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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 15.1919

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Schmitt, Otto: Das heilige Grab im Freiburger Münster (Otto Schmitt)
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https://doi.org/10.11588/diglit.2401#0006

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Abb. 1. Leichnam Christi auf dem Sarkophag des Heiligen Grabes.

Das Heilige Grab im Freiburger Münster.

Von

Privatdozent Dr. Otto Schmitt.

chon die frühchristliche Kunst kennt die
Darstellung des Heiligen Grabes, in dem
Christus von seinem Tod bis zur Auf-
erstehung beigesetzt war. Altere Minia-
turen und Elfenbeinschnitzereien zeigen
bei der Schilderung des frommen Besuchs der drei
Marien am Ostermorgen einen turmartigen Zentral-
bau von mehr oder weniger klassisch-antikem Ge-
präge, dabei den Engel und ein Paar schlafender
Krieger. Später wird der Grabturm ersetzt durch
den viereckigen Sarkophag, an den die Frauen heran-
treten oder hinter dem sie stehen. Dies ist auch
die Form, welche die monumentale Plastik des hohen
Mittelalters bevorzugt. Eine der schönsten Darstel-
lungen findet man am mittlem Westportal des Straß-
burger Münsters, ungefähr aus der Zeit um 12802. —
Eine andere, aber ebenfalls sehr beliebte Art, das Ge-
dächtnis des Grabes Christi zu feiern, war die Auf-
führung kleiner Grabkapellen in und an Kirchen,
mitunter in ausgesprochener Anlehnung an die Kon-
stantinische Rotunde über der Grabesstätte in Jeru-

1 Dieser Aufsatz ist der letzte und kleinste Teil einer von
der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt a. M.
genehmigten Habilitationsschrift über die Freiburger Münster-
plastik. Die beiden andern Kapitel sollen in den folgenden
Jahrgängen dieser Zeitschrift veröffentlicht werden.

2 Abguss im Straßburger Münsterbauamt. Gute Frontal-
aufnahme bei M. Hasak, Geschichte der deutschen Bildhauerkunst
im 13. Jahrhundert. Berlin 1899 S. 129. Schon im 12. Jahr-
hundert scheint es auch vollplastische Darstellungen der Grab-
figuren gegeben zu haben. Vgl. W. V'öge im Berliner Skulpturen-
katalog S. 4—5 Nr. 3 und Monatshefte für Kunstwissenschaft 1,
(1808) S. 1113 ff.

Freiburger Münsierblätter XV.

salem und daher häufig zentral. Spätestens seit dem
12. Jahrhundert tritt mit derartigen Grabbauten die
plastische Darstellung der Frauenszene in Verbin-
dung. Die sogenannte Bußkapelle der Stiftskirche
zu Gernrode ist das erste erhaltene Beispiel dieser
Art. In einer besondern Grabkammer werden neben
dem offenen Sarkophag zwei (!) Engel und die drei
Marien dargestellt3.* Der Blütezeit der deutschen
Plastik im 13. Jahrhundert gehört dann das Heilige
Grab im Konstanzer Münster an, wo ein reizendes
Dekagon in frühgotischen Formen innen und außen
mit zahlreichen Figuren, darunter den drei Frauen,
schlafenden Kriegern und dem Engel, geschmückt ist.
Was alle diese älteren Darstellungen von dem
Heiligen Grab des späten Mittelalters unterscheidet,
ist das Fehlen des Christusleichnams in der Tumba,
dessen Anwesenheit allerdings auch nach Text und
Sinn der Schrift beim Besuch der Frauen nicht mehr
berechtigt ist: im ganzen frühen Mittelalter vertritt
das Heilige Grab mit Fug und Recht die Auferste-
hung. Darin vollzieht sich nun im 14. Jahrhundert
ein Wandel. Man geht zur Darstellung der Aufer-
stehung selbst über und zeigt Christus, wie er den
Sarkophag verlässt, eine Szene, die zwar vereinzelt

3 Diese Figuren gehören nicht dem ersten Zustand derGrab-
kapelle (um 1140) an, sondern sind erst später (um 1170—80)
hinzugefügt worden. Vgl. E. Wackenroder, Das heilige Grab in der
Stiftskirche zu Gernrode. Hall. Diss. 1907. — Sollten nicht auch
die Reliefs an der Mauritskirche zu Münster i. W. (zweite Hälfte
des 11. Jahrhunderts! Frauen und Krieger) von einer großen
Anlage des heiligen Grabes stammen? Vgl. Das Landesmuseum
der Provinz Westfalen in Münster, die Skulpturen, bearbeitet
von B. Meier, Berlin 1914 Nr. 4—6.

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