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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0278

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Das Felsengrab von JVakscIii - Rustam.

(Der Text nach L. Dubeux, Custos der königl. Bibliothek in Paris und corresp. Mitglied der Akademie von Turin.)

Vier Meilen von Tschil-minar, etwa zwölf Stunden von Schiras, ragt eine Felswand von weisslichem
Marmor neunhundert Fuss') hoch fast senkrecht empor. In dieser Wand finden sich die merkwürdigen
Aushöhlungen und Skulpturen, welche man Takhti-Rustam Cd. h. Thron des Rustam) oder Kabrestani
Giauran Cd. h. Begräbnissplatz der Gebern), oder gewöhnlich Nakschi-Rustam (Bild des Rustam) nennt;
der letztere Name ist an Ort und Stelle gebräuchlich, da die Umwohner in jenen Bildwerken die Gross-
thaten ihres persischen Fabelhelden Rustam oder Röstern zu erkennen glauben.

Die Denkmäler von Nakschi-Rustam gehören zwei sehr verschiedenen Epochen an; sie sind theils
älter als Alexander der Grosse, theils aus der Zeit der Sassaniden. Die älteren bestehen aus vier grossen
Felsgräbern von etwa 00 Fuss Höhe, welche viele in den Fels gehauene Reliefs enthalten. Eins derselben,
dessen Vorderseite mit Keilschriften reich bedeckt ist, bewahrte ehemals, nach Ker Port er's Vermuthung,
die Leiche des Darius Hystaspis **}. Allerdings sagt uns Ktesias, dass das Grab des Darius in den Felsen
gehauen und bloss durch Hinaufwinden an Seilen***) zugänglich war; allein dies beweist noch nicht die
Identität desselben mit dem fraglichen Felsengrabe von Nakschi-Rustam. Wir würden das Räthsel lösen
können, wenn Ker Porter die Keilschriften dieses Denkmals mitgetheilt hätte, da man wenigstens die
hauptsächlichsten Königsnamen in dieser sonderbaren Schrift zu entziffern versteht****). Wir müssen daher
vor allem fragen: Warum wurden diese Gräber in den Felsen gehauen? und warum in einer solchen Höhe?
Warum müssen es gerade Königsgräber sein? — Diese Fragen führen uns auf die Leichengebräuche
der alten parsischen Religion.

Ehemals Hessen die Magier die Leichen von den wilden Thieren verzehren. Ihre Abkömmlinge, die
Gebern, haben diesen Gebrauch bis auf den heutigen Tag fast unverändert beibehalten. In Persien, und beson-
ders in denjenigen Städten Indiens, welche sie bewohnen, z. B. Bombay, Surate, Nausari u. a. bringen sie
ihre Leichen nach einem abgelegenen Gebäude, welches Dakhmeh genannt wird, und aus einem runden
Thurm von grösserm oder geringerem Durchmesser besteht. (Anquetil sah in Surate Dakhmeh's von mehr
als 90 Fuss Durchmesser). Oben auf der Plattform dieser Gebäude sind Felder von verschiedener Grösse,
für Männer, Weiber und Kinder abgetheilt, die Fläche senkt sich gegen die Mitte zu, wo ein Loch an-
gebracht ist, durch welches das Wasser abfliessen kann. Hier legen nun die Gebern die Leichen hin
und bedecken sie bloss mit einem Tuche. Die Raben, Geier u. a. Raubvögel, welche sich schaarenweise
in der Nähe dieser Dakhmeh's aufhalten, zerreissen das Tuch im Augenblick und bald sind auch von der
Leiche bloss die Gebeine übrig. Zweimal im Jahre wird die Plattform gereinigt und die Knochen in das
erwähnte Loch versenkt.

Bloss die alten persischen Könige wurden ausnahmsweise den wilden Thieren und Raubvögeln ent-
zogen; aber begraben oder verbrennen durfte man sie doch nicht, da nach Zoroasters Lehre Erde und
Feuer heilig sind und nicht entweiht werden sollen. Man ergriff daher den Ausweg, ihre Gräber entweder
in den Felsen zu hauen oder sie von Stein aufzubauen, was z. B. beim Grabe des Cyrus in Pasargadae
der Fall war, welches einen Tumulus von zehn Stufen vorstellte. Um die Leiche möglichst zu sichern,
wurde bloss ein sehr enger Eingang hoch über der Erde angebracht und fest verschlossen, was jedoch
nicht verhindern konnte, dass das Grabmal des Cyrus schon zu Alexanders Zeit erbrochen und geplündert war.

Die vier Felsengräber gleichen einander im Aeussern durchaus. Das von Ker Porter beschriebene
ist etwa 14 Fuss in den Felsen hinein vertieft ausgehauen, und zwar bildet die Vertiefung ein griechi-
sches Kreuz, da sie in der Mitte breiter ist als oben und unten.. Das Ganze ist etwa 100 Fuss hoch
und zerfällt in drei Stockwerke. Das unterste ist völlig glatt und war ohne Zweifel zur Aufnahme

*) Es ist hier, wie auch im Folgenden, von englischem Fussmaass die Rede.
**) Reg. 522 — 486 v. Chr.

***) Ktesias bei Photius: „Darius liess sein Grab bereiten in einem Berge mit zwei Gipfeln. Als es vollendet war, wünschte
er es zu sehen, allein die Chaldäer und sein Vater und seine Mutter riethen ihm es ab. Die beiden Letztern jedoch
wollten das Grab besuchen und mussten ihre Neugier mit dem Leben bezahlen. Oben auf dem Berge standen die Priester,
welche sie an Seilen heraufwanden; da erschienen plötzlich Schlangen, und die erschrockenen Priester Hessen die Seile
los, so dass die Beiden zerschmettert wurden. Darius voll bittern Schmerzes liess vierzig Personen enthaupten, vvelche
mit dem Hinaufziehen beauftragt gewesen waren."
****) Es ist nach und nach ein Keilalphabet von 33 Keilgruppen mit 29 Bedeutungen ausgemittelt worden; Grotefend hat 12,
Saint-Martin 3, Burnouf 12, Rask endlich 2 dieser Bedeutungen entdeckt.
Denkmäler der Baukunst. III. Lieferung.
 
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