Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0012
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Munster Unser lieben Frauen zu Basel.

(Der Text von Ludwig Lohde, Architect und Lehrer am Kö'nigl. Gewerbe-Institut in Berlin.)

Es ist nur höchst wenig Urkundliches zur Geschichte des Baseler Münsters uns erhalten worden; ein
Erdbeben, das im Jahre 1356 einen grossen Theil Basels und auch des Münsters zerstörte, hat auch die
schriftlichen Zeugnisse vernichtet, die wir sonst gewiss über das Alter dieses Bauwerks gehabt hätten.
Gewöhnlich wird dasselbe in eine zu frühe Zeit, in den Anfang des elften Jahrhunderts versetzt. Nach
einer allgemein angenommenen Meinung nämlich wird Kaiser Heinrich II (der Heilige) als Erbauer dieser
Kirche genannt.*) Aber noch früher soll schon an derselben Stelle eine Kirche gestanden haben,
deren Gründung die Sage auf Heinrich I zurückführt, an der aber hier nicht zu denken ist. Diese frühere
Kirche wurde durch die Ungarn zerstört und blieb lange Zeit in Verfall: „per multä tempora per infideles
destructa et desolata", wie es in einem Briefe des Bischofs Senno von Münsingen vom Jahre 1350
heisst, worin dieser dazu auffordert, dass der Tag Heinrichs festlich begangen und in die Kalender
als ein Festtag eingeschrieben werden solle. In diesem Briefe, der die älteste bis jetzt bekannte Urkunde
für die Baugeschichte unseres Münsters abgiebt, heisst es von Heinrich II: „ecclesiam nostram Basileen-
sem — — suis piis auxiliis, interventionibus et patrociniis restauravit."''•') Ein bestimmtes Jahr der Er-
bauung nennt eine Fensterscheibe, die Bischof Friedrich zu Bhin (f 1436) in der Mainz Alspelt Kapelle
des Baseler Münsters aufstellen liess, sie trägt die Inschrift: „S. Henricus imperator restaurator huius
ecclesiae sub anno 1006."***) Bischof Senno sagt vom Kaiser Heinrich II: „restauravit,^ jene Fenster-
scheibe nennt ihn „restaurator huius ecclesiae," und im Jahre 1494 erhielt die sogenannte Kaiser Hein-
richs-Glocke des Münsters die Aufschrift: „ecclesiam hanc reparas caesar Henrice ruentem," Alles Beweise
wenigstens dafür, dass in alter Zeit die Kirche als schon vor Heinrich II bestehend angenommen wurde.
Aber abgesehen davon, dass ecclesia im Latein des Mittelalters nicht Mos Kirche, das Gotteshaus im
engeren Sinne, sondern auch das ganze Bisthum bedeutet, und dass damals Basel nicht zu Deutschland
sondern zu Burgund gehörte, so sprechen doch auch andere Gründe, die aus einem vergleichenden
Studium der mittelalterlichen Bauwerke gewonnen werden, dagegen, dass wir den Baseler Münster
in seiner jetzigen Gestalt als ein Bauwerk aus der Zeit Kaiser Heinrichs II anzusehen hätten.
Diese Gründe werden durch die Nachricht von zwei bedeutenden Unglücksfällen unterstützt, die der
Münster in der Mitte des dreizehnten und des vierzehnten Jahrhunderts erlitt. Aus dem Jahre 1257 haben
wir eine Notiz, dass ein grosser Brand mehrere Kirchen und auch den Münster Basels stark beschädigte,
und im Jahre 1356 hatte das schon Eingangs erwähnte Erdbeben statt, das einen Theil des Münsters ein-
stürzen machte, bei dem leider auch die Haupturkunden über den Münsterbau verloren gingen, so dass von
der Erbauungszeit der Haupttheile des Gebäudes auch nicht Eine Nachricht auf uns gekommen ist.****)
Nur dass in den Jahren 1300, 1308, 1323, 1330 und 1346 verschiedene Kapellen und Altäre gestiftet
wurden, ist uns überliefert. Nach dem Erdbeben vom J. 1356 wurde die Kirche durch den Bischof Johann
Senno von Münsingen mit grossem Eifer wieder hergestellt, so dass sie im J. 1363 von Neuem eingeweiht
werden konnte. Man kann mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sie einer bedeutenden Restau-

*) Ochs nennt in seiner Geschichte der Stadt Basel das Jahr 1019 als das der Einweihung der Kirche, die Baseler Chronik
als'Quelle dafür angebend, die aber ein Werk späterer Zeiten ist. Bei dieser Einweihung soll der Kaiser Heinrich II zuge-
gen gewesen sein. Wenn das letztere der Fall war, was man vielleicht nur darum voraussetzt, weil Heinrich II als der
Gründer oder Wiederhersteller des Münsters genannt wird, so kann die Einweihung desselben nicht im Jahre 1010 statt
gefunden haben, da sich historisch nachweisen lässt, dass der Kaiser während dieses ganzen Jahres fern von Basel war.

* *) Kaiser Heinrich II machte auch der Kirche und dem Bisthum noch andere reiche Geschenke, wofür er von dem dama-
ligen Bischöfe Adalbert sehr belobt wurde. Von ihm rührte auch die goldene Altartafel her, die seitdem grosse Berühmt-
heit erlangt hat. Es ist eine hölzerne Tafel mit geschlagenem Golde überzogen. Christus ist in der Mitte derselben
dargestellt, vor ihm knieen Heinrich II und seine Gemahlin Kunigunde. Das Ganze umgeben die vier Erzengel und der
heilige Benedict; der Letztere vielleicht deshalb, weil der damalige Pabst Benedictus VIII war.

Diese Altartafel kam nach der Trennung des Cantons Basel in Basel-Stadt und Landschaft an letztere, die sie ver-
äussert haben soll. Wir wissen nicht wohin sie gekommen.

***) Wurstisen, der nicht lange nach der Beformation die Kirche mit grossem Fleiss untersucht und beschrieben hat, setzt

wahrscheinlich durch diese Inschrift geleitet, den Anfang des Münsterbaues in das Jahr 1006.
'**'*) Das Rathsbuch von 1357 hebt also an: „Dies Buch ist angefangen Anno Domini 1357 um St. Martins Tag, als der Ert-
bidem davor eyn Jahre, auf St. Lucas Tag, gewesen und die Stadt Basel verfallen, verbrannt und um alle ir Buche und
Briefe kommen was." Und weiter heisst es in diesem Buche: „Man sol wissen, dass diese Stat von dem Erdpidem
zerstöret und zerbrochen wart, und beleih enhein (keine) Küche, Turne, noch steinin Hus weder in der Stat noch in den
Vorstetten ganz, und wurden grösselich zerstöret." (Geschichte der Stadt und Landschaft Basel von P. Ochs. II. Band,
Iste Abtheilung pag. 98.)

Denkmäler der Baukunst. XXXVII. Lieferung, a.
 
Annotationen