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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0204
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Der Pallast Foscari zn Venedig.

(Der Text nach Ernest Breton, Mitglied der archäologischen Gesellschaft von Frankreich.)

Unter den alten Pallästen, welche den grossen Canal in Venedig einfassen, sind wenige, die durch
die Erhabenheit ihrer Architektur und die grossen Erinnerungen, die sich an sie knüpfen, dem Pallast Foscari
den Rang streitig machen können. Er zeigt nicht gerade den Aufwand von architektonischen Formen wie
die ihm benachbarten Gebäude: seine alten Mauern haben Risse und verfallen; die Thür ist zertrümmert
und die Stufen seiner Treppen, einst von dem Adel Venedigs, von dem Fuss so vieler Könige betreten,
sie sind jetzt verlassen und von den adriatischen Wellen bespült; — aber ein Held hat in diesem Pallast
gelebt, einer der ausgezeichnetsten Dogen, deren sich Venedig rühmen kann; und sein Gedächtniss haftet
noch an dieser ehrwürdigen Ruine, diesen letzten Ueberbleibseln gesunkener Macht und Grösse.

Francesco Foscari, oder Foscarini, im Jahr 1415 zum Procurator von San Marco zu Venedig ernannt,
ward im 3. 1423, nach dem Tode des Thomas Mocenigo, zum Dogen gewählt. Seine Wahl ward durch
einen Umstand bezeichnet, der als der letzte Schlag, den die Volksmacht erfuhr, und als die endliche
Sanction der patricischen Allgewalt angesehen werden kann. Wenn ein Doge ernannt worden, so ver-
kündigte sonst der älteste Senator seine Wahl dem Volke mit den Worten: „Wir stellen euch als Dogen
den Procurator N. dar; gefällt es euch, ihn zu genehmigen?" Jetzt, als Einer aus der Signorie fragte,
was man wohl thun würde, wenn das Volk verneinend antworte, veränderte man die Formel, und sagte
bloss: „Wir haben zum Dogen den Procurator Foscari gewählt; ihr werdet ihn fortan als euren Fürsten
erkennen!" Das Volk achtete nicht auf diesen Verlust des einzigen Rechtes, das ihm noch übrig ge-
blieben, vielleicht weil dies Mal die Wahl wirklich auf den Würdigsten gefallen war. Die Regierung Foscari's
war eine der ruhmvollsten für die Republik; seine Waffen schlugen die Türken in die Flucht, nahmen
Bergamo, Brescia dem Herzoge von Mailand, Ravenna u. s. w. Bei seinen Eroberungen und kriegerischen
Erfolgen sorgte jedoch Foscari auch für innere Verbesserungen; unter ihm wurden mehr als dreissig jener
öffentlichen Cisternen erbaut, die für Venedig so wichtig sind. Zur Vergeltung für so viele dem Staate
geleisteten Dienste sollte der bitterste Verdruss, der empfindlichste Kummer das Alter des unglücklichen
Foscari bestürmen. Schon hatte er den Kopf des unglücklichen Carmagnola fallen sehen: alle seine Be-
mühungen hatten denselben nicht retten können; bekümmert über seine Ohnmacht, ergriff er im folgenden
Jahre einen leichten Vorwand, um seine Abdankung anzubieten, die zum Unglück für ihn nicht angenommen
wurde. Francesco Foscari war seit 34 Jahren Doge, als sein Sohn Jacob unter verschiedenen Vorwänden
der Tortur unterworfen und darauf verbannt wurde. Der Doge musste der Versammlung präsidiren, in der
die Staatsinquisitoren das Unheil aussprachen. Es war, wie man sagt, eine Rache des Admirals Pietro
Loredano, der es dem Foscari nicht verzeihen konnte, dass er über ihn die Dogenwürde davon getragen
hatte. Als ein Mitglied des Rathes der Zehen, Marco Loredano, ermordet wurde, ward Giacomo Foscari
auch noch dieses Verbrechens angeklagt; er war in der Verbannung und ausser Stande, dasselbe ausführen
zu lassen, dennoch ward er aufs neue verfolgt. Man entdeckte bald darauf den wirklichen Urheber des
Verbrechens, einen unbekannten Dieb, Niccolo Strecco; aber es war zu spät: Jacob war im Gefängniss
gestorben. Damit sollte jedoch das Unglück des Vaters nicht enden. Pietro Loredano starb plötzlich.
Man hatte den Dogen in Verdacht, diesen Tod, den er gern sehen musste, befördert zu haben. Giacomo
Loredano, Sohn des Admirals und Neffe des Marco, schrieb in seine Kechnungsbücher den Francesco
Foscari als seinen Schuldner ein „für den Tod seines Vaters und seines Oheims." Drei und achtzig Jahr
war der Doge alt, als seine Feinde, gegen alle Gesetze des Staats, seine Absetzung bewirkten,*) und mit
gesuchter Grausamkeit ward der erbittertste von allen, Giacomo Loredano, damit beauftragt, ihm den Be-
schluss seiner Abdankung zu überbringen. Foscari sagte nichts weiter als: „Ich werde gehorchen," und
Loredano konnte in sein Buch schreiben: ,,1'ha pagata", er hat's bezahlt. Am 30. October 1457 ward
der schwache Pasquale Malipieri als Doge proclamirt, und als der Ton der Glocke von San Marco seine
Wahl verkündigte, fühlte Foscari sein Herz brechen, und starb vor Schmerz. Seit dieser Zeit hat die
Familie Foscari aufgehört eine Rolle in der Geschichte Venedigs zu spielen; von ihrer alten Grösse her-
abgestürzt ist sie immer mehr in Elend versunken, und jetzt soll der letzte Sprössling derselben Italien
mit einer Truppe von Gauklern durchziehen, in welcher er die Rolle des Arlechino spielt.

Der Pallast Foscari gehörte ursprünglich der Familie Giustiniani; Bernardo Giustiniani verkaufte ihn
1428 an den Senat, der ihn dem Markgrafen von Mantua zum Geschenk machte. Als dieser aber in seinen

*) Ein Jahr nachher erklärte der grosse Rath, dass der Rath der Zehen bei dieser Gelegenheit seine Macht überschritten
habe, und es ward letzterem verboten sich in Zukunft das Gericht über den Dogen anzumaassen, ausser im Falle des
Hochverraths.

Denkmäler der Baukunst. XXXVII. Lieferung, b.

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