Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0090

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Monument bei Missolongüi.



Zu den Resten derjenigen alten Cultur, die man mit dem Namen der pelasgischen belegt hat, einer
Cultur, deren Ueberbleibsel uns durch ihre Massivheit und durch die bei ihrem Bau vorauszusetzenden
mechanischen Hülfsmittel in Erstaunen setzen, gehört auch das Bauwerk, von dem wir jetzt sprechen
wollen. Es befindet sich auf der Stelle einer pelasgischen Stadt oder Akropole, die auf einer felsigen
Anhöhe erbaut war und 1J geographische Meilen nördlich von der modernen Stadt Missolonghi liegt.

Nach den Untersuchungen neuerer Reisenden und Geographen scheinen die Ruinen des bezeichneten
Ortes einer der ältesten Städte Aetoliens anzugehören und ihrer Lage nach auf das alte Pleuron bezogen
werden zu müssen. Indessen ist diese Bestimmung noch nicht ganz sicher, und die Identität jener alten
Stadt mit den vorhandenen Ruinen noch nicht vollständig nachgewiesen, es gab nämlich im Alterthum in
derselben Gegend mehrere Städte, deren Lage bis jetzt noch nicht aufgefunden werden konnte. Nach den
vielen pelasgischen oder anderen Trümmern aber zu urtheilen, die in weiter Ausdehnung den Boden
bedecken, muss man annehmen, dass die vor Alters hier bestandene Stadt eine bedeutende gewesen sei.

Die Geschichte schweigt über die verschiedenen Schicksale der alten Stadt Pleuron, und die alten
Schriftsteller bieten uns nur sehr wenig Nachrichten über sie. Strabo erwähnt ihrer nur mit einigen
Worten, um ihren Verfall zu bezeichnen, und Pausanias ist nicht ausführlicher; über die Baudenkmäler,
flie sie aufweisen konnte, sagen beide Schriftsteller uns Nichts. Nach allem Dafürhalten hatte Pleuren
höchst wahrscheinlich zur Zeit der macedonischen Könige dasselbe Schicksal wie die übrigen Städte
Aetoliens, und später, zur Zeit der römischen Herrschaft, wurde sie ohne Zweifel als eroberte Stadt
behandelt; aber wie der genannte alte Geograph berichtet, so war diese Stadt schon sehr im Verfall.
Wir müssen bis zur Zeit des byzantinischen Reiches herabsteigen um ihrer Erwähnung zu begegnen und
zu vernehmen, dass sie damals noch eine gewisse Rolle spielte. Doch trägt Alles zu der Annahme bei,
dass sie von jener Zeit ab gänzlich verfiel und aufhörte zu sein. Sie wurde wahrscheinlich verlassen
und ihre Gebäude wurden, wie es oft in Folge einer in der Nähe neu angelegten Stadt geschieht, als eine
Art Steinbruch benutzt, um nach und nach daraus die Materialien zum Bau der Häuser ihrer jungen Rivalin
zu gewinnen. Beim Ende dieser Epoche hört Pleuron ganz und gar in der Geschichte auf: ein dichter
Schleier bedeckt sie lange und hüllt sie in vollständige Vergessenheit bis heute, wo die neuere Wissen-
schaft mit eifriger Forschung und mit der Karst in der Hand den Boden der alten Städte befragt und von
ihm die verlorenen Annalen ihrer untergegangenen Grösse fordert. Vielleicht ist es, Dank den beharrlichen
Forschungen, einst vergönnt, die unterbrochene Kette ihres Daseins zu erneuern, das durch mächtige
Ruinen angekündigt wird, die der Welt, bis jetzt noch geheimnissvoll und verborgen, die Rolle ankündigen,
die diese Stadt einst beim Beginne der Geschichte der Menschheit spielte.

Von den Bauwerken, die noch heute ihren alten Ursprung bekunden, von denen einige in einem
geringeren oder grösseren Grade der Zerstörung auf uns gekommen sind, wollen wir nach den Unter-
suchungen Dodwells, des berühmten Erforschers pelasgischer Bauwerke und Cultur, die Existenz mehrerer
Thore und einer mit rechteckigen Thürmen befestigten Ringmauer erwähnen. Das Interessanteste ist aber
nach Erhaltung und Anlage gewiss jenes Bauwerk, das Gegenstand dieses Aufsatzes ist und von dem
wir auf einer unserer Bildtafeln die Hauptansichten gegeben haben.

In dem niedriger liegenden Theile der Ruinen der Stadt findet sich eine Excavation senkrecht aus
dem Felsen gehauen und unter freiem Himmel liegend. Sie bildet gleichsam eine Art sehr grossen Saal,
der nach der Länge durch fünf parallele Mauern, die sich senkrecht bis zur Oberfläche des Berges erheben,
getheilt wird. Dieser sonderbare Bau ist mit viel kleineren Steinen ausgeführt als diejenigen sind, die
man zu den Stadtmauern verwendete. Die Steine liegen in regelmässigen wagerechten Schichten, und
Unregelmässigkeiten, die hiebei vorkommen, scheinen mehr dem Zufalle als einem Systeme zugeschrieben
werden zu müssen*). Die Steine sind sorgfältig verbunden aber nicht an der äusseren Seite behauen.
Jede dieser Mauern hat drei OefFnungen oder Thüren von ungleicher Grösse und dreieckiger Gestalt, analog
denen, die man zu Tyrinth, zu Mykene und in den Mauern einiger alten Städte des alten Italiens sieht.
Die grosse Mauer, von der eine Ansicht unten auf unserer Bildtafel gegeben ist, hat etwas über 61 Fuss

*) Diese Mauern, deren Steinverband der Dodwell'schen vierten pelasgischen Bauweise entspricht, sind in horizontalen Lagen
von behauenen Steinen entweder mit senkrechten oder schiefen Fugen aufgeführt. Die Art und Weise dieses Mauerwerks
zeigt hinsichtlich des rohen Aeusseren eine gewisse Aehnlichkeit mit der Bauweise einiger Monumente, die man unter
den Ruinen in Aegypten, in Persien und i. a. G. entdeckt hat, an denen man dieselbe Weise des Verbandes und der
Bearbeitung der Steine wiederfindet; es bestand also in der Baukunst dieser verschiedenen Völker eine Art Gemeinsamkeit
und Identität der Bautechnik.

Denkmäler der Baukunst. LTV. Lieferung.
 
Annotationen