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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0349

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Amphitheater zu IVlmes.

(Der Text nach Alb. Lenoir, Mitglied des Comite für Künste und Denkmäler.)

Unter allen Colonieen, die Rom auf dem Boden Galliens gründete, hat Nimes am besten seine antike
Gestalt bewahrt. Noch stehen daselbst die alten Ilauptthore und ein Theil der Mauereinfassung; die
schöne Bauanlage der Bäder und der Tempel der Diana, in der Nähe der reichlich strömenden Quelle,
welche zur Gründung der Stadt Anlass gab; der „grosse Thurm", der sich über die Felspartieen erhebt,
in welchen die grossen Wasserbehältnisse angelegt sind, denen der Aquädukt du Gard das Wasser zuführte;
die sogenannte Maison-Carröe, ein Tempel, der wegen seiner Zierlichkeit und seiner guten Erhaltung auf
so lebhafte Bewunderung Anspruch hat; endlich das Amphitheater, das allein schon hinreichen würde, die
Stadt, deren Zierde es bildet, berühmt zu machen.

Wir wenden uns zu der näheren Betrachtung dieses letzteren Denkmales. Es hat nicht die grossen
Dimensionen des Colosseums zu Korn oder der Amphitheater von Verona und Capua; dennoch ist es
wegen seines ernsten, dem Zwecke des Gebäudes so wohl angemessenen Styles, wegen der schönen Ein-
theilung des Ganzen, wegen der wunderbaren Erhaltung alles dessen, was, bis zu den geringsten Einzel-
heiten hinab, zu seinem Verständniss dient, eins der wichtigsten Bauwerke ebenso für die Geschichte der
Kunst, wie für das Studium der Gebräuche, denen es gewidmet war.

Dem Fragment einer Inschrift zufolge, die sich in dem Umkreise des Amphitheaters vorgefunden hat,
würde die Bauzeit desselben in die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung fallen.
Zugleich aber genügt schon der blosse Anblick des Gebäudes, um dasselbe der glänzendsten Epoche der
römischen Kunst mit Sicherheit zuzuschreiben.

Der Grundplan ist elliptisch. (S. das Blatt der Details, Fig. 1); die grosse Axe misst 133 Metres
38 Centimetres (410! Fuss), die kleine 101 M. 40 C. (312 F.). Der eigentliche Körper des Gebäudes,
31 M. 53 C. (97 F.) tief, enthält fünf weite Gallerieen, Wasserleitungen, zahlreiche Säle und 162 Haupt-
treppen, welche zu 35 Stufenreihen führen; die letzteren fallen gegen die Arena hin ab, den leeren ellipti-
schen Raum in der Mitte des Gebäudes, der für die Spiele und Kämpfe frei gelassen ist. Die Gesammt-
höhe des Denkmales beträgt 21 M. 32 C. (65^ F.). Es ist in zwei Geschosse getheilt; das untere besteht
aus 60 Arkaden, welche durch viereckige Wandpfeiler oder Pilaster von einander getrennt werden, das
obere aus ebensoviel OefFhungen, zwischen denen dorische Halbsäulen auf Piedestalen angebracht sind.
Eine Attika krönt das obere Geschoss; an ihrem oberen Saume sind 120 vorspringende und mit runden
Löchern senkrecht durchbohrte Consolen angebracht, über deren Bestimmung weiter unten gesprochen wer-
den soll.

Die Arkaden AB CD (Bl. der Details, Fig. 1), die auf den Endpunkten der Durchmesser der Ellipse
liegen, sind eine jede um 65 C (2 F.) breiter als die übrigen; sie führen bis zur Arena. Die beiden
Arkaden auf der grossen Axe, die sich innerhalb eines um 30 C (11 Zoll) vorspringenden Vorbaues öffnen,
dienten den Fechtern und den Thieren zum Eingange. Das Thor, welches auf der kleinen Axe nordwärts,
gegen die Stadt hin, belegen ist, wird durch zwei, in starkem Relief gearbeitete Stierbüsten bekrönt, die
eine Art Wappen der Colonie gebildet zu haben scheinen, da man sie auch an dem Hauptthor der Stadt
wiederfindet. Diese Verzierung, die sich zugleich am zweiten Geschosse des Gebäudes wiederholt, be-
zeichnete den Eingang, der ausschliesslich für die, den Kaiser vertretenden Regierungsbeamten bestimmt war.

Die äussere Gallerie des Erdgeschosses, von der wir eine Darstellung geben,*) ist im Halbkreise
überwölbt, mit starken, von Consolen getragenen Gurtbögen. Durch dreissig Corridore steht die äussere
mit einer inneren, parallel laufenden Gallerie in Verbindung, von der aus man zu den sämmtlichen Logen
der vornehmsten Bürger der Stadt gelangt, die sich über den ersten, aus vier Stufen bestehenden Abschnitt
der Sitzreihen erstrecken. Diese Logen sind von einander durch Steinplatten getrennt; an der Brüstungs-
mauer unter ihnen waren die Namen der Familien oder der Corporationen, denen sie gehörten, sowie die
Anzahl der für dieselben bestimmten Plätze aufgezeichnet. Man hat mehrere von diesen Inschriften vor-
gefunden. Die eben genannte Brüstung diente zugleich zur Bekrönung des Podiums, einer aus grossen
Ouadern sorgfältig construirten Mauer von 2 M. 69 C. (8^ F.) Höhe, die sich rings um die Arena umherzog
und die Zuschauer von den Kämpfern trennte. Vier Pforten durchbrachen das Podium auf den vier Car-
dinalpunkten; an der auf der Nordseite, von der wir eine Ansicht in ihrem gegenwärtigen Zustande geben, ')
sieht man, bei ihrer theilweisen Zerstörung, die kleinen Treppen, auf denen die obersten Beamten der

*) S. die Darstellung znr Linken auf dem Bl. „Theil des Podiums und Ansicht der Gallerieen".
") S. das vorgenannte Blatt, die untere Darstellung zur Rechten.
Penkmiiler der Baukunst. XXV IT. Lieferung.
 
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