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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 14.1918

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: III. Durch Feuersgefahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.2400#0018

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10 Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

nen Teile des Steinwerks kamen durch den Erd-
stoß nicht aus dem Gleichgewicht. So ließ uns
jenes Naturereignis neuerlich bewusst werden, in
welch hohem Maße der Turmhaumeister es ver-
standen hatte, seine Aufgabe, bei weisester Beschrän-
kung des Materialverbrauchs, nicht bloß in künst-
lerischer Hinsicht, sondern auch in praktisch-kon-
struktiver und technischer Beziehung zu bemeistern.
Es mag in diesem Zusammenhang daran erinnert
sein, dass Konstanz damals von allen Städten Deutsch-
lands am schwersten mitgenommen wurde. Die Erd-
stöße und ihre Schwankungen waren dort, wie man
weiß, so stark, dass sie die den Münsterturm be-
krönende große Kreuzblume von ihrem Standort
herabgeschleudert und dem Münster noch andere
sehr beträchtliche Zerstörungen zugefügt haben.

Dass auch Hagelwetter zu den Elementen
gehört, die dem Münster verhängnisvoll werden
können, wissen wir aus der mehrfach angezogenen
Äußerung Geissingers1 über den Verlustgang der
Glasgemälde.

Zu den elementaren Gewalten, die der Men-
schenhand Gebilde am stärksten zu hassen scheinen,
gehört Feuer und Blitz, zumal wenn die Glut
durch den starken Wind angefacht und rasch ver-
breitet wird. Man darf wohl sagen, dass die meisten
großen deutschen kirchlichen Baudenkmale, die uns
eine frühe Zeit hinterlassen hat, von dem gefräßigen
Element, teilweise sogar mehrfach heimgesucht
wurden. Es sei nur auf die benachbarten Münster
in Basel und Straßburg hingewiesen. Die Ge-
schichte des letzteren meldet eine ganze Reihe
von Brandkatastrophen, die ihm unermesslichen
Schaden angetan haben. Gottlob ist unser Münster
von verheerenden Bränden bewahrt geblieben. In
den Aufzeichnungen der Chronisten geschieht eines
solchen Vorkommnisses keine Erwähnung; uns ist
nur bekannt, dass in der Nacht vom 11. auf 12. Juli
1865 in der Sakristei durch zufällige Ursache ein
Brand ausgebrochen ist, der einen Schaden von etwa
300 fl verursacht hat. Allerdings waren Blitzschläge
ins Münster, auf die wir gleich noch zu sprechen
kommen werden, nicht selten. Von einigen wissen
wir, dass sie am Steinvverk des Münsters schwere
Beschädigungen angerichtet, jedoch keine Entzündung
der brennbaren Bauteile, wie am Holzwerk des
Glockenstuhls und der Dachstühle, zur Folge gehabt
haben. Das ist aus der Tatsache zu entnehmen,
dass der Glockenstuhl noch das Werk des 13. Jahr-
hunderts ist, und dass der Dachstuhl des Mittel-
schiffs mit seinem eigentümlichen Verband sich als
der ursprüngliche, dem 14. Jahrhundert angehörige,

' Vgl. Münsterblätter 13 (1917) S. 20 und 43.

erweist. Ebenso stammt der Dachstuhl des Chors
in der Hauptsache aus dessen Erbauungszeit. Die
Dachstühle der Querarme und die der Seitenschiffe
wurden, weil sie sich in mangelhaftem Zustande be-
fanden, mehrfach, zuletzt im Jahre 1883, erneuert.
An den Gewölben sind keine Merkmale eines Brand-
unglücks wahrzunehmen.

Die Feuersgefahr erweist sich in den meisten
Fällen als eine Folge unmittelbarer Veranlassung.
Sie liegt mehr im Innern als im Äußern des Ge-
bäudes. Sorglosigkeit, höchste Vernachlässigung der
Vorsicht, unverantwortlicher Leichtsinn der mit dem
Bau in engste Berührung kommenden Personen, oft im
Zusammenhang mit seltsamer Verkettung von andern
Umständen, führen in den meisten Fällen die Brand-
gefahr herbei. Nachfolgende, auch in kulturgeschicht-
licher Hinsicht nicht uninteressante Aufzeichnung im
Ratsprotokoll gibt uns einen charakteristischen Be-
leg für die Richtigkeit unserer Auffassung. 1562
Juli 29. Nachdem nächtlich der münsterturm angangen
ze prennen, also das stürm geschlagen worden und
dann angezeigt wurd, das die münsterpläser, sonderlich
Galle der jung, der ganzen nacht und tag ire weiber
droben uf dem turn haben, wider iren eide, auch vil
personen unerlaubt ufhinlassen, zechen, dempfen, sprin-
gen und danzen, welches sich nit gepürt, dordurch etwa
grösser schad endsteen möchte, so ist erkant, den Galle
ins spitalgefengnus ze legen und die sich eigentlichen
bei ine erkunden, wie sich die andern Wächter halten
und demnach die wechter, dergleichen die sigristen,
Steinmetzen und andere, so auf dem turn waren, zu
beschicken und inen mit allem ernst und beim eide ze
pinden, hinfüro niemanden mehr unerlaubt uf den turn
zu lassen und den Wächtern oder pläsern inzebinden,
ire weiber, sonderlich nachts, nit mehr hinaufzuführen.

Das leichtfertige, pflichtvergessene Verhalten der
Wächter, über dessen Folgen keine weiteren Nach-
richten vorliegen, kann nicht lebendiger gezeichnet
werden, als es diese Schilderung vermag. Es ist
anzunehmen, dass sie gegen ihre Dienstvorschrift
Licht gebraucht haben und unvorsichtig damit um-
gegangen sind; außerdem wurde geraucht. Das Feuer
scheint immerhin ernster Natur gewesen zu sein,
denn die Wächter hätten wohl, wenn es möglich
gewesen wäre, unter den für sie belastenden Um-
ständen die Sache in aller Heimlichkeit vertuscht
und nicht Sturm geschlagen, wenn sie nicht ein
Umsichgreifen des Feuers hätten befürchten müssen.
So aber will es scheinen, als ob ihnen die Folgen
ihres unverantwortlichen Tuns doch noch zum Be-
wusstsein gekommen wären.

Da das alte Werk des 18 m hohen mächtigen
Glockenstuhls mit seinen starken Föhrenhölzern
heute keine Brandspuren, auch keine Auswechs-
lungen zeigt, so ist zu vermuten, dass es sich dabei
um Entzündung vielleicht des Fußbodens oder sons-
 
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