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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 9.1913

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Kreuzer, Emil: Zur Deutung der Standbilder am Freiburger Münsterturm
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Albert, Peter P.: Zur Kunstgeschichte des Münsters in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.2637#0040

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34

Albert, Zur Kunstgeschichte des Münsters in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts

Wir stehen am Schlüsse unserer Deutungsver- macht worden, unsere Deutungsversuche zu wider-
suche. Wo man in der Hauptsache nur auf die legen. Der Verfasser darf also wohl daraus schließen,
Sprache der Steine und auf Kombinationen angewiesen dass er wenigstens den richtigen Weg zur allmählichen
ist und direkter schriftlicher Überlieferungen und endgültigen Enträtselung dieser so lange mißverstan-
Zeugnisse entbehrt, bleibt manches ungewiss, hypo- denen Bildwerke aufgezeigt habe,
thetisch. Es ist aber seit der ersten Veröffentlichung
dieser vorstehenden Ausführungen1 kein Versuch ge- > Freiburger Diözesanarchiv. NF. 2 (1901) S. i ff.

Zur Kunstgeschichte des Münsters
in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts.

Von

Archivrat Prof. Dr. Peter P. Albert.

Der Einfluss der allgemeinen künstlerischen Richtung der
Zeit und die besondere Gunst der örtlichen Verhältnisse, be-
stehend in dem seiner Vollendung entgegengehenden Ausbau
des neuen Münsterchors, in der Erbauung des Kaufhauses,
der Sapienz, des Stürzeischen Anwesens (jetzigen Bezirksamts-
gebäudes an der Kaiserstraße), des für Kaiser Maximilian als
Wohnsitz bestimmten Hauses „zum Walfisch" (in der Franzis-
kanerstraße) u. a. mehr, haben seit Beginn des 16. Jahrhunderts
Kunst und Kunstgewerbe, vornehmlich Tafel- und Glasmalerei,
Bildhauer- und Goldschmiedekunst in Freiburg zu einer über-
raschend hohen Blüte gebracht und den führenden Namen auf
den genannten Gebieten zu dauerndem Ruhme verholfen. Aus
der Fülle des Stoffes, der allein für das Münster schon den
Umfang einer ganzen Kunstgeschichte einnimmt, sei hier als
Lückenbüßer, soweit es der vorhandene Raum fordert und ge-
stattet, einiges mitgeteilt, um gelegentlich erweitert und ergänzt
zu werden.

Unter den Malern für das Münster in jener Zeit glänzt
als Stern erster Größe Hans Baldung-Grien, der von 1512 an
ein ganzes Jahrfünft lang nachweisbar seinen ständigen Wohn-
sitz hier hatte und u. a. den heute noch allgemein bewunderten
Hochaltar geschaffen hat. Neben ihm erscheinen in den
gleichzeitigen Quellen als nicht unbedeutende Künstler am
neuen Chor des Münsters beschäftigt und mehr oder weniger
lange hier ansässig u. a. die Maler Hans Ulrich Bühler, Heinrich
Frühsorg, Ulrich Gürtler, Hans Keck, Bastian Longinger, Fried-
rich attinger, Wolf Rot(t), Jakob Stoll, Konrad Schmitt, Jakob
Wecht(e)lin; die G \ as m aler 7homsi(nn) Burekart, Hans Gitschmann
Vater und Sohn, Matern Guldin, Anstat (d. i. Anastasius) Hart-
mann (von Ettenheim), Hans Heinrich Wolleb (von Basel); die
Bildhauer Hans Banner, Jakob Henkel (Hencklin), Theodosius
Kaufmann, Jakob Übelgeret, Bonaventura Undermrein, Hans
Wyditz; die Goldschmiede Paul Hargans, Paul Huw, Stoffel
Jud, Albrecht Landower (oder von Landow), Hans Neyger Vater
und Sohn, Stephan Rapolt usw.

