Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 14.1918

DOI Artikel:
Blume, Rudolf: Goethe und das Freiburger Münster
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2400#0039

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Blume, Goethe und das Freiburger Münster

31

andere, indem „das einzige, was er sich zwischen
da (Emmendingen) und Zürich noch deutlich erinnert,
der Rheinfall bei Schaffhausen ist".

Bei der zweiten Durchfahrt durch Freiburg
Ende September 1779 war dagegen der inzwischen
zum Minister von Sachsen-Weimar ernannte Dichter
zwar, wie er ausdrücklich andeutet, „von den himm-
lischen Wolken" begünstigt, aber wahrscheinlich mit
Gedanken erfüllt, die ihn wieder nicht ganz sein
Münster genießen ließen. Die Ursache davon mag
weniger die Rücksicht auf den ihn begleitenden fürst-
lichen Freund und Gönner, den Herzog Karl August,
gewesen sein, als teilweise die Trauer, die Goethe
als Bruder über den Besuch des Grabes seiner 1775
verstorbenen Schwester am Tage vorher in Emmen-
dingen empfunden hatte, und teilweise schwerwiegende
politische Erwägungen, die er als Staatsmann
innerlich hin- und herwälzte. Denn in Emmendingen
hatten zwischen ihm und seinem Schwager Schlosser
wichtige politische Besprechungen stattgefunden, die
dahin führten, dass Schlosser später beauftragt wurde,
mit Hilfe des Bruders des ihm befreundeten Dichters
Pfeffel in Kolmar, nämlich des als „Commis prin-
cipal aux affaires etrangeres" im auswärtigen Dienst
Frankreichs stehenden Friedrich Christian Pfeffel,
die Stellung dieses Staates zu der später nach dem
Beitritt Preußens „Fürstenbund" genannten Vereini-
gung vorläufig der kleineren Staaten Deutschlands
mit Sachsen-Weimar und Baden an der Spitze, zu
erkundigen. Es sollte nämlich die Stärkung der
kaiserlichen Macht verhütet werden, deren Ausdeh-
nung dadurch drohte, dass Österreich nach dem
Aussterben der Witteisbacher in Bayern den Kur-
fürsten Karl Theodor von der wittelsbactuschen
Linie in der Pfalz nach Abtretung bereits der Ober-
pfalz und Niederbayern auch zur Überlassung von
Bayern zur Vereinigung mit den habsburgischen
Erbländern zu bewegen suchte, und zwar gegen Ein-
räumung der österreichischen Niederlande, des
jetzigen Belgien als „Königreich Burgund", eine
Angelegenheit von größter Tragweite, deren Aus-
läufer bis in den Weltkrieg in neuster Zeit reichen.

Aber doch kannte Goethe das Münster in Frei-
burg sehr gut.

Zunächst war es ihm wohl bei seinem In-
teresse für Stiche, Radierungen und Handzeichnungen
nach Abbildungen, wenn auch nicht aus seiner eigenen
Sammlung, keineswegs fremd. Bestanden doch bereits
zu seinen Lebzeiten außer der Wiedergabe auf der
Sickingerschen „Abcontraphetung der Stadt Freyburg"
vom Jahre 1589 neben dem Kupferstich Peter May[e]rs
aus dem Jahre 1770 „das Freiburger Münster in fest-
licher Beleuchtung" anlässlich des Durchzugs der zur
Königin von Frankreich ausersehenen Erzherzogin

Marie Antoinette auf ihrer Brautfahrt dorthin im
gleichen Jahre eine Reihe von Bildern davon, wie
die Tafeln von Bayer zu Schreibers — den Goethe
auch kannte — „Geschichte und Beschreibung des
Münsters zu Freiburg" 1820, beigegeben wahrschein-
lich erst zur 2. Auflage 1829, ferner die neunzehn
Kupfertafeln aus „Der Münster zu Freiburg i. Br."
von Dr. Moller, dem Entdecker der Originalgrund-
risse des Kölner Doms in seinen „Denkmälern der
deutschen Baukunst" 1826, dessen auch als „Hefte"
erschienene kunstwissenschaftliche Werke Goethe
sehr schätzte. Dazu kamen in Betracht die Litho-
graphien des Freiburger Münsters von den mit so
bewunderungswürdiger Genauigkeit und vorzüglicher
Perspektive alles wiedergebenden Architekturmalern
Domenico und Simone Quaglio in Großroyal- und
Imperialfolio seit 1826, deren Bruder Angelo die
Goethe wohl bekannten Zeichnungen zu Boisserees
„Dom zu Köln" vollendete. Vielleicht hatte Goethe
auch selbst bei seinen Durchreisen eine Zeichnung
vom Freiburger Münster gemacht, wie er noch 1829
eine von ihm „ausgeführte Skizze" eines „Felsens
im Höllental" erwähnt.

Dass Goethe das Freiburger Münster auch
sonst würdigte, erhellt daraus, dass — während
er die Stadt unter kurzer Erwähnung ihrer geolo-
gischen Lage nur einmal in seinen Schriften („Aus
meiner [der dritten] Reise in die Schweiz 1797", den
17. September) nennt — er des Münsters — nach-
dem er sich zum zweiten Male in seinem Leben für
die Gotik begeistert hatte—an zwei Stellen seiner
Werke gedenkt. Wenn der Dichter es auch bei der
Beschreibung seiner beiden ersten Schweizerreisen
(„Briefe aus der Schweiz I. und IL Abteilung" als An-
hang zu den „Leiden des jungen Werthers") übergeht
und sich dann bei der Schilderung der ersten Reise in
„Wahrheit und Dichtung" nicht mehr „erinnert",
sowie es in den Briefen an Frau von Stein von der
zweiten Reise aus unerwähnt lässt, so schreibt er
doch in dem 1812 verfassten neunten Buch von
„Wahrheit und Dichtung":

,.....denn wenn ich die Neigung bedenke,

die mich zu jenen alten Bauwerken hinzog, wenn
ich die Zeit berechne, die ich allein dem Straßburger
Münster gewidmet, die Aufmerksamkeit, mit der ich
späterhin den Dom zu Köln und den zu Freiburg
betrachtet und den Wert dieser Gebäude immer
mehr empfunden, so könnte ich mich tadeln, dass
ich sie nachher ganz aus den Augen verloren, ja,
durch eine entwickeltere Kunst angezogen, völlig im
Hintergrund gelassen. Sehe ich, wie aber in der
neusten Zeit die Aufmerksamkeit wieder auf jene
Gegenstände hingelenkt, Neigung, ja Leidenschaft
gegen sie hervortreten und blühen, sehe ich tüchtige
 
Annotationen