Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 9.1913

DOI article:
Asmus, Rudolf: Der "Fürst der Welt" in der Vorhalle des Freiburger Münsters
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2637#0049

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Asmus, Der „Fürst der Welt" in der Vorhalle des Freiburger Münster

43

Welt gemein: Auch er besitzt eine mit seiner schönen Laster kommen auf diese Weise u. a. Striemen und

Vorderseite kontrastierende hässliche Rückseite, und schmutzige Farben an ihnen zutage. Unter diesen

unter den Entstellungen der letzteren ist eine gleich- Seelen tritt besonders diejenige Neros deutlich in

falls animalischen Ursprungs, die Krätze (tjjmpa). Dass den Vordergrund. Hier haben wir es also wieder

sie wie die andern ein Krankheitssymptom ist, hat mit einem Totengericht und einem davor erscheinen-

bei Konrad von Würzburg in den Versen

ir lîp was voller blateren
und ungefüeger eizen (218)

und

«si was so gar unreine (224)»
eine passende Analogie.

Ich bin leider nicht imstande, die
zeitliche Lücke, die zwischen der lite-
rarischen Zeichnung des Tiberius und
der plastischen Darstellung des Für-
sten der Welt klafft, mit sachdien-
lichen Zwischengliedern auszufüllen.
Immerhin scheint eine zwiefache
Übereinstimmung eine Brücke zwi-
schen ihnen zu schlagen: Der Fürst
der Welt gehört einer großartigen
Konzeption an, die durch die Pa-
rabel der klugen und der törichten
Jungfrauen auf das jüngste Gericht
hinweist, das auch tatsächlich im Gie-
belfeld des Mittelportals abgebildet
ist. Dem entspricht es, dass Tiberius
eine Figur in einem literarischen
Totengericht ist, zu dem die römi-
schen Cäsaren vor den Göttern er-
scheinen. Zudem sind die beiden
Persönlichkeiten Fürsten und zwar
schlechte Fürsten. Dass außer ihnen
auch Christus und die personifizierte
Lust in die beiderseitigen Kompo-
sitionen einbezogen sind, soll nur
beiläufig erwähnt werden. Dagegen
lohnt es sich, auf die älteren An-
schauungen näher einzugehen, in
welchen die erwähnten Überein-
stimmungen ihre Grundlage haben.
Den Weg zu ihnen zeigt uns der Apostat.

Er hat nämlich an der Tiberiusstelle offensicht

Der Fürst der Welt in der Turm-
vorhaüe des Münsters.

den schlechten Fürsten zu tun. Das Interessanteste
dabei ist aber die durch die Eröffnung des Leibes
bewerkstelligte Entblößung der Seelen und ihrer
Lastermale. Demnach würde die
Rückseite des "Fürsten der Welt
nichts anderes darstellen als seine
nackte, durch die Spuren des La-
sters gezeichnete Seele.

Julians Gastmahl - ist aber sei-
nem Gegenstand wie seiner litera-
rischen Form nach auch mit den
menippeischen Totengerichtssatiren
verwandt. Als deren Vertreter kann
uns zu unsern Deutungszwecken Lu-
kians Fahrt in die Unterwelt oder
der Tyrann > dienen '. Hier wird
(§ 24) der Satz aufgestellt, die Übel-
täter seien an den Brandmarkungen
zu erkennen, die ihre nackten Seelen
in der Unterwelt aufwiesen; für die
Richtigkeit dieser Behauptung muss
ein Tyrann herhalten. Demzufolge
trüge der Fürst der Welt seine
nackte Tyrannenseele zur Schau.

Wo diese herstammt, verrät, von
allem andern abgesehen, schon der
Name des Plutarchischen Erzählers.
Dieser Aridaios ist nämlich ein Dop-
pelgänger des Ardiaios, den Piaton
in dem eschatologischen Mythus am
Ende des Staates B als Beispiel eines
in den Tartaros verwiesenen Tyrannen
anführt, dem zudem von seinen Pei-
nigern auch noch die Haut abgezogen
wird6. Der Platonischen Darstellung
zufolge, die in manchen Einzelheiten
auch für Julians Gastmahl maßgebend war, tragen7
die Ungerechten auf ihrer Rückseite Abzeichen alles

lieh Plutarchs Dialog über die späte Bestrafung dessen, was sie verübt haben. Hiermit ist auch ge-

der Gottlosen benützt1. Hier erzählt ein gewisser zeigt, warum der Fürst der Welt» gerade am Rücken

Aridaios- einen eschatologischen Mythus und schil- entstellt ist. Dass wir die Vorlage für ihn in letzter

dert darin das Schicksal, welches der im Leben noch Linie bei Piaton zu suchen haben, wird auch noch in

nicht Gezüchtigten und Gereinigten nach ihrem Tode einigen andern Stellen wahrscheinlich gemacht: Die
am jenseitigen Straforte harrt. Dort öffnet ihnen

Dike den Leib, damit ihre Seelen in ihrer Schlechtig- „ Nach p> 567 wälzen sich einige Seelen im Kote und

keit ganz nackt Sichtbarwerden3. Als Zeichen ihrer kehren das Innere nach außen.

1 S. Spanheim a. a. O.

1 S. Les Césars de l'Empereur Julien. Traduits parSpan- ' P. 615C.

heim. Amsterdam 1728 p. 41. Preuves p. 26,27. " P. 616 A.

-• P. 565. ; P. 614 C.
 
Annotationen