Unter den Glasmalern aus der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts verdient hier, worauf ich schon früher hingewiesen
habe, ganz besondere Beachtung „meister Hans (der) glaser",
der schon 1509 vom hiesigen Rat als „für ander berümpt und
vast geschickt" bezeichnet wird und von 1511 an als „meister
Hans von Ropstein" (oder Raperstein) die meisten, wenn nicht
alle der in die Zeit von 1505 bis 1528 fallenden, seit 1510 (1511)
verfertigten (36) Fenster im Hochchor des Münsters,
daneben aber noch sehr vieles und sehr gutes, ausgeführt hat,
was nicht bekannt oder nicht mehr vorhanden ist. Er ist unter
den Freiburger Glasmalern seiner Zeit das, was Baidung unter
den Malern und Hans Wyditz unter den Bildhauern ist. „Hans
von Ropstein" oder „von Raperstein" nannte er sich im Anfang
seiner hiesigen Tätigkeit nach dem (welschen) Weiler Klein-
Rappoltstein (Ribaugoutte) nördlich von Schnierlach im Elsaß,

nicht etwa nach der Burg (Hoh-)Rappoltstein oder nach der Stadt
Rappoltsweiler (volkstümlich Rapschwihr). Sein Geschlechts-
name war Gitschmann, der von der Feder der Zeitgenossen aufs
wunderlichste verballhornt worden ist (Gitzman, Güttschman,
Geutschman, Gutschi, Gutschimaney, Gutschmy, Kutschiny,
Kischwin usw.). Im Jahre 1509 hierher übergesiedelt, erwarb er
1520 das Bürgerrecht, für das er mehr als 20 Jahre lang Steuer-
und Wachtfreiheit genoss. Er war dreimal verheiratet, zuerst mit
Gertrud Grafflerin von Rappoltsweiler, das zweite Mal (seit 1512)
mit Clara Guldinthörin und zuletzt mit Magdalene Fronmüllerin,
hatte zahlreiche Nachkommen und starb hochbetagt gegen Ende
des Jahres 1564. HansGitschmann der alte war nichtunvermögend
und besaß nacheinander die Häuser „zum Falken" und „zum
blauen Schlüssel" in der Kaiserstraße (Nr. 65 und Nr. 66) und
„zum Kesselberg" in der Schusterstraße (Nr. 42) sowie Reben und
eine Scheuer in der Wasserstraße (Nr. 10); seine dritte Frau
zuerst den „Krebs" und dann das „Rind" in der Kaiserstraße
(jenes Nr. 26,28, dieses Nr. 34). Sie ist 1574 aus dem Leben
geschieden.

Aus seiner ersten Ehe hatte er einen Sohn Heinrich, der
Goldschmied war, 1530 heiratete und zünftig ward, aber schon
nach etlichen Jahren, noch vor 1539, starb.

Sein zweiter Sohn Hans, zur Unterscheidung vom Vater
seit 1530 „der jung" genannt, trieb des Vaters Handwerk, wollte
sich 1530 zu Worms niederlassen, trat aber dennoch hier in
die Malerzunft „zum Riesen" ein, ist indes schon 1540 mit Hinter-
lassung von sechs Kindern gestorben. Er besaß das Haus
„zur schwarzen Kanne" am Münsterplatz (Nr. 14), das er ein
Jahr vor seinem Tod, am 18. Januar 1539, und das Haus „zum
Löwenfels" am Martinstor (Kaiserstraße Nr. 122), das sein Vater
als Vormund seiner Kinder am 2. April 1541 wieder verkaufte.

Von den vier Söhnen Gitschmanns des alten von der dritten
Frau war der zweite, Andreas, gleichfalls Glasmaler wie sein
Vater und scheint gleich seinen Stiefbrüdern Heinrich und Hans,
kein hohes Alter erreicht zu haben. Als Mitglied der Malerzunft
„zum Riesen" wird er erstmals 1575, zum letzten Male 1582
genannt. Am 21. Februar 1581 hatte er sein Haus „zum Rauten-
stock" in der Niemensstraße (Nr. 10/12) um 400 Gulden ver-
kauft und noch am gleichen Tag das Haus „zum Schaf" in
der Bertoldstraße (Nr. 6) um 650 Gulden erworben, das dann
am 1. Oktober 1585 von dem Vormund seines Sohnes Hans mit
einem Nutzen von 87 Gulden wieder veräußert wurde. Andreas
Gitschmann war mit Elisabet Rappolt verheiratet und hatte von
ihr den genannten Sohn Hans. Sein älterer Bruder, Hans,
trieb das Goldschmiedehandwerk anfänglich zu Freiburg, dann
(1574/75) vorübergehend zu Staufen und später (1588) zu Breisach.

Zur näheren Erläuterung und Begründung des Vorstehenden
werden die nächsten Münsterblätter eine Zusammenstellung der
einzelnen Quellennachrichten bringen.
 
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