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Die Gartenkunst — 8.1906

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Olbrich, Joseph Maria: Projekt für eine Gartenvorstadt am hohlen Weg bei Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0098

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88

DIE GARTENKUNST

VIII, B

Gartenstadtbestrebungen.

Projekt für eine Gartenvorstadt am hohlen Weg1 bei
Darmstadt.

Von Prof. Jos. M. Olbrich, Darmstadt.
(Schluss.)

Seitens der Regierungen in verschiedenen Staaten
ist in neuerer Zeit wiederholt den Städten und grösseren
Landgemeinden nahegelegt worden, sich einer zweckent-
sprechenden Bodenpolitik zu befleifsigen. Dadurch sollte
die vom Staate geplante Wohnungsreform unterstützt
und die Schuldenlast der Gemeinden erträglicher gestaltet
werden. Wohl ist mit der Übertragung solcher Pflichten
und Wünsche an die Gemeinde noch das Gesetz zu schaffen,
das ihnen in der Erfüllung solcher Aufgaben Kraft ver-
leiht, ich meine hiermit die Schaffung eines möglichst
weitgehenden Enteignungsgesetzes. Neben diesem ist
noch ein zweiter Punkt, an welchem der Staat segens-
reich einsetzen kann und der in der Gewährung grösserer
billiger Kredite an die Gemeinden gerade für Zwecke einer
gesunden Bodenpolitik gipfelt. Ich denke hierbei nur an
die Fonds, die von Bürgern und Arbeitern gesammelt
werden und ihnen darum auch in weitgehendster Weise,
soweit nicht durch andere Verwendung beansprucht, zugute
kommen sollten. Das Programm der Sozialpolitik wäre
damit wesentlich gefördert, das „soziale Gewissen" be-
ruhigt.

Diesen Aufgaben und Pflichten von Staat und Stadt
nähert sich auf halbem Wege durch die Erschliefsung des
Geländes am hohlen Weg zu einer Gartenvorstadt die
Selbsthilfe der Bürgerschaft. Die gesamten Besitze werden,
soweit die Eigentümer mit den Beschlüssen des Vor-
standes kongruent gehen, zu einer festen Masse einge-
bracht. Das Umlegeverfahren wird gerade hier die oin-
wandfreiesten Resultate zeitigen. Bevor ich mich mit
dem Bebauungsplane eingehender beschäftige, möchte ich
die Charakteristik der Baulandumlegung etwas ausführ-
licher erläutern. Ein besonderer Erfolg der Umlogung
liegt aufser der Schaffung überall zweckmälsig geformter
Baugrundstücke in der gerechten gleich abgewogenen
Heranziehung aller Grundstücke zur Abgabe des Strafsen-
landes und in der allen in gleicher Weise zuteil werden-
den Bebauungsfälligkeit. Zur Erreichung dieses Haupt-
zieles der Baulandumlegung führen mehrere Wege. Alle
Grundstücke werden zu einer Masse zusammengelegt.
Die Eigentümer sind nach Mafsgabe des Wertes ihrer
eingeworfenen Grundstücke beteiligt. Der Wort wird
ohne Berücksichtigung des neuen Bebauungsplanes fest-
gesetzt. Nach Ausscheidung des Strafsenlandes wird das
übrigbleibende Bauland unter die Eigentümer nach Mafs-
gabe der festgestellten Anteile verteilt. Die Krage, zu
welchem Betrage das Strafsenland an die Gemeinde ab-
getreten werden soll, ist dahin zu erledigen, dafs es in
diesem Ansiedelungsverfahren der Billigkeit entspricht,
entweder sofort oder später bei Ausbau der Strafsen
das Gelände hierzu entschädigungslos abzutreten. Die

weitere Frage, wie die Bewertung der neu anzuweisen-
den Grundstücke vorgenommen werden soll, wird ohne
Schwierigkeiten zu lösen sein. Bei der Bewertung der
alten Grundstücke war der ortsübliche Preis für Garten-
land in der Nähe der Stadt festgesetzt. Es wird gewifs
nicht schwer fallen, im Verhältnisse zu der früheren Be-
wertung den neuen Wert zu berechnen, wobei natürlich
die Entfernungen vom Stadtinneren, die Höhen- oder
Tiefenlagen dos Geländes, die Verschiedenheit des Bau-
grundes, die Lage an Verkehrsmitteln, stark berücksichtigt
werden müssen. WTonn nun als Durchschnittspreis für
den aufgeteilten Quadratmeter Bauland 10 Mark fest-
gesetzt wird, so worden sich Erhöhungen und Ver-
billigungen dieses Preises in Anbetracht der erwähnten Vor-
und Nachteile von selbst orgeben. Selbstredend sind die
neuen Grundstücke des Bebauungsplanes an die Steile der
alten zu legen und werden somit dem gröfseren oder
geringeren früheren Werte entsprechend gerecht verteilt.
Zudem kommt noch eine besondere Freiheit bei dem Ent-
würfe zu einem Bebauungsplane, über deren Vorteile ich
später noch sprechen werde. Neben diesem eben er-
wähnten Umlogoverfahren kann noch ein zweites in An-
wendung kommen, das theoretisch den strengsten Anfor-
derungen eines gerechten Ausgleichs entspricht. Der
Vorgang wäre hierbei der folgende: Nachdem die Werte
der zur Masso eingebrachten Grundstücke festgestellt sind,
werden Anteilscheine auf diese Werte ausgegeben. Nach
Ausscheidung des Strafsenlandes teilt man die Baublöcke
nach dem neuen Bebauungsplan in Bauparzellen von
ortsüblicher, zweckdienlicher Gröfse. Diese Grundstücke
versteigern dann die Beteiligten unter sich. Der Erlös
wird nach Mafsgabe der festgestellten Anteile unter die
Teilnehmer verteilt.

Die mir durch einen Beschlul's des Vorstandes über-
tragene Ausarbeitung eines Bebauungsplanes mül'ste vor
der definitiven Arbeit alle bisher erwähnten Gesichtspunkte
und Anschauungen auslösen. Die Erkenntnis derselben
verdichtete sich während dieser Arbeit zu einem Plane,
wie Sie ihn, meine Herron, auszugsweise in Händen haben.
Die erkennbaren Positivitäten im Plane will ich nun im
folgenden näher erläutern.

Das Baugelände war für meine Arbeit als eine ein-
zige zusammengelegte Landmasse zu betrachten. Weder
alte Bauton noch Baufluchtlinien, weder Besitzgrenzen
noch Sonderanliogen waren also zu beachten. Einzig und
allein war die restlose Erfüllung der Aufgabe, eingehend-
stes Beachten der Natur der höchste Endzweck. Das inten-
sive Studium gerade dieser Landschaft durch Jahre hin-
durch, das völlige Auswendiggelernthaben aller Einzel-
heiten wie der Gosamtorscheinung war die erste Vorarbeit.
Der Gärtner, der Landwirt, der Jäger ist der erste Pionier
der Städtegründung. Instinktiv legt er in das Land
die richtigen Wege, von einem Punkt zum andern, wie sie
ihn eben wirtschaftlich interessieren; er legt seine Grenzen
in dem freien Gefühl, sich Licht und Luft dienstbar zu
machen. Er ordnet die Wässer in ihrem Lauf, erhöht die
Tiefen und ebnet die Höhen. Menschliches Empfinden
ordnet zuerst die freie Natur, und indem sich dieses den
 
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