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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0186

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Das Forum zu Pompeii.

In allen Städten des Alterthums giebt es einen mehr oder minder grossen Platz, der im Mittelpunkte
gelegen zur Versammlung aller Bürger bestimmt war, sobald öffentliche Angelegenheiten verhandelt werden
sollten. Dieser Platz, der bei den Griechen die Agora (uyoQu), bei den Römern das Forum hiess, diente
zugleich zu den Volksfesten, zu den Spielen und Wettlaufen, eben so auch zum Markt; er war von
geraumigen Portiken und von den wichtigsten bürgerlichen und religiösen Gebäuden umgeben; er enthielt
Denkmäler, Statuen, Gemälde und Inschriften, die an Thaten berühmter Bürger oder an ruhmwürdige
Ereignisse der Stadt das hier zu Geschäften versammelte Volk erinnern, und zur Nacheiferung und
Vaterlandsliebe anregen sollten.

Später wurden die Spiele in den Amphitheatern vorgenommen und das Forum nur zu der Abhaltung
bürgerlicher Geschäfte gebraucht; die Märkte aber auf den secundären Foren abgehalten, die je nach ihrer
Bestimmung den Namen boarium, piscarium, olitorium etc. führten.

Die griechisch-römische Stadt Pompeii, die so reich an Denkmälern und an Baulichkeiten aller Art
war, besass nur ein Forum, das ohne Widerrede das vollständigste wenn nicht das interessanteste ist, das
wir kennen. In dem nördlichen Theil der Stadt nicht fern vom Meere gelegen muss dieses Forum schon
lange vor der römischen Herrschaft bestanden haben. Es ist mehrmals vergrössert und restaurirt worden,
denn ausser dem verschiedenen Styl, der sich in seinem Bau zeigt, ist dies auch aus der Stellung der
das Forum umgebenden Gebäude, denen grösstentheils das Alignement fehlt, ersichtlich, dass dieselben
schon zur Zeit dieser Vergrösserungen bestanden; ausserdem wird dies noch durch mehrere durchschnittene
und unterbrochene Wege bestätigt. Die bedeutendste und letzte Vergrösserung des Forums muss, so
meinen wir, unter der Kegierung des Kaiser Augustus statt gehabt haben; auch hat man aus gewissen
Anzeichen geschlossen, dass zur Zeit der Eruption des Vesuvs, die Pompeii's Verschüttung herbeiführte,
im Forum bedeutende Ausbesserungen vorgenommen wurden.

Das Forum von Pompeii bildet ein grosses längliches Rechteck, das sich von Ost nach West ausdehnt,
und eine Länge von etwa 490 rheinl. Fuss und eine Breite von 140 Fuss mit Inbegriff der Portiken hat.
Diese Portiken, die noch ein Stockwerk über sich hatten, umgeben an drei Seiten den Platz; an der
vierten Seite, der östlichen, wo sich die Haupteingänge befinden, wird das Forum durch einen Tempel
und durch Triumphthore geschlossen; die anderen Gebäude sind mehr oder minder symmetrisch um die
Umfassungsmauer des Forums gnippirt. Die Triumphthore, deren zwei sind, — denn wir können das
Thor A, das bloss eine in der Mauer befindliche rundbogige Thür ist, nicht dazu rechnen — befinden sich
das eine N zur Rechten, in dem äusseren Alignement des Forum, das andere O zur Linken hinter dem
ersten und sich an das Peristyl des Tempels lehnend. Sie sind aus Ziegeln erbaut und bestehen aus
einer einzigen Arcade; beide waren mit Marmor bekleidet und mit Inschriften bedeckt; das südliche war
mit Nischen und Säulen decorirt, das nördliche blos mit einfachen cannelirten Pilastern.

Der offene Theil des Forum war mit regelmässigen Steintafeln gepflastert; das Regenwasser floss von
diesem Pflaster in bedeckte Canäle ab, die rund umher vor den Portiken und unter der ersten Stufe der-
selben, in der sie ausgehöhlt waren, hinliefen. Eine grosse Zahl mehr oder minder gut erhaltener Piedestale
befindet sich auf diesem Platze; sie sind grösstentheils noch mit Marmor bekleidet und mit Inschriften
bedeckt; sechszehn derselben, ß, sind von gleicher Grösse und trugen wahrscheinlich Statuen; andere
grössere, S, mögen Reiterstatuen aufgenommen haben und eines, P, das die Form eines kleinen Triumpf-
bogens hat und im Fond und in der Hauptaxe des Forum steht, trug vielleicht eine Quadriga.

Das Forum hat mit seinen vielen und reichen es umgebenden Gebäuden bei der Verschüttung
viel gelitten, nur sehr wenige Mauern haben ihre ursprüngliche Höhe behalten; von den vielen Säulen
stehen nur einige aufrecht, von dem grössten Theil derselben sind nur noch die untersten Trommeln
an ihren alten Stellen, von mehreren sind auch nicht mehr diese sondern nur noch einfache Spuren
im Boden zu bemerken. Die unteren Portiken hatten dorische Säulen ohne Basen, deren Schäfte von
dem ersten Drittel ihrer Höhe ab cannelirt waren; das Gebälk hatte in den ältesten Theilen einen mit
Triglyphen verzierten Fries, bei dem Theil, den man römischen Baumeistern zuschreibt, waren die Friese
glatt. Das obere Stockwerk der Portiken hatte ionische Säulen mit wreiten Intercolumnien, um den Blick
der daselbst befindlichen Zuschauer so wenig als möglich zu behindern; man gelangte zu diesem oberen
Stockwerk auf vier sehr steilen Treppen an den Ecken des Forum. Diese Treppen nahmen wohl zu
merken ihren Antritt aussen und communicirten nicht direct mit dem unteren Stockwerk der Portiken.
War dieses obere Stockwerk vielleicht ausschliesslich für die Frauen bestimmt? Es wäre dies nicht ohne
Beispiel und zumal wenn man bedenkt, dass Pompeii eine viel mehr griechische denn römische Stadt war.

Die um das Forum liegenden Gebäude, deren Zahl zwölf ist, sind entweder religiöse oder bürgerliche.
Von denen erster Art nennen wir zuerst den sechssäuligen Tempel M, der die Ostseite des grossen
Platzes einnimmt; man hält ihn gewöhnlich als dem Jupiter geweiht; einige nehmen ihn zu gleicher Zeit
für ein aerarium, wo die öffentlichen Gelder aufbewahrt wurden. Uebrigens hat derselbe eine frappante
Aehnlichkeit mit dem Gebäude an der Nordwestseite des Forums des Augustus zu Rom, das auch Triumph-
thore zu beiden Seiten hat.

Ein kleiner peripterischer Tempel, der sich inmitten eines von einem Peribolus umgebenen Platzes
befindet (auf unserem Plan mit B bezeichnet) war dem Cultus der Venus geweiht. Er hat liebliche Details
und interessante Malereien, und ganz den Character eines Werkes der griechischen Schule Italiens.

Dies wären die religiösen Gebäude; die anderen sind von einem rein bürgerlichen Character. In C
zeigt sich zuerst ein bedeckter Platz, eine Art Speicher zur Magazinirung des Getreides; ganz nahe bei

Denkmäler der Baukunst. OXXII. Lieferung.
 
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