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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 12.1916

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Sauer, Joseph: Eine alte Sicherung des Freiburger Münsterturms gegen Wettergefahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.2548#0039

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32

Sauer, Eine alte Sicherung des Freiburger Münsterturms gegen Wettergefahr





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einfügen, beleuchten. Sie stellten einen dauernden
monumentalen Wettersegen dar. V ie der kirch-
liche in seinen einzelnen Teilen nach den vier
Himmelsrichtungen sich wendet, wie die Verlesung
der Anfänge der vier Evangelien1, die Beschwörung
der Weiterwolken und die Vorzeigung des Kreuzes
nach Osten, Westen, Norden und Süden vorgenom-
men wird2, so sind auch am Münsterturm die Ver-
tiefungen auf der Süd-, West- und Nordostseite an-
gebracht. Die Ostseite ist unberücksichtigt geblieben.
Der Umstand, daß von Osten her bei dem Schutz
des Schloßberges Unwetter nicht zu befürchten
waren, mag diese zunächst auf-
fallende Tatsache erklären. Ob
dabei aber auch noch symbo-
lische Erwägungen mitgespielt
haben, wie die, daß der Osten
unschädlich ist, weil von dort
Christus, die „Sonne" kommt,
dorthin das Kirchenhaupt und der
Christ und Priester beim Gebete
sich wendet, vermag ich für die
schon verhältnismäßig späte Zeit
nicht mit Bestimmtheit zu sagen.
Stellt sich nach alter Auffas-
sung die Bedrohung eines Kir-
chenbaues durch Wettergefahr
und ihre Abwendung durch wirk-
same religiöse Schutzmittel als
ein Kampf des Herrn und seines
siegreichen Kreuzes gegen die
Mächte der Finsternis dar, so
war übrigens diese Vorstellung
schon früh am Äußeren mittel-
alterlicher Bauten, insbesondere
an den hochragenden, der Ge-
fahr zunächst ausgesetzten Kirch-
türmen künstlerisch zum Ausdruck gebracht. Unter
dem „Fürsten der Luft", von dem der Apostel spricht
(Eph. II, 2), verstand man den bösen Feind, der
mit seinem Volke unablässig gleich unheimlichen
Nachtvögeln gegen das Haus Gottes andrängt. Aber
über ihm wacht der Herr und wachen seine mäch-
tigen Engel und Heiligen3. In für jedermann ver-
ständliche Sprache, die wie eine unablässige Mahn-
predigt zur Wachsamkeit wirken soll, kleidete man
diesen Gedanken, indem man in romanischer und
frühgotischer Zeit an der Außenseite des Kirchen-
gebäudes, namentlich am Dachgesims, an den Strebe-
pfeilern, an den Turmabsätzen Verkörperungen des

R.

y

f

%i.;

Abbild. 5. Gedruckter Wettersegen.

1 Franz a. a. O. 2 97

2 Ebd. 2, 87, 93.

3 Vgl. meine „Symbolik des Kirchengebäudes" (Freiburg
1902 j S 118 ff. und außerdem Cahier, Mélanges d'archéol. I, 75.

Bösen und seiner Werke anbrachte, jene Dämonen-
gestalten, die, in späterer Zeit ihrer einstigen sym-
bolischen Bedeutung entkleidet, nur mehr als Schöp-
fungen ausgelassener Künstlerphantasie entstehen, als
reine Wasserspeier u. a. Gebannt und niederge-
halten aber sehen wir diese Nachtgestalten in älterer
Zeit regelmäßig durch darüber angebrachte Heiligen-
gestalten, durch die Figur eines hl. Michael, der
so oft einen Wimpergfirst oder Turm oder Fiale
krönen muß, oder wenigstens das Kreuz. Auch an
unserem Münster lassen sich solche Symbolwesen
nachweisen; in der Höhe des Münsterturmes recken
sich rings um die Pyramide fünf
seltsame Wesen nach auswärts, in
deren Haltung und Darstellung
sich unschwer die vielgestaltigen
Charaktermerkmale des Bösen er-
kennen lassen Es bietet sich viel-
leicht ein andermal Gelegenheit,
den näheren Nachweis für diese
Bedeutung zu führen.

Zur Beantwortung der Frage,
wann die Gegenstände in der
Höhe des Münsterturmes gebor-
gen worden sind, stehen nur stil-
kritische und indirekte Anhalts-
punkte zu Gebot. Es darf als
völlig ausgeschlossen gelten, daß
es, was man zunächst vermuten
könnte, während des Baues ge-
schehen ist. Der Stilcharakter
der Medaillen, die Tatsache, daß
gedruckte Texte sich unter den
Einlagen befinden, aber auch der
Umstand, daß die Kreuze auf
den Verschlußsteinen nicht scharf
genug für die eigentliche Zeit
der Gotik eingemeißelt sind, sprechen ohne wei-
teres gegen eine derartige Vermutung. Wenn die
Nischen aber erst nach Fertigstellung des Turm-
baues, also nach Entfernung des Gerüstes, eingegraben
und gefüllt worden sind, so hat, muß man annehmen,
wohl eine bestimmte Veranlassung dazu genötigt:
man hat den Wetterschutz angebracht, nachdem man
unliebsam dazu gemahnt worden ist durch erfolgten
Wetterschaden. Wie auch heute noch nach statt-
gehabtem Blitzschlag die Blitzableiter nachgesehen
und ausgebessert werden, so wird wohl in früherer
Zeit ein Wetterstrahl, der in den Turm schlug und
Schaden daran anrichtete oder eine Pestkrankheit,
die die Einwohner ringsum bedrohte, den dringenden
Wunsch nahegelegt haben, an Gegenmaßnahmen zu
denken. Nun sind uns eine größere Anzahl Daten
überliefert, an denen das Münster von Blitzschlägen
 
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