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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0093

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Die Felsengräber von Beni-Hassan nnfl Theben.

Das arabische Dorf Beni-Hassan-el Gadim ist auf den Ruinen einer alten ägyptischen Stadt erbaut,
von der nur noch die Nekropole übrig ist. Auf einem kleinen Bergplateau, das sich über dem Dorfe
erhebt, sieht man an dreissig Hypogeen, die alle auf derselben Linie in die Schicht des Kalkfelsens
eingebrochen sind, die am wenigsten Zerklüftung zeigte. Die Eingänge zu diesen Gräbern sind nach der
Lagerung des Gebirges geneigt und von grossen Steinen eingefasst. Aus dem Felsen gehauene Portiken
bilden sodann den nächsten Eingang dieser Hypogeen, oder auch Bauwerke aus Hausteinen, welche letztere
nur unförmliche Reste hinterlassen haben, die aber nach analogen Denkmälern leicht zu restituiren /sein
würden. Einige dieser Gräber sind mit den mannigfaltigsten Gemälden geschmückt, die eben so interessant
sind in Bezug auf die Naturgeschichte des Landes, auf die Sitten, Gebräuche, Künste und Handwerke
der alten Aegypter als in Bezug auf den Styl, die Proportionen und die Färbung der Figuren. Die
einfache und ernste Architectur dieser Hypogeen hat die Bewunderung aller Reisenden erregt und liefert
uns kostbare Beiträge zur Geschichte der Kunst.

Die beiden ersten Gräber gegen Norden sind in jeder Beziehung die wichtigsten. Das nördlichste
war für die Mumie eines hohen Beamten, Namens Amenemhe, bestimmt, der unter dem Pharao Sesortasan I
ungefähr um die Zeit von 2800 bis 3000 v. Chr. lebte. Der Grundriss des Grabes ist vollkommen
symmetrisch. Vor der Eingangsthür befindet sich ein Porticus von zwei achteckigen Pfeilern oder Säulen,
die zum Capitell eine viereckige Platte und zur Basis einen weitausladenden Sockel haben. (Fig. 9
unserer Bildtafel zeigt eine perspectivische Ansicht des Eingangs, Fig. 10, 11, 12 u. 13 zeigen Grundriss,
Durchschnitte und Details dieses Grabes). Ueber dem Architrav zeigt sich eine Reihe von Zahnschnitten,
vorgestreckten Balken ähnlich, die an ihrer unteren Fläche abgerundet sind und das darüber liegende
Gestein zu stützen scheinen. Die Decke des Porticus ist sanft nach einer Bogenlinie gekrümmt (m. s. Fig. 11).
Die Grabkammer ist gegen 40 Fuss breit, ihr Fussboden etwas über dem der Vorhalle erhoben*), ihre
Decke wird durch vier cannelirte Säulen gestützt, deren zierliche Form den Griechen die Idee ihrer
dorischen Säulen gegeben zu haben scheint. Diese Säulen stehen auf breiten Basen, haben fünf Durch-
messer zur Höhe, ihr Schaft verjüngt sich etwa um ein Zehntel des unteren Durchmessers, eine wenig
vorspringende viereckige Platte oder Abacus bildet ihr Capitell. Der Schaft dieser Säulen hat fünfzehn
oder wenn man will sechszehn Canneluren; fünfzehn dieser Canneluren nämlich sind wie gewöhnlich
concav gehöhlt, an der Stelle der sechszehnten und parallel mit der Axe des Grabes befindet sich eine
ebene Fläche, die ohne Zweifel eine hieroglyphische Inschrift erhalten sollte, welche aber unausgeführt
blieb. Diese Säulen waren mit einer röthlichen Farbe in der Art bemalt, dass sie Granit nachahmen und
so den Schein einer grösseren Festigkeit annehmen sollten. Sie unterstützen zwei Architrave, die die
Decke der Grabkammer in drei Flächen theilen, von denen jede flach concav gekrümmt und mit neben
einander gestellten Quadraten bemalt ist. In der hinteren Wand der Grabkammer ist eine Nische aus-
gehöhlt, in der sich die colossale Statue des Verstorbenen zwischen zwei Frauen sitzend befindet.

Das zweite Hypogeum wurde für einen Administrator der östlichen Länder der Heptanomis, Namens
Nubötp, ausgehauen. Es gleicht dem so eben beschriebenen, nur befindet sich in der Nische der Grab-
kammer keine Statue, und die Säulen des Porticus sind cannelirt und ohne Basis wie die dorischen. Die
Säulen im Innern des Grabes sind zerstört. Die Gemälde, die die Wände dieses Grabes schmücken, sind
von trefflicher Vollendung und besonders die Thiere mit grosser Sorgfalt ausgeführt.

Man kann sich verwundern in diesen kleinen Denkmälern, den ältesten Aegyptens, Säulen anzutreffen,
die denen der ältesten griechischen Tempel zu Athen, zu Pästum, zu Cora und zu Agrigent fast gleich
sind. Mit Ausnahme einiger kleinen Details **) haben die Griechen dieser ägyptischen Säulenformation
nichts hinzugefügt. Man könnte an anderen ägyptischen Monumenten den Ursprung der Triglyphen
nachweisen; derEchinus der dorischen Säulen entspricht der unteren Partie des Lotuscapitells (m. s. Fig. 15),

*) Einige Ungenauigkeiten haben sich in die Details unserer Bildtafel eingeschlichen ; der Kupferstecher hat erstens unter-
lassen, den Fussboden des Porticus um eine Stufe über den Vorplatz des Grabes und den der Grabkammer um eine Stufe
über den des Porticus zu erheben; zweitens hat er die Basen der Säulen nicht gezeichnet und die Zahnschnitte über dem
Architrav des Porticus unten nicht abgerundet; drittens hat er die sechszehnte Cannelur nicht als ebene Fläche, sondern
wie die übrigen ausgehöhlt angegeben. Diese Ungenauigkeiten finden sich eben so auf dem Kupfer des grossen französi-
schen Werkes über Aegypten, nach dem das unsere angefertigt wurde.

'*) Die für die Kunstform der griechischen Säule aber doch sehr wesentliche sind, wie der sogenannte Echinus des dorischen
Säulencapitells, den wir bei der heutigen Einsicht in die hellenische Tektonik als Kymation oder überfallenden Blätterkranz
(Blätterwelle) anzusprechen und so zu restauriren haben. L. L.

Denkmäler der Baukunst. CXIX. Lieferung. 5c(feiiflvd'6cr bort 23enU£<Jffrttt. i.
 
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