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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 9.1913

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Kreuzer, Emil: Zur Deutung der Standbilder am Freiburger Münsterturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.2637#0038

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32

Kreuzer, Zur Deutung einiger Standbilder am Freiburger Münsterturm

der hl. Bernard von der Verzierungsweise seiner
Zeit gibt. Kam doch Bär1 angesichts der „äußerst
frühen Formen" des Reliefs der Krönung Davids
im südlichen Hahnenturm auf die Idee, dieses
steinerne Bildwerk sei ein Rest einer frühern
(nach ihm hölzernen!!) Kirche, „rein willkürlich",
„als eine Art Erinnerungszeichen", hier eingefügt.
Schäfer- hat dann mit Recht darauf hingewiesen,
dass dieses Bildwerk „nicht etwa später erst hier
eingesetzt, sondern aus dem laufenden Quader ge-
hauen" ist.

Die Galluspforte am Basler Münster, deren Bild-
werke mit diesem Freiburger Relief und der St. Ni-
kolausfigur an der Segentüre große Verwandtschaft
haben, ist ein Werk aus der Mitte des 12. Jahrhun-
derts.

Es ist ein eigentümlicher Widerspruch: man
nimmt außerordentlich lange Bauzeiten an, man nimmt
an, dass man sich erst spät zum Bauen entschlossen
habe — und doch soll man so rasch bei der Hand
gewesen sein, das lang Ersehnte, kaum Vollendete,
wieder teilweise zu zerstören, um - anders zu
bauen. Solche Annahmen sehen denn doch zu
sehr davon ab, dass man bei solchen Kirchenbauten
praktische Bedürfnisse des religiösen Lebens zu be-
friedigen trachtete, und dass nur triftige Gründe
dazu führen konnten, die Arbeit eines Menschen-
alters durch einen Neubau zu ersetzen, wobei man
wieder auf lange hinaus eines vollständigen Gottes-
hauses entbehrte.

Es scheinen daher schwerwiegende Gründe für
die Meinung zu sprechen, dass erst längere Zeit nach
Fertigstellung des romanischen Baues der gotische
Umbau begann. Dagegen sprechen wieder triftige
Gründe dafür, dass letzterer ein Werk etwa der
Jahre 1200 — 1270 ist.

1218 wurde Herzog Berthold V. nicht in der
Gruft seiner Vorfahren zu St. Peter, sondern im
Chore des Freiburger (romanischen) Münsters be-
graben. Das deutet in der Tat darauf hin, dass er
zu dem Münster in ganz besonderen Beziehungen
stand. Das Kloster St. Peter hat stets sein Jahres-
gedächtnis mit besonderer Feierlichkeit begangen,
was beweist, dass es sich nicht etwa geweigert haben
kann, ihn in die Ahnengruft aufzunehmen, wie man
bisweilen gemeint hat. Über Berthold V. ist viel zu
seinem Nachteil gefabelt worden; ernste Argumente
lassen sich daraus nicht entnehmen. Sein Begräbnis
im Freiburger Münster an einer Stelle, wo man be-
sondere Wohltäter einer Kirche zu bestatten pflegte3,
dürfte andeuten, dass er derjenige gewesen ist, auf

A. a. O. S. 7.
' „Die älteste Bauperiode" S. 19.
' Beissel, Die Heiligenverehrung S. 20.

welchen der Umschwung im Patronatsrecht zurück-
geführt werden muss: der Stifter des gotischen Mün-
sters, der den Umbau begonnen1.

Man brauchte in Freiburg nicht auf die Domini-
kaner zu warten, um den neuen Stil sich zu nutze
zu machen. Die Zisterzienser"1 sind anerkannter-
maßen die „Träger und Verbreiter" des in dem neuen
gotischen Stil bestehenden „baulichen Fortschrittes".
„Sie sind es, welche die neue Bauweise zuerst aus
dem Herzen" des cisjuranischen, französischen „Bur-
gund nach dem Auslande bringen". „Zwischen Frank-
reich und Deutschland fand ein sehr lebhafter Aus-
tausch von Kräften und Errungenschaften statt, der
sich in der Baukunst etwa seit der Mitte des 12. Jahr-
hunderts als ein allmählich zunehmendes Herüber-
fließen französischer Formen darstellt, welche die
Entwicklung der deutschen Baukunst anregten und
beschleunigten. Einen nicht unwesentlichen Anteil
an diesen Kunstmitteilungen hatten die geistlichen
Orden französischen Ursprunges, insbesondere die
Zisterzienser . . ."

Der hl. Bernard von Clairvaux stand in leb-
haften Beziehungen mit Abt Suger von St. Denis,
dem ersten Gotiker15.

Nehmen wir dazu die Beziehungen des Herzogs
selbst zu Frankreich, wo er zuerst sich mit einer
Gräfin von Boulogne verlobt, dann eine Gräfin von
Auxonne heiratet, die Beziehungen des cisjuranischen
zum transjuranischen Burgund — und es müsste
wundernehmen, wenn Berthold V. nicht in der Lage
gewesen wäre, an den gotischen Umbau heranzu-
treten.

Es ist jedenfalls wahrscheinlicher, dass er, der
angestammte Fürst, dieses tat, als dass die Freiburger
Grafen, kaum erst hier zur Herrschaft gelangt, sofort
an ein solches Riesenprojekt herangetreten wären,
das zuerst nur tastend und unsicher zur Verwirk-
lichung gelangte. Dass die gotischen Ostjoche zu-
nächst für sich rasch bis zur vollen Höhe empor-
geführt wurden, hatte wohl einen doppelten Grund:
der Kuppel das durch den Abbruch des Langhauses

1 Vgl. hierzu die abweichende Ansicht von P. Albert:
Münsterblätter 3, 34.

'"' Vgl. für das Folgende: Böhme, Geschichte der deutschen
Baukunst. Berlin 1887 S. 158 ff.; Kraus a. a. O. S. 123 ff. und
164 f.; Alb. Kuhn, Allgem. Kunstgesch. 1 482 ff.; Knackfuß-
Zimmermann, Allgem. Kunstgeschichte (Bielefeld und Leipzig
1900) 2, 2.

0 Vacandard-Sierp, Leben des hl. Bernard von Clairvaux,
insbes. II, 465 ff. — Ein Ornamentmotiv vom Tonplättchenfuß-
boden aus der Zeit um 1144 vor dem Altar der Marienkapelle
der Abteikirche zu St. Denis, abwechselnd Lilie und dreitürmige
Burg, kehrt an der Konsole der unten als Bild Bertholds V.
gedeuteten Figur am Münsterturm wieder. (Abbildung im
Handbuch der Architektur II. Teil 4. Bd. 3. Heft |Hasak|. Stutt-
gart 1903).
 
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