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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0333

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Das Flansche Amphitheater oder Colosseum zu Rom.

Der Bau des Flavischen Amphitheaters in Rom wurde unter der Regierung Kaiser Vespasians im
J. 72 nach Chr. begonnen, und nach wenigen Jahren, im J. 78, von seinem Sohn Titus Flavius Vespasianus
vollendet. Sueton ) und eine Medaille, die unter der Regierung des Vespasian geprägt wurde, beweisen
uns dies; wir theilen letztere unsern Lesern auf dem Blatte des Grundrisses des Amphitheaters mit; die-
selbe ist sehr merkwürdig und ist bei der hier mitgetheilten Restauration der Facade benutzt worden.
Dieses Amphitheater war das erste steinerne Roms, wo bis dahin nur hölzerne bestanden hatten; schon
Augustus hatte die Absicht gehabt, ein steinernes Amphitheater zu errichten, aber es war bei dem Vor-
haben geblieben.

Das Flavische Amphitheater liegt in der Tiefe zwischen dem Palatinischen, Coelischen und Esqui-
linischen Hügel, inmitten der Stadt und im Osten von Velia und dem Quartier der Carenen; es ist das
grösste des Alterthums und erhielt wegen seiner ungeheuren Dimensionen den Namen Colosseum. Einige
leiten weniger wahrscheinlich diesen Namen von einer kolossalen Statue des Nero her (in welcher sich
derselbe als Apollo hatte darstellen lassen), die Titus in die Nähe des Amphitheaters versetzt hatte. In
der Geschichte Roms ist dieses Bauwerk durch die Feste, welche die Kaiser darin gaben, sodann aber
auch durch die blutigen Hinrichtungen der Christen berühmt geworden. Es stand bis zum Jahre 217 un-
versehrt, wo es am Tage des Vulcanfestes (den 23. August) vom Blitz getroffen gänzlich ausbrannte.'"')

Der Grundriss hat die für die Amphitheater gebräuchliche Form, nämlich die elliptische; die grosse
Axe AB hat 200 Metres (636 Rheinl. Fuss) Länge, die kleine CD 167 Metres (531 Rheinl. Fuss>***)
Achtzig auf den Umring gleich vertheilte Arcaden führen in zwei zu ebener Erde im äusseren Theile des
Baues neben einander concentriseh laufende Gallerieen; aus der zweiten derselben gelangte man durch
viele gegen das Centrum gerichtete Gänge in zwei andere ebenfalls concentrische Gallerieen, die in der
Mitte und an dem inneren Umring des Bauwerks liegen und zu den vornehmsten Plätzen des Amphi-
theaters führten, zu denen des Podiums, das für die Senatoren, die Vestalen und Gesandten etc. bestimmt
war, und zu der unmittelbar hinter dem Podium gelegenen Abtheilung, welche die Plätze für die Ritter ent-
hielt. Das Podium wurde durch zwölf Treppen, die in der dicken Mauer zunächst dem Podium lagen,
die Abtheilung der Ritter aber auf sechszehn Treppen erstiegen, welche sich zwischen den Mauern der auf
das Centrum gerichteten Gänge befanden. Ausserdem gelangten diejenigen, die sich schon in den Gallerieen
des zweiten Stockwerks befänden, wenige Stufen aus dem Corridor F hinaufsteigend, durch sechszehn
Vomitorien oder Eingänge auf die obere Praecinctio oder den oberen Gang dieser zweiten Abtheilung.
Dieser Gang, der im griechischen Theatergebäude Diazoma, im römischen praecinctio genannt wurde, ist
eigentlich weiter nichts als eine breitere Sitzstufe, breit genug, um ausser dem Platz für die sitzenden
Zuschauer auch noch Raum für einen Umgang zu gewähren, der wesentlich zur freieren Bewegung der
Zuschauer beim Aufsuchen ihrer Plätze beitrug und die verschiedenen Rangabtheilungen des Publikums
abscheiden half. Die dritte Abtheilung war für die gewöhnlichen Bürger bestimmt und wurde auf Treppen
erstiegen, die unter derselben lagen und in die äusseren Gallerieen ausmündeten. Die Freigelassenen, die
Sklaven und die Weiber der niedrigsten Klasse wurden nach einem Decrete des Augustus auf die oberste
Abtheilung, auf die summa cavea verwiesen, und gelangten dahin auf Nebentreppen, die auf den Gewölben
der Gallerie des zweiten Stockwerks ruhten. (Siehe den Durchschnitt des Amphitheaters und G im Grund-
risse desselben.) In den Axen des Gebäudes waren die Zugänge zu den Ehrentribünen räumlicher ange-
legt; der zu der kaiserlichen Loge (im Grundriss bei E) führte, war an der Facade durch zwei vortretende
Säulen, die einen Giebel trugen, ausgezeichnet. Zwei andere Tribünen, die in der grossen Axe lagen,
und mit Siegeswagen geschmückt waren, waren für den munerarius (nach Sueton), der die Spiele gab, und
für die obrigkeitlichen Personen, die dabei praesidirten, bestimmt.

Alle diese Constructionen, deren Grundriss wir so eben kennen gelernt haben, nahmen einen Raum
von 60 Metres (190g Rh. F.) Breite ein und umgaben im Umkreise die Arena, die für die Spiele und
die Kämpfe bestimmt war. Ihre Form war oval (pvi speciem concludens sagt Cassiodorus); sie wurde von
der inneren Mauer oder dem Podium umschlossen, und hatte ihren Namen von dem Sande (arena), den
aethiopische Sklaven vor dem Schauspiel dort ausbreiteten. Unter der Arena befanden sich noch zahl-

*) c. 23. item (fecit) Amphitheatrum urbe media, ut destinasse compererat Augustum.
**) Dio Cassins.
*'*) Nach anderen Messungen misst die grosse Axe des ganzen Colosseums 020 Fuss 9 Zoll und die kleine 515 F.7 Z. Rheinl.,
die grosse Axe der Arena aber 2G0 F. 2 Z. und die kleine 155 F. 2 Z. Der Flächeninhalt der Arena beträgt 33,853
Quadratfuss und der des Zuschauerraumes 160,901 Q. F. Rheinl. L. L.

Denkmäler der Baukunst. LX1. Lieferung.
 
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