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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 12.1916

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot und Feuersgefahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.2548#0025

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Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot und Feuersgefahr

1713 Oktober 9. . . . zusammengeschossen
wurden die Glockentürme des Prediger- und Fran-
ziskaner-Klosters; auch das Münster blieb nicht ver-
schont1.

1713 Oktober 11. Eine Stückkugel von dem
Anstoß (des) Münsters fuhr oben in die Fenster des
Herrn Hermann Apothekers, beschädigte allen Vorrat
an Medicamenten. Eine Stückkugel zertrümmerte ein
Schwibbogen bei der großen Orgel am Münster und
täte merklichen Schaden2. — Am Münster wurden aber-
malen zwei schöne Wasserspeier heruntergeschossen '-.

1713 Oktober 13. Das herrliche Münstergebäu
litt sehr große Not, absonderlich in der kostbaren Stein-
hauerarbeit2.

1713 Oktober 14. Die Lunette, so die ganze
Zeit ausgehalten, ist endlich auch gesturmet und era-
portiert worden, allwo fast alles geblieben oder gefangen
worden . . . Der Ingenieur-Lieutenant Burckardt hatte
zwar, aber sehr spat und da schon die Dunkele kommen,
von dem Münster-Turn advertirt, dass eine unsägliche
Menge Cavallerie aus ihrem Lager herauf von Hassloch
und Betzenhausen anrücke; es hat aber solcher wegen
des neblichten Tags glaublich die Infanterie für Caval-
lerie angesehen1.

1713 Oktober 22. Heute kam 1 Bombe in das
Münster und schlug beim Hohen Altar das Gewölb
durch . . .2

1713 November 1. Die Bevölkerung flüchtet
sich in die Kirchen. Selbst im gewaltigen Münster
war kaum noch ein Raum am Hochaltare für den
Priester und die Leviten übrig. Niemand dachte
mehr auf das allgemeine Beste, jeder war nur auf
eigene Sicherstellung und Rettung bedacht2.

1714 haben Bürgermeister, Rat und Pfleger der
Stadt an den Kaiser über den Stand der Pfarrkirche
in einem Promemoria Vortrag erstattet. Sie schil-
dern darin zunächst das zierliche Gebäude mit dem
majestätischen Turme, dessen Bau 28 Jahre erfordert
habe. Dem Bauwerk würden wegen seiner seltenen
Konstruktion, seiner Herrlichkeit und Zierlichkeit
und seiner Größe wenig andere in Europa gleich-
zusetzen sein. Sodann wird der Klage Ausdruck
verliehen, dass der Gottesdienst im Münster, seit-
dem die Basler Domherren, die sich nicht unter
französische Botmäßigkeit stellen wollten, nach Aries-
heim zogen, „solchergestalten verringert worden, daß
außer deren Predigen, welche von andern Religiösen
aus andern allhiesigen Gotteshäusern darinen gehalten
werden, so vil als 1er stehet und dem höchsten Gott
in loco principali die wenigste Frequenz und Ehre be-
schuhet".

Die Bemühungen, das Kollegiatstift St. Marga-
reten zu Waldkirch hierher zu bringen, um wieder
einen dem Münster entsprechenden Gottesdienst zu
bekommen, seien schon früher ohne Erfolg geblieben.

Tagebuch des Kommandanten von Harrsch.
Stadtarchiv.

Das Gebäude selbst, das nur für wenige Priester-
schaft dotiert, sei bei der letzten Belagerung der-
maßen beschossen und beschädigt worden, dass die
Reparaturen einen Aufwand von über 10000 fr erfor-
derten. Überdies habe man dem Feinde an Glocken-
lösungsgeldern bei beiden Einnahmen, bei der ersten
1677 18000 fr, bei der letzten noch aus Gnade,
24000 fr, also die Summe von beiläufig 21000 Gulden
Reichswährung, ausfolgen müssen. Infolgedessen sei
die Fabrik der Kirche so geschwächt, dass sie sich
kümmerlich mehr zu helfen weiß. Von den sehr
bedeutenden Ausständen der dem Erzhaus einver-
leibten Badischen, Lothringischen, Fürstenbergischen
und andern hohen Häusern sei bei den langan-
dauernden geldknappen Zeiten sehr wenig und von
den durch die Kriege verarmten Stadt- und Land-
leuten garnichts einzubringen. Dabei erfordere doch
der Bau, um ihn nicht völlig dem Verfall preiszu-
geben, jährlich wenigstens 500 fl, und die nötigen
Besoldungen beanspruchen die gleichen Ausgaben.
So stehe Bau und Fabrik ganz verarmt da, was nicht
nur die Einwohner der Stadt, sondern die des ganzen
Breisgaus beklagen. Da diese selbst völlig erschöpft,
könne von ihnen keine Hilfe erwartet werden. Bür-
germeister, Rat und Pfleger richten nach diesen Aus-
führungen über den gegenwärtigen Stand der Pfarr-
kirche an die Majestät die inständige Bitte um Hilfe
und Steuer, damit sowohl das Gebäude erhalten, als
auch die erforderliche Priesterschaft wieder vermehrt
und ein entsprechender Chorgottesdienst zu Ehren
Gottes und seiner liebwertesten Mutter zum un-
sterblichen Ruhm des Erzhauses eingerichtet werden
könne3.

1715. Die Münsterfabrikkasse ist wegen der
Glockenauslösung und „großen Ruin des herrlichen
Gebäus occasione letzthiniger Belagerung fast mittellos".3

Auch diesmal (1715) wallfahrtete die Bürger-
schaft, von den Stadträten Heinrich Hornus und
Philipp Jakob Spindler ' begleitet, zur Gnadenstätte
nach Einsiedeln. Den Dank der Bürgerschaft für
die Rückkehr an das rechtmäßige Herrscherhaus
sprach Professor Dr. Egermayer, Chorherr von Wald-
kirch bei Freiburg, in seiner dort gehaltenen Predigt
aus. Ein bleibendes Dankeszeichen hinterließ die
Bürgerschaft in Einsiedeln, indem sie dem Stifte
einen vergoldeten Kelch schenkte. Auf dem Fuße
desselben sind in Email-Medaillons die Wappen
Österreichs und des Reiches sowie das der Stadt
Freiburg mit der Jahreszahl 1715 angebracht; die
Kuppe ist mit den getriebenen Bildern der Frei-

3 Stadtarchiv.

1 Später Bürgermeister, Stifter der Michaelskapelle auf dem
alten Friedhof, gestorben am 9. November 1730; vgl. Münster-
blätter 8 (1912) S. 22.
 
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