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Ganz, David
Medien der Offenbarung: Visionsdarstellungen im Mittelalter — Berlin, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.13328#0348
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10 Visionserfahrung als Transformation des Körpers
Die Stigmata des Franziskus

Eine gänzlich „neuartige" und „unerhörte" Begebenheit, der in der Geschichte des
Christentums nichts Gleichwertiges an die Seite zu stellen sei - mit diesen Worten
verkündete Fra Elia von Cortona direkt nach dem Tod des Franziskus die Nachricht
vom Sichtbarwerden der Stigmata am Körper des Verstorbenen.1 Seitdem hat die
Literatur zu Franziskus nicht aufgehört, sich für die Sonderstellung der Wundmale
und der damit verknüpften Vision des Seraph-Christus auf dem Berg La Verna zu in-
teressieren. Die Einzigartigkeit der Stigmatisierung, so wurde daran deutlich, erweist
sich gerade an den zahllosen Überschreibungen und Übermalungen, die sie immer
wieder neu erzählten, konkret vor Augen stellten und mit heilsgeschichtlichem oder
dogmatischem Sinn ausstatteten.2 Nahezu alle Elemente des Visionsgeschehens wur-
den dabei als Variablen behandelt: das Visionsbild (ein Seraph, ein Seraph am Kreuz,
Christus in einem Seraph, Christus mit seraphischen Flügeln usw.), der Modus der
visionären Kommunikation, Zeitpunkt und Schauplatz. Der einzige Fixpunkt, um den
sämtliche Darstellungen rotieren, ist der Körper des Franziskus mit den fünf Wund-
malen, die an seiner Oberfläche zutage treten. Diese Spur der Vision ist in dem ersten
Bericht, der uns über das Ereignis vorliegt, Elias Encyclica de transitu s. Francisci,
wichtiger als die visionäre Erscheinung selbst, die gar nicht erwähnt wird.3 Ähnlich
verfahren verschiedene kulturwissenschaftliche Arbeiten der letzten Jahre, welche
die Stigmata wechselweise als Körper-Bild bzw. Körper-Schrift in den Blick neh-
men.4 Die Wundmale, daran besteht kein Zweifel, lassen den Körper des Franziskus
zu einem vielfältig schillernden „Medium" werden. Doch was bedeutet dies für die
Stigmatisierung als visionäre Offenbarung, wie lässt sich das Ereignis auf dem La
Verna visionsgeschichtlich einordnen, und wie stellen die Bilder, die das Ereignis
schon kurz nach dem Tod erzählen, die Verbindung zwischen den Wundmalen und
der Erscheinung des Seraphs her?
 
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