Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Gartenkunst — 8.1906

DOI Artikel:
Rettich, Heinrich: Bricht der vom Stuttgarter Gemeinderat zum Studium neuerer Friedhofsanlagen bestellten Komission, [2]
DOI Artikel:
Hochstrasser, Albert: Neues oder Altes?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0119

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
108

DIE GAET EN KUNST

vii r, 6

die Kommission einmütig durch ihren Besuch der ge-
nannten nordischen Friedhöfe erhalten. Sie ist keines-
wegs der Ansