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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 11.1915

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Riegel, Joseph: Die Locherer-Kapelle im Freiburger Münster und der Meister ihres Altars
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https://doi.org/10.11588/diglit.2547#0020

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Riegel, Die Locherer-Kapelle im Freiburger Münster und der Meister ihres Altars

15

Man kann nicht sagen, dass bei der Locherer- wendet seinen Blick der leidumfangenen Mensch-
Madonna das Reinmenschliche überwiege. Im Gegen- heit zu. Von den betenden Gestalten sind vor allem
teil; die in ihr verkörperte Gottesmutter-Nächsten- der Papst, die Ordensschwester, der König, Kurfürst
und Menschenliebe gibt ihrem Wesen gerade den Zug und Bauer höchst charakteristisch behandelt,
des Überirdischen. Alles ist Leben und Bewegung Gleiche Meisterschaft in künstlerischer Auf-
an ihr. Ihr Sein und Wesen, Jungfrau und Mutter fassung und technischer Behandlung haben die beiden
zugleich. Mit einem Blick umfasst sie ihr göttlich Seitenfiguren des Schreins gefunden. Sie stehen rechts
Kind und mit ihm die ganze Menschheit. Der Künstler und links unter Baldachinen. Zur Linken der Hei-
hat es meisterlich verstanden, in ihrem Antlitz Hoheit, lige Bernhard von Clairvaux, zu dessen Füßen
Milde und Güte spiegeln zu lassen. Die Gestalt das Wappen des von ihm gestifteten Zisterzienser-
gleicht mehr einer Jungfrau denn einer Mutter. In ordens liegt; zur Rechten der heilige Einsiedler
langen Locken fließt das in der Mitte gescheitelte Haar. Antonius; zu seinen Füßen das Schwein als Sinn-

Si. Johannes Evang. St. Martin

Abbild. 4. Aufsatzfiguren

Das Gewand ist trotz der vielen kunstvollen Falten
von geradezu rührender Anspruchslosigkeit; der Um-
hangmantel, zugleich als Wolkenbildung gedacht, eine
einzige wallende Bewegung. Putzige Englein, deren
schalkhaftige Gesichter noch heute die kleinen
Rangen auf dem Münsterplatze tragen, tummeln sich
darauf mit einer merkwürdigen Selbstverständlichkeit.
Für sie scheint es nichts Seligeres zu geben, als ein-
mal recht lustig zu sein und als Boten der Himmels-
königin auf die Erde niederzusteigen.

Das Christkind, ein liebliches Knäblein mit
langen Locken, kurzen, dicken Beinchen und Armen,

St. Sebastian.

des Schutzmantelaltars.

bild der Unreinigkeit: beides höchst lebenswahre Ge-
stalten; jede in ihrer Eigenart aufgefasst und behandelt.
Über dem Schrein setzt sich — nicht eigentlich
mit ihm organisch verbunden — das überaus zier-
liche und schlanke Schnitzwerk sehr weit in die Höhe
fort. In drei Baldachinen stehen links Johannes
der Evangelist, in der Mitte Sankt Martin
(neben der Muttergottes der Hauptpatron des Altars
wie der ganzen Kapelle), und rechts der heilige
Sebastian. Ganz oben in der Höhe thront Christus1

1 Siehe Abbild. 10.
 
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