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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0232

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intikes Grab zu Tclmissus in Lycien.

Das alte Klein-Asien, dieses im Alterthum so blühende zweite Griechenland, ein Land so reich an
grossen Erinnerungen, wird jetzt von einem unwissenden und in Knechtschaft verdummten Volke bewohnt,
das mit Gleichgültigkeit seine Ruinen betrachtet, die einzigen noch vorhandenen Zeugen seines alten
Glanzes. Unter den von den Lyciern errichteten Denkmalen sind die Gräber nicht die am mindesten
interessanten; gewöhnlich sind sie in dem Abhänge der Berge und Felsen excavirt, wie das die Weise
der asiatischen Völker war ihre Gräber anzulegen, und machen oft beträchtliche Nekropolen aus. Bei
Telmissus, einer der ältesten Städte Lyciens, deren Ruinen am Meeresufer und am Fuss des heutigen
Makri liegen, giebt es noch eine sehr grosse Zahl von Gräbern, unter denen beim ersten Anblick gleich
drei bedeutende als Architecturwerke sich auszeichnen; sie haben grosse Aehnlichkeit mit einander und
um sie kennen zu lernen wird es genügen eines derselben unseren Lesern vorzuführen, und zwar dasjenige,
das uns in jeder Hinsicht das wichtigste zu sein scheint.

Ueber das Alter dieses Grabes wissen wir nichts; die Dedicationsinschrift AMTNTOT EPMAIIIOT
lehrt uns auch nichts in diesem Bezüge; eben so ist es mit mehreren Inschriften in kleinen Buchstaben,
die grösstentheils aus der Zeit des Verfalls der römischen Herrschaft herzurühren scheinen. Wir glauben
die Entstehung dieses Grabes nach seinen architectonischen Formen zwischen 400 und 300 n. Chr. setzen
zu dürfen. — Dieses Grabmal, das die Jahrhunderte respectirten, ist von den Mensehen nicht auf gleiche
AVeise respectirt worden, denn es findet sich gegenwärtig ausgeleert. Zu keiner Zeit hat es ohne Zweifel
an Besuchern gefehlt, und besonders in unseren Zeiten sind diese sehr zahlreich, wie die Hunderte von
angeschriebenen Namen französischer, englischer und anderer Reisenden Zeugniss davon geben.

Das Grabmonument, wovon wir reden, liegt im Osten der alten Stadt; es ist in einem Kalkfelsen
ausgehauen, dessen steiler Abfall sich für eine solche Aidage besonders eignete. Es besteht aus zwei
verschiedenen Theilen, aus einer Vorhalle und einer Grabkammer und ahmt die Fronte eines ionischen
Tempels in antis nach. Der Felsen ist etwa 15 Fuss tief ausgehöhlt und die Architectur des Grabes
hebt sich überall frei vom Grunde ab, doch liegt seine Facade etwas hinter der Felsenwand zurück und
ist so vor dem Wetter mehr geschützt. Vier aus dem Felsen gehauene Stufen führen in den Porticus,
der durch zwei breite Anten und zwei freistehende Säulen gebildet wird; seine Breite beträgt gegen
26 Fuss (8 M. 10) und seine Tiefe von der Vorderwand des Grabes an gerechnet, 1\ Fuss (2 M. 40).
Die Grabkammer, die durch eine 10 Zoll (26 C.) dicke Wand von der Vorhalle geschieden ist, hat eine
cubische Gestalt, und ist etwas über 8 Fuss (2 M. 60) breit, 8f Fuss (2 M. 75) tief und gegen 7 Fuss
(2 M. 15) hoch. An drei Seiten dieser Grabkammer läuft eine Bank umher von 3| Fuss (1 M. 03) Breite
und 2 Fuss 10 Zoll (89 q ) Höhe, auf der man wahrscheinlich die Leichen, die Vasen und anderen Gegen-
stände, die man den Todten mitgab, niederlegte. Der interessanteste Theil des Grabes ist für uns die
Vorhalle im ionischen Style mit Gebälk und Giebel darüber. Die Gesammthöhe ihrer Facade von dem
Boden der Halle an gerechnet, beträgt 271 Fuss (8 JM. 60). Die Anten sind Z\ Fuss (1 M. 15) breit
mit sehr einfach profilirten Basen und Capitellen- Der obere Theil ihres Schaftes ist mit drei Scheiben
die auf einer horizontalen Linie stehen, geschmückt; auf der Ante linker Hand befindet sich
unter diesen Scheiben die schon oben angeführte Dedicationsinschrift. Die Säulen haben 19 Fuss (6 M.)
Höhe; ihre Basis ist die attische und besteht aus zwei tori mit wenig ausgekehlter scotia dazwischen auf
einer Plinthe; ihr Schaft ist beinah 15 Fuss (4 M. 63) hoch, nicht cannelirt und nicht nach einer ge-
schwellten sondern nach einer geraden Linie verjüngt, hat 2 Fuss 3f Zoll (73 C.) an der Basis und
1 Fuss 9 Zoll (55 C.) unter dem Capitell; das letztere ist mit Einschluss der Platte 25 Zoll (66 C.) hoch,
hat grosse Voluten, ein bloss protypirtes lesbisches Kymation, dessen Blätterschmuck wahrscheinlich
gemalt war, jetzt aber verschwunden ist, und darunter zwei Astragale. Das Gebälk besteht blos aus
einem in zwei Streifen oder fasciae getheilten Epistylion mit einem Kranzgesimse darüber, dessen Hänge-
platte von Kragsteinen oder sogenannten Zahnschnitten (denticuli) unterstützt wird. Auf der horizontalen
Hängeplatte ruht die schrägansteigende des Giebels, die zuoberst mit einer Kehle verbunden ist, welche
wahrscheinlich ehemals ein gemaltes Anthemion zeigte. Ueber den Ecken und über der Mitte des Giebels
steigen Akroterien empor, die aber hier ganz glatt und nicht sculpirt sind, und bei denen ebenfalls jetzt
verschwundene bemalte Verzierungen vorauszusetzen sind. Im Hintergrunde der Halle erblickt man eine
vollständig mit ihren Füllungen und Beschlägen nachgebildete Thür. Sie wird von einer einfachen Ein-
fassung umgeben mit einem Kranzgesimse über derselben, die von zwei glatten Consolen getragen wird.
Die Thür selber ist zweiflügelig, jeder Thürflügel hat zwei gleiche Füllungen, die längliche Rechtecke
bilden; die Thürrahmen und die Schlagleiste sind mit nachgeahmten Nagelköpfen und mit bullae verziert.

Denkmäler der Baukunst. LXXIX. Lieferung.
 
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