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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0111
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Die Grahmäler des Richard Carrew und des Thomas Tropeneil.

Die Grabdenkmäler des Spitzbogenstyls lassen sich nach ihrer Hauptgestalt in verschiedene Klassen
eintheilen; es sind entweder blosse Sarkophage, auf deren Deckplatte häufig die Gestalt des Verstorbenen
in liegender Stellung durch Sculptur, entweder im Relief oder in runder Figur, oder auch wohl durch
Gravirung auf einer Bronze- oder Messingplatte dargestellt ist, oder diese Sarkophage sind mit einer
Architectur verbunden und entweder in einem freistehenden Tabernakel oder in einer Wandnische auf-
gestellt, in welchem letzteren Falle das Grabdenkmal zu einem monumentum arcuatum wird. Wir sprechen
hier nur von den Hauptklassen der Gräberarchitectur des Mittelalters, denn wollten wir die Formen der
Grabdenkmäler erschöpfend behandeln, so müssten wir noch die Grabsteine und Grabplatten mit und ohne
Inschriften, mit und ohne Verzierungen und Figuren hinzurechnen; wir müssten dann weiter auf die
Materialien, aus der sie gebildet, ob aus Stein, Metall oder Holz, und auf ihren Kunstwerth eingehen,
und ob sie nur an einzelnen Theilen oder ob sie ganz gefärbt seien. Aber das Alles würde uns hier
zu weit führen.

Unter den verschiedenen Arten von Grabmonumenten, die zusammen das bilden, was man die Gräber-
architectur nennen kann, haben die Künstler der letzten Periode des Mittelalters besonders zwei Motive
ausgebildet, den Sarkophag und die Grabnische. Beide sind dem Alterthum entlehnt; wem fielen nicht
bei der letzten die ursprüngliche Anordnung der monumenta arcuata des Alterthums oder der Katakomben ein,
wo der steinerne Sarg in einer Aushöhlung der Wand der Katakomben oder in einer Nische aufgestellt
ist, um die Breite des an sich schmalen Ganges der Katakombe nicht durch die Aufstellung des Sarges
zu beeinträchtigen? Dieser Sarg war aber in seiner schlichtesten Gestalt wie ein länglicher rechtwinkliger
Kasten gebildet, der mit einer Platte als Deckel verschlossen werden konnte und von seiner Bestimmung,
die irdischen Ueberreste des Verstorbenen aufzunehmen, den Namen Sarkophag erhielt. Die romanische
Kunst, die sich aus der antik-römischen entwickelte, hatte aus dieser den Sarkophag und die Grabnische
als Form des Grabdenkmals übernommen, und der Erbe des romanischen Styls, der Spitzbogenstyl
übernahm sie wieder als durch ihr Alter sanctionirte Form eines Grabdenkmals. Obwohl nun das äussere
Ansehen, die Kunstformen des Grabmals sich veränderten, so blieb doch der ursprüngliche Gedanke, das
Motiv, das für den Verständigen durch jede noch so sehr veränderte Kunstform hindurchscheint.

In den beiden von uns mitgetheilten und England entnommenen Beispielen von Grabmonumenten
werden beide genannten Motive, der Sarkophag und die Grabnische erkannt werden.

Das erste wurde im Anfange des XVI Jahrhunderts in der Kirche zu Beddington zum Andenken Richard
Carrew's errichtet^ der eine sehr wichtige Person unter Heinrich dem Siebenten und Achten war. Die Compo-
sition dieses Grabmonumentes erinnert sogleich an das monumentum arcuatum, das in dieser Zeit ganz gewöhnlich
eine Art Wandnische ist, in der ein Sarkophag aufgestellt worden, auf dessen Deckel die Statue des Ver-
storbenen in liegender Stellung sich befindet. Oft findet sich die Architectur der Grabnische, der Sarkophag
und auch die Statue des Verstorbenen mit bunten und in den natürlichen Farben bemalt.

Das zweite Grabmal — der Sarkophag Thomas Tropenell's zu Corsham — ist ausser seiner streng
traditionellen Form auch noch in der Hinsicht merkwürdig, dass er als Altar zum Messelesen diente, und
also zu der Klasse von Grabmonumenten gehört, die die Engländer mit dem Namen Altar-tomb bezeichnen,
um an die altchristliche Sitte zu erinnern, nach der die Sarkophage der Märtyrer in den Katakomben und
in einigen alten Basiliken in Rom zugleich als Altäre dienten."') — Der Sarkophag Tropenell's war
ursprünglich reich bemalt und vergoldet, wovon sich heute nur noch einige wenige Spuren erhalten haben.

*) AVir erinnern bei dieser Gelegenheit an das Wort eines alten Kirchenschriftstellers: ,,Die Tempel der Christen sind die
Gräber der Märtyrer." L. L.

Literatur.

Pugin, A., Exemples of gothic arcbitecture selected from various antient edificesin England, etc.; accompanied by bistorical and discriptive accounts, London, 1838.
3 Bde. 4. Mit Kupfern.

Denkmäler der Baukunst. CXXXXIX. Lieferung.
 
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