Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 11.1915

DOI Artikel:
Vöge, Wilhelm: Zum Nordportal des Freiburger Münsterchors
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2547#0014

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vöge, Zum Nordportal des Freiburger Münsterchors

Rechnung, zumal auch Einwirkungen von Freiburg panon der Nordseite hat, während oben in der Portal

(und seinen Chorportalen) auf Schwaben wahrschein
lieh sind1. So weiß man dann nicht recht, wie man
es deuten soll, wenn zwischen den Freiburger Chor-
portalen und den Portalen des Münsters in Ulm
sich Ähnlichkeiten in der Erfindung zeigen, die auf
Beziehungen weisen.

Es ist mir folgendes aufgefallen:

1. Die Szene von Adams und Evas Verlöbnis,
wo Gott Vater, zwischen ihnen stehend, ihre Hände
ineinanderlegt, findet sich ähnlich an der Freiburger
Archivolte und auf dem Tympanon des Ulmer Haupt-
portals (Abb. 14 und
17); ebendort auch
dieSzene:GottVater,
Adam „emporrich-
tend", die auch Frei-
burg hat (Abb. 14
und 16). Beide Sze-
nen scheinen am
Straßburger Mün-
sterportal nicht dar-
gestellt gewesen zu
sein2; die zweite war
jedoch im Elsass
längstbekannt, schon
bei der Herrad findet
sie sich; die mit
Beischrift versehene
Darstellung der Her-
rad gibt auchdie rich-
tige Deutung: et in-

fi '

ii•>- • ;.-?-.

Abbild. 16. Gott Vater bei der
Erschaffung Adams

ünette, wo die Kreuzigung gegeben ist, den Frauen
links die Gruppe der würfelnden Knechte rechts
gegenübersteht. Zu vergleichen auch die Musik-
instrumente der Engel auf der Marienkrönung (Frei-
burg, südliches Tympanon des Chores): Handorgel
links, Harfe rechts; in Ulm ebenso.

4. ist noch zu sagen, dass am Ulmer Haupt-
portal (das jene Genesisbilder zeigt) in großem
Maßstab jene Idee wiederaufgenommen wurde, das
Bogenfeld durch hängendes Maßwerk in zweifacher
Schichtung abzustützen. Und wie es, in kleinem, auch

das nördliche Chor-
portal in Freiburg
(Abb. 4) hat, ist zwi-
schen Tür und Bo-
genfeld ein Fenster
eingeschaltet!

Alles in allem,
mit Ulm scheint ein
Zusammenhang zu
bestehen. Die Ul-
mer Portale sind spä-
teren Datums als
selbst die jüngsten
Teile des Freiburger
Nordportals, so dass
man „Freiburg" von
„Ulm" nicht her-
leiten könnte. Die
Ulmer Plastik ihrer-
seits ist in derHaupt-

_______1^1

Abbild, V.

. Adams und Evas
Verlöbnis

vom Bogenfeld am Hauptportal des Ulmer Münsters

spiravit in faciem ejus spiraculum vite et factus est sache zwar von der der Gmünder Schule abzuleiten
homo in animam viventem; das Einblasen des Lebens- doch es scheinen auch von Freiburg ein paar Fäden
odems ist gemeint. hinübergegangen zu sein '. Selbst der Stil, das auf-

2. Auch am Ulmer Hauptportal (wie in Freiburg) fallend Zugespitzte einiger Kopftypen — am Ulmer
ist in der Scheitelzone des Bogenfeldes der Teufel- Hauptportal — scheint darauf hinzudeuten. Und ist
stürz geordnet, worauf schon Hartmann wies.

3. Auffallend ist ferner, dass am Passionstym-
panon des Ulmer Südwestportals dieselben Szenen
den Türsturz füllen, die das Freiburger Innentym-

1 Vgl. Secker, Die frühsten Bauformen S. 54.

- Statt der Verlöbnisszene war am Straßburger Haupt-
portal die Einführung Adams und Evas ins Paradies, die auch
auf dem Glasfenster in der nördlichen Turmvorhalle gegeben
ist, geschildert; Brück, Elsässische Glasmalerei Taf. 45. — Beide
Szenen, Verlöbnis und Aufrichtung Adams, finden sich im El-
sass, später am Hauptportal der Kirche zu Thann (wenn ich
nicht irre); vgl. Hausmann, Die Kunstdenkmäler in Elsass
Lothringen, Elsass, Taf. 92; hier wahrscheinlich unter Freiburger
Einfluss, der auch sonst in Tann zu spüren ist.

nicht der Ulmer Münsterturm „in der allgemeinen
Idee vom Freiburger ausgegangen"?5

3 Nach Hartmann a. a O. S. 81 ff.

1 In dem Genesiszyklus der Gmünder Hl. Kreuzkirche
kommen jene Szenen der Einblasung des Lebensodems und
der Verlobung nicht vor.

'' G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler 3
(1908), S. 512. Erwähnt sei noch, dass Hartmann von einem
Einfluss Freiburgs auf Schwaben und seine Plastik nichts wissen
will. In dem Abschnitt über die Herkunft der Gmünder Schule
sagt er S. 99: „Freiburg dürfte schon aus chronologischen Grün-
den . . . ganz abgesehen von der Qualität der dortigen Arbeiten
(als Anreger) kaum in Frage kommen; nicht einmal als Etappe,
geschweige denn als Ausgangspunkt."

Freiburger Mün^ierbljtler XI.
 
Annotationen