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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 9.1913

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Kreuzer, Emil: Zur Deutung der Standbilder am Freiburger Münsterturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.2637#0024

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Kreuzer, Zur Deutung einiger Standbilder am Freiburger Münsterturm

gebrochen sein, worauf ein Rabe (nach anderer Ver-
sion eine Taube) den hl. Chrysam von neuem mit
einem Schreiben des Inhaltes herbeigebracht habe,
der Chrysam sei vom hl. Petrus selbst geweiht. So
könnte allenfalls das Gefäß auch als Salbölgefäß ge-
deutet werden, freilich in anderem Zusammenhang,
als Bader es bei unserer Statue getan1.

Diese Statue zeigt aber auch das Kreuz, welches
nach der Volksdichtung St. Oswald mit seinen Rittern
am St. Georgstage angelegt haben soll. Die Agraffe
auf der Brust trägt ein Wappenschildchen mit dem
Kreuz, den St. Georgsschild, dieses Abzeichen christ-
lichen Rittertumes. Schreiber wollte dieses Zeichen
auf das Freiburger Stadtwappen deuten. Direkt hat es
damit nichts zu tun. Aber der St. Georgsschild ist eben
auch zum Wappen unserer Stadt geworden und es
ist kein Zufall, dass wir bei
der Stadt Freiburg St. Georg
als ältesten Patron2 und sein
Abzeichen, den weißen Schild
mit rotem Kreuz, als Stadt-
wappen finden. Auch das sind
Erinnerungen an die Kreuz-
fahrerzeit; die erste große
kriegerische Unternehmung von
Freiburgern war zweifellos die
Beteiligung an dem von St.
Bernard gepredigten, unter der
Anrufung des hl. Georg vor-
bereiteten Kreuzzug, und so
blieb das Zeichen des hl. Georg
das kriegerische Feld- und Wap-
penzeichen, unter dem auch fer-
nerhin die wehrhaften Mannen
der Stadt, namentlich ihre adeligen, zu Felde zogen.

Abbild. 11. Hl. Lucius. (?)

Glasgemälde im nördlichen Seitenschiff'.

iNaeh einer Aufnahme von Prof. F. Geiges.l

Größere Schwierigkeit macht die Deutung der
andern Königsfigur der zweiten Figurenreihe, welche
in jeder Hinsicht große Ähnlichkeit mit der des hl.
Oswald aufweist. Sie hält die Linke leicht gebogen
mit der innern Handfläche gegen die obere Partie
der Brust. Die Rechte fehlt; nach Schreiber hätte
sie ein Zepter getragen. Es will scheinen, dass die
Figur in der linken Hand ein Emblem gehalten habe,
das jetzt verschwunden ist.

Mangels aller Unterscheidungszeichen wird es
schwer sein, jemals zu einem gesicherten Resultat
zu gelangen. Die vier Heiligenstatuen, welche wir

1 Detzel a. a. O. S. 81.

3 Vgl. dagegen Zell im Diözesanarchiv 7, 126. Ich glaube,
dass St. Georg nicht sowohl Stadtpatron im eigentlichen vollen
Sinne des Wortes, als vielmehr Waffen-, d. h. Kriegspatron von
Freiburg war. Mit dieser Annahme sind alle Bedenken gelöst.

nach Vorstehendem als sicher gedeutet annehmen
können, der hl. Michael, die hl. Katharina, der hl.
Bernard, der hl. Oswald, stehen alle in bedeutsamem
Zusammenhang mit den Kreuzzügen. Sie sind Kreuz-
fahrerpatrone, Kämpfer mit den Waffen des Geistes
und teilweise auch des Krieges gegen Unglauben,
Gottlosigkeit und Heidentum. St. Michael ist der
mächtige Kriegsfürst im Kampfe gegen die Herrsch-
sucht Satans, des Reiches Schutzpatron, der selbst-
verständliche Patron auch im Kampfe gegen die
Unterdrücker des heiligen Landes. Die Verehrung
der hl. Katharina von Alexandrien beginnt bei uns
in den Zeiten der Kreuzzüge und im Zusammenhang
mit diesen. An ihrem Grabe auf dem Berge Sinai
wurde damals ein Orden der hl. Katharina gestiftet,
und vornehme Herren rechneten es sich zur Ehre
an, daselbst zu Katharinenrittern
geschlagen zu werden.

Über St. Bernard und St.
Oswald und deren Zusammen-
hang mit den Kreuzzügen haben
wir das Nähere besprochen.

So wird man denn nicht
fehlgehen, wenn man bei dem
jetzt zu deutenden Königsbild
eine gewisse Analogie der dar-
gestellten Persönlichkeit mit
der des hl. Oswald sucht.

Da möchte man zunächst an
Alfred den Großen von Eng-
land (871—901) denken, eine
der edelsten und berühmtesten
Königsgestalten des frühen Mit-
telalters. Dass Alfred als Hei-
liger galt, beweist die Inschrift seines Bildes auf dem
erwähnten St. Oswaldsreliquiar zu Hildesheim aus
dem 12. Jahrhundert: „SCS. Elfred", das ihn in ju-
gendlicher Schönheit darstellt. Auch Alfred war eine
Persönlichkeit, an welche liebliche Erzählungen von
gottgefälligem Wohltun sich anknüpfen, und er stand
tatsächlich mit dem Morgenland und dessen Christen
in Verbindung. Er trat in nahe Beziehungen mit dem
Patriarchen von Jerusalem und schickte eine Gesandt-
schaft zu den „Thomaschristen" in Indien3.

Nicht ausgeschlossen wäre, dass wir es mit einem
Bilde des hl. Königs Kanut von Dänemark und Eng-
land (f 1096) zu tun hätten, dessen Leben und Tod
die größte Ähnlichkeit mit den Schicksalen St. Os-
walds aufweisen. Auch da fehlt es nicht an Bezie-
hungen: Gertrud, die Tochter Heinrichs des Löwen
und Clementias von Zähringen, die Enkelin Herzog
Konrads, war die Gemahlin eines späteren Königs

' Weiß, Weltgeschichte 4, 203 ff.
 
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