Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0318

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Tempel des Honos und der Virtus in Rom.

Ein Tempel des Honos und der Virtus lag nach Titus Livius *) bei der Porta Capena (ad portam
Capenam), dem heutigen Thore San Sebastiano. Dieses Gebäude wurde durch Vespasian restaurirt; Plinius **)
nennt die beiden Künstler, die der Kaiser mit der Malerei des Inneren beauftragt hatte. Wir legen mit
diesem Aufsatze die Zeichnungen des kleinen Tempels vor, der nach der allgemeinsten Meinung als der
von Titus Livius bezeichnete gilt. Einige Archaeologen haben geglaubt, dass er dem Bacchus geweiht
gewesen sei, weil ein schöner Altar von weissem Marmor, der schon seit lange in der Vorhalle steht und
mit einer Schlange geschmückt ist und eine Inschrift trägt, nach der ein gewisser Apronius, Priester
dieses Gottes, ihn geweiht hatte; aber ein Altar konnte leicht von einer Stelle an eine andere versetzt
werden, und derselbe scheint aus einer anderen Zeit als das Gebäude zu sein. Noch Andere haben dieses
Gebäude ohne hinreichenden Grund für einen Tempel der Musen gehalten.

Wenn man aus Rom durch das Thor San Sebastiano geht und die via Appia bis zum Circus des
Maxentius verfolgt, der lange Zeit für den des Caracalla galt, so findet man gegen Südost einen Hügel,
Caffarella genannt, welcher sich über der sogenannten Quelle der Nymphe Egeria erhebt; auf dem Gipfel
dieses Hügels steht der kleine Tempel des Honos und der Virtus, der unter dem Namen des heiligen
Urban zu einer Kirche geweiht worden ist. Diese frühe Umwandelung des antiken Tempels in eine
christliche Kirche hat denselben uns erhalten. »

Der Grundriss dieses Tempels ist sehr einfach wie der aller dieser Gebäude: ein Porticus von vier
Säulen geht der Cella voraus, die fast quadratisch ist; eine von den Christen angelegte Krypta befindet
sich mit ihrem Eingange nicht weit von der Hinterwand der Cella; eine Treppe mit doppelter W7endung
führt unter dem antiken Pflaster in einen unterirdischen kleinen Raum, der einen Altar enthält. Um die
Cella läuft eine Mauer, die den Umfassungswänden des Tempels sich sehr nähert und aus gleichem
Material wie jene und mit ihr wahrscheinlich gleichzeitig erbaut ist: es war der Peribolus des Tempels-
Diese Peribolusmauer und Maueransätze an der Südseite sind zum Theil von grösserer Dicke, wo sich
eine Fensteröffnung und Maueransätze befinden, die an eine Verbindung des Tempels mit ausgedehnteren
Bauanlagen denken lassen.

Den Pronaos erstieg man auf sieben Stufen; er wird durch vier schöne korinthische cannelirte Säulen
von Cipolino nach vorn begrenzt; das Epistylion ist von weissem Marmor, das Kranzgesims des Säulen-
gebälkes aus gebranntem Thon; über ihm erhebt sich bis zum Kranzgesims des Ganzen in ungewohnter
Weise eine Mauer, die wie der ganze Tempel aus gebrannten Backsteinen erbaut ist; sie wird durch das
Tonnengewölbe der Decke der Cella und des Pronaos motivirt, fällt aber unangenehm auf und drückt die
Säulen des Pronaos nieder. Die Simswerke, die sämmtlich aus gebranntem Thon hergestellt sind, zeigen
die späte Zeit des Kunstverfalls. Im Giebelfelde befindet sich ein kreisrundes Fenster.

Die Intercolumnien der Vorhalle sind gegenwärtig mit Mauerwerk ausgefüllt und eine moderne Thür
in dem Mittelintercolumnium führt in die Vorhalle. Die alte Thür des Tempels hat sich in der Vorder-
mauer der Cella erhalten; über ihrer Einfassung befindet sich ein breiter vorspringender Sturz, von zwei
Consolen getragen, und über der Krönung der Tbür ein grosses viereckiges Feld, das von einem Mäander
in gebranntem Thon umgeben wird. Wahrscheinlich befand sich einst in diesem Mauerfelde ein Gemälde
oder ein musivisches Bild. Der dem Bacchus geweihte marmorne Altar ist zur Rechten des Eintretenden
aufgestellt, und dient heute als Träger eines Weihwasserbeckens.

Die Decoration der Wandflächen der Cella besteht in einem Unterbau, dessen vorspringendes Gebälk
ganz sinnreich construirt ist. Scheidrechte Bogen aus Backsteinen sind zwischen Kämpfersteinen aus
Haustein gewölbt, die tief in die Mauer eingreifen. Ueber diesem Unterbau folgt eine Reihe kleiner
korinthischer Pflaster mit Gebälk, das eben so wie das des Unterbaues construirt ist. Durch diese Pilaster-
stellung bilden sich an jeder Langseite der Cella fünf Wandfelder, an jeder kurzen Seite aber drei der-
gleichen. Diese Wandfelder zeigen Einrahmungen von Simswerk, die offenbar Gemälde einschlössen.
Kaiser Vespasian vertraute die Ausführung derselben zweien Künstlern an, die uns Plinius nennt. Raoul-
Rochette hat in seinem Werke über die Malerei der Alten dieses Gebäudes erwähnt und der Anordnung
desselben zur Aufnahme historischer Bilder. An ihrer Stelle traten im Mittelalter Bilder aus dem Leben
und dem Martyrium des heiligen Urban, des ersten Pabstes dieses Namens, dessen Tod zu Rom in der
Mitte des dritten Jahrhunderts erfolgte. Das Mittelfeld an der Hinterwand der Kirche ist mit einem colos-
salen thronenden Christus bemalt, der die ganze Höhe dieses Feldes einnimmt; zu seinen Seiten befinden

*) Livius, üb. IX. **) Plinius, üb. XXXV, cap. X.

Denkmäler der Baukunst. XCIV. Lieferung.
 
Annotationen