadurch verlangten Beschränkung vor-
genommen werden kann. Außerdem ist eine zweite, eine Ge-
hilfenhand an dem Tegginger-Altar deutlich erkennbar.

tod. Kaiser Heinrich, der Patron Basels, hat Basel
zum Hintergrund. Das Bild der Stadt ist offenbar
nach der Natur gezeichnet, es stimmt mit keinem
der bekannten Stiche überein. Die Landschaft ist
zusammengerückt, als Abschluss sieht man hoch-
ragende Berge. Auf dem Rhein fährt ein mit vielen
weiblichen Gestalten dicht besetztes Schiff. Die Ver-
mutung liegt nahe, dass es das Schiff mit den elf-
tausend Jungfrauen darstellen soll, deren Legende
mit Basel eng verknüpft ist2. Im Gegensatz zu Basel
ist das Stadtbild von Rom bei Pantalus völlig ent-
lehnt. Es ist eine ganz genaue Wiedergabe des Bildes
in Seb. Münsters Cosmographie3. Auf der rechten
Tiberseite sieht man die Engelsburg, den päpstlichen
Palast, die Peterskirche mit dem alten Turm und das
Belvedere. Links im Vordergrunde zeigen sich die
Hadrianssäule, das Reiterdenkmal des Mark Aurei,
die Diocletiansthermen u. a. Dass Pantalus als legen-
därer Basler Bischof Rom zum Hintergrunde hat, ist
auffallend, da er zusammen mit dem Papst die elf-
tausend Jungfrauen nach Cöln begleitete und dort
den Märtyrertod erlitt und im Anschluss an den
volkstümlichen Heiligen Pantaleon Pantalus genannt
wurde1. Es läge also nahe, ihm Cöln als Hinter-
grund zu geben, und es ist nicht ausgeschlossen, dass
Baer fiktiverweise Rom statt Cöln gesetzt hat; doch
hat auch die Stadt Rom Beziehungen zu Pantalus,
weil er die Jungfrauen auf ihrer ersten Reise dort-
hin begleitet hatte5.

Die Bilder sind nicht gut erhalten, sie sind früher

2 Wie das Stadtbild subjektive Momente aufweist, so auch
das Modell des Basler Münsters, das Kaiser Heinrich auf der
Hand trägt, z. B. den Dachreiter und das große Westportal
Diese Abbildung des Münsters wurde als ein Beleg für das
ursprüngliche Aussehen der Figurengruppen des hl. Georg und
des hl. Martin an den Türmen betrachtet (C. H. B., Vom Sta-
tuenschmuck der Basler Münsterfassade: Der Cicerone, Jahr-
gang I, Heft 2, Leipzig 1909 S. 69). Nämlich bei Georg be-
findet sich neben dem Drachen noch die Prinzessin der
Legende und bei Martin der Bettler, die heute nicht mehr
vorhanden sind. Allein es ist sehr zweifelhaft, ob aus der
Abbildung auf den Zustand um das Jahr 1600 geschlossen
werden darf. Es kann sehr gut sein, dass die Figuren der
Prinzessin und des Bettlers willkürlich von Baer hinzugesetzt
worden sind. Dafür spricht die Stellung des Bettlers, die un-
möglich so gewesen sein kann. Er kniet links, vom Be-
schauer aus, neben dem Pferd des hl. Martin, während sich
Martin selbst nach der andern Seite umwendet, wo sich auch
gewöhnlich der Bettler befindet, und wo heute auch der Baum-
stumpf ist, der wohl aus dem Bettler geformt wurde. Von der
Prinzessin wird in dem Artikel des „Cicerone" angenommen, dass
sie später dem großen Zifferblatt der Uhr habe weichen müssen,
während dieses schon auf dem Bilde Baers deutlich über dem
Reiter zu sehen ist. Auch die vier Säulen unter jeder Gruppe
sind freie Zutat.

s Cosmographie. Basel 1561 S. 218—219.

1 E. A. Stückelberg, Denkmäler zur Basler Geschichte.
Basel 1907. Text zu der Tafel Pantalus.

5 Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Ed. Th. Graesse.

Dresden 1846 S. 702.
 
Annotationen