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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0050
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Der Münster von Freiburg im Breisgan.

(Der Text von Dr. F. Kugler, Professor an der Königl. Akademie der Künste zu Berlin.)

Die Stadt Freiburg, welche in dem schönen Breisgau (im jetzigen Grossherzogthum Baden), vor den
westlichen Abhängen des Schwarzwaldes liegt, besitzt in ihrem Münster eins der edelsten1 und grossartig-
sten Denkmäler des Mittelalters. Das Gebäude ist, seinen Haupttheilen nach, in den Formen des gothischen
Styles ausgeführt; das Material ist rother, tiefgebräunter Sandstein, der an den Kirchenbauten der oberrheinischen
Gegenden oft gefunden wird und im Gegensatz gegen das frische Grün der umgebenden Natur eine so
energische Wirkung hervorbringt. Ein mächtiger Thurm ragt vor der Mitte der Schauseite in die Lüfte
empor, dem Blicke des AVandrers schon aus der Ferne einen festen Zielpunkt darbietend, dem Anwohner,
dessen Auge an den schlanken Formen, an dem reichen, stets leichter und luftiger sich gestaltenden Geäste
der Spitze aufwärts steigt, eine stete Mahnung, Gemüth und Sinne himmelwärts zu erheben. An den
Thurm lehnt sich das hohe Schiff mit seinen breiten Nebenhallen; auf dieses folgt ein alterthümliches
Oueerschiff, und auf letzteres der weitgedehnte Chor, in luftigen, eleganten, zum Theil spielenden Formen.
Die Thätigkeit einer Reihe von Jahrhunderten hat sich vereint, um ein Ganzes von so ehrwürdiger wie
rhythmisch belebter Erscheinung zusammen zu fügen. Einigen Theilen, die noch in der Form des spät-
romanischen Styles ausgeführt sind, einigen andern, die das Gepräge des noch unentwickelten frühgothischen
Styles tragen, schliesst sich auf der einen Seite die lauterste Entfaltung, auf der andern eine schon spie-
lende Umbildung des gothischen Styles an. Doch sind die Meister der verschiedenen Bauepochen durch
ein glückliches Gefühl angetrieben worden, stets die Rücksicht auf die Einheit des Ganzen im Auge zu
behalten. Die Unterschiede in der Bildung des Einzelnen heben diesen Eindruck der Totalität nicht auf;
sie dienen vielmehr, dem Auge des Beschauers durch die Abwechselung, welche sie darbieten, einen eigen-
tümlichen Reiz zu gewähren.

Für die nähere Betrachtung des Gebäudes ist es jedoch vortheilhaft, zunächst von dem Einzelnen
auszugehen. Indem wir den Bau in seinen geschichtlichen Stadien verfolgen, sehen wir .ihn vor unsern
Augen aufs Neue emporwachsen, verstehen wir es deutlicher, wie das eine Verhältniss aus dem andern
hervorgehen musste. In der That ist solche Betrachtungsweise nicht blos dem Verständniss dieses Bau-
werkes und seiner Theile förderlich; auch für die Entwicklungsgeschichte der gothischen Baukunst im
Allgemeinen gewinnen wir dadurch einige willkommene Anknüpfungspunkte.

Die Stadt Freiburg wurde im Anfange des zwölften Jahrhunderts gebaut. Wohl ausgerüstet, erhielt
sie ohne Zweifel auch damals schon das kirchliche Gebäude, dessen sie zur Ausübung des Gottesdienstes
bedurfte. Die Sage schreibt dem Herzoge Conrad von Zähringen, der von 1122 bis 1152 regierte, die
Erbauung des Münsters zu. Neuere Forscher, denen das jüngere Alter des gothischen Baustyles nicht
unbekannt war, haben die Bauthätigkeit des genannten Herzogs auf den ältesten Theil des vorhandenen
Münstergebäudes, auf das Oueerschiff, eingeschränkt. Doch muss auch für dieses eine spätere Zeit in
Anspruch genommen werden; die Hauptformen seiner Anlage, und mehr noch die Art und Weise, in
welcher hier die Details gebildet sind, tragen entschieden das Gepräge der Spätzeit des romanischen Styles,
d. h. des Anfanges des dreizehnten Jahrhunderts, wie in solcher Art eine bedeutende Anzahl gleichzeitiger
Gebäude spätromanischen Styles am Niederrhein vorhanden ist*). Im Innern, in der Mitte des Oueer-
schiffes, sind vier starke, reichlich mit Halbsäulen gegliederte Pfeiler durch starke spitzbogige Schwibbogen
verbunden, über denen sich eine achtseitige Kuppel emporwölbt. Im Aeusseren ist diese Kuppel nicht
bemerkbar, da sie durch das spätere Dach verdeckt wird. An der edeln Dekoration der Giebel des
Oueerschiffes herrscht die Form des Rundbogens vor; die Details, besonders die der Thür auf der Südseite,
sind hier in eleganter romanischer Weise gebildet. An das Oueerschiff schliessen sich auf der Chorseite,
und zwar über den Seitenschiffen, ein Paar kleine Thürme an, die in ihrem Haupttheile ebenfalls noch die

*) ■ Wenn man als Beweis für das frühere Alter des Münsters, oder wenigstens seiner ältesten Theile, den Umstand anführt,
dass in ihm bereits im J. 1146 der h. Bernhard das Kreuz gepredigt habe, so kann sich dies sehr füglich auch auf ein
Gebäude oder auf Bautheile beziehen, von denen Nichts mehr vorhanden ist. Vielleicht war ursprünglich, wie das so oft
vorkommt, nur der Chor gebaut, dem erst in der angenommenen späteren Zeit, im Anfange des 13. Jahrhunderts, das
QueerschifF als Fortsetzung des Baues hinzugefügt wurde. Wenigstens liegt es in den Bedürfnissen des kirchlichen Gottes-
dienstes, dass bis zu dem sehr späten Bau des gegenwärtigen Chores ein älterer vorhanden sein musste. — Dann wird
als Beweis für den frühen Beginn der ältesten gothischen Theile des Münsters der Umstand hervorgehoben, dass sich dort
bereits das Grabmonument des im J. 1218 verstorbenen Herzogs Berthold V. vorfindet. Man hat dabei aber ganz über-
sehen, dass die Figur des Herzogs auf diesem Monumente ein Kostüm trägt, welches der späteren Zeit des 14. Jahr-
hunderts angehört, dass das Monument mithin erst lange Zeit nach seinem Tode gefertigt ist.
Denkmäler der Baukunst. XII. Lieferung.
 
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