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Die Gartenkunst — 8.1906

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Rettich, Heinrich: Bericht der vom Stuttgarter Gemeinderat zum Studium neuerer Friedhofanlangen bestellten Komission, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0091

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VIII, 5

DIE GAKTENKUNST

81

Neuzeitliche Friedhöfe.

Bericht der vom Stuttgarter Gemeinderat zum Studium neuerer Friedhofsanlageii

bestellten Kommission.

erstattet von deren JReferenten Gemeinderat Dr Rettich-Stuttgart.*)

Der unterzeichnete Schriftführer der Kommission hatte
in seinem an die bürgerlichen Kollegien erstatteten und
durch den Druck vervielfältigton „Bericht, betreffend den
Siidfriedh'of", vom März 1902 nachstehende Anträge ge-
stellt:

1. Das Projekt eines kleinen Friedhofs im Eier-
nest endgültig aufzugeben.

2. Sich prinzipiell mit dem Projekt eines Haupt-
friedhofs einverstanden zu erklären.

3. Eine aus Mitgliedern der Bauabteilung und
der Friedhofabteilung zu bildende Kommis-
sion zu bestellen zur Prüfung der Frage, ob
dieser Friedhof ganz oder teilweise als Wald-
friedhof einzurichten sei.

4. Diese Kommission zu einer Studienreise zur
Besichtigung der im Heferat angeführten
Park- und Waldfriedhöfe, sowie zur Kennt-
nisnahme des Betriebs in denselben zu er-
mächtigen.

Durch Beschlufs des Gemeinderats vom 23. -Juli v. Ts.
wurde die Kommission bestellt und in dieselbe die Herren
Dr. Bauer, Häufser, Dr. Schickler, Vöhringer, so-
wie der Referent, Gemeinderat Dr. Rettich gewählt. In
Aussicht genommen wurde auf Vorschlag des letzteren
der Besuch der Friedhöfe in München, Kiel, Hamburg,
Bremen, Düsseldorf, Elberfeld, Wiesbaden. Em-
pfohlen wurde denjenigen Herren, welche die Dresdener
Städteausstellung zu besuchen gedächten, aufserdem auch
der Friedhof in Weimar, Von diesem war, soweit es
sich um eine projektierte Erweiterung handelte, in Dresden
ein Modell samt Plänen ausgestellt, während von dem
älteren Teil bekannt ist, dals er im Laufe der Jahrzehnte
ohne besondere, auf ein solches Endziel hingehende Pflege
sich zu einer ausgedehnten, durch schattige Bäume und
Huschwerk ausgezeichneten parkartigen Anlage nach Art
unseres Hoppenlaufriedhofs ausgewachsen hat. Im übrigen
zeigt er in Anlage und Betrieb nichts, was besonders
nachahmenswert wäre; der neuere, terrassenförmig an-

•) Der nachfolgende Bericht der Stuttgarter Kommission
zum Studium auswärtiger Friedhöfe wurde mir im Dienstwege
bekannt. Sein Inhalt erschien mir nicht nur wegen seinen
interessanten Ausführungen über den behandelten Gegenstand,
sondorn auch ganz allgemein im Hinblick auf die gegenwärtige
Bewegung auf dem Gebiete der künstlerischen Gartengestaltung
so bedeutsam, dals ich mich bemühte die Genehmigung zur
Veröffentlichung zu erlangen. Für die Erteilung desselben sei
auch an dieser Stelle dem Verfasser des Berichtes, Herrn Ge-
meinderat Dr. Rettich bestens gedankt. Heicke.

zulegende Teil ist erst projektiert, in Wirklichkeit aber
noch nicht vorhanden.

Von Kommissions wegen wurden nur die erstge-
nannten Friedhöfe besucht, und zwar in einer ersten
Roisetour die Münchener Friedhöfe und in einer zweiten
diejenigen der oben angeführten norddeutschen Städte.

In München hatte man vor einiger Zeit gleichfalls
eine l\eisekommission zur Besichtigung verschiedener Fried-
höfe bestellt und auf deren Bericht hin beschlossen, den
notwendig gewordenen neuen Friedhof als Waldfriedhof
anzulegen. Das hierfür in Aussicht genommene Terrain
und etwaige bereits geschehene Vorbereitungsarbeiten zu
besichtigen, war der hauptsächlichste Zweck, der unsere
Kommission nach München führte. Dieses Terrain zeigte
sich als ein Tannonhochwald mit eingestreuten gröfseren
und kleineren Lichtungen, von durchaus ebener Lage und
unbegrenzter Ausdehnungsfähigkeit. Der Untergrund be-
steht überall aus einer dünnen Humusdecke mit darunter-
liegendem gröberen oder feineren Kies bis zu beträcht-
licher Tiefe. Der Verwosungsprozefs vollzieht sich in
diesem Kiesbett unter günstigen Bedingungen. Aufser-
dem ermöglicht der Kiesgrund eine überaus bequeme Aus-
schachtung der Gräber. Was die Anlage im Walde selbst
betrifft, so wiesen die beiden uns führenden Magistrats-
referenten mit Recht auf die forstlichen Bodenken gegen
eine allzuweitgreifende und nicht mit aller Vorsicht durch-
geführte Ausrodung hin. Nur von Anfang an frei go-
pflanzto Einzolständor oder Baumgruppen gewöhnten sich
allmählich an Wind- und Sturmdruck, während Überstände
aus einem seither geschlossenen Waldbestand leicht dem
Windwarf ausgesetzt seien, was unter Umständen schwere
Beschädigungen der Gräber zur Folge haben könne. Es
sei daher keineswegs angängig, bei der Umwandlung des
Waldes in einen Fried hofpark blofs die augenblicklichen
schönheitlichen bezw. landschaftlichen Rücksichton mafs-
gebend sein zu lassen. Vielmohr müfsten von forstlicher
Seite die einzelnen Bestände genau auf ihre Wurzelständig-
keit geprüft, die herrschende Windrichtung in Acht ge-
nommen und diejenigen Stellen im einzelnen mit aller-
größtster Vorsicht ausgewählt werden, welche ohne gröfsore
Gefahr für das dahinterliegende Gehölz gerodet werden
können. Aufserdem empfehle es sich, überall am Saume
etwaigen Hochwalds für rechtzeitige Anpflanzung von
Windschutz verleihendem Unterholz und Buschwerk Sorge
zu tragen.

Im übrigen ist das Parkmälsigo bei der Anlage
dieses Friedhofs in der Weise projektiert, dafs etwa 70
und im späteren Bedarfsfall etwa 50% der Gesamtfläche

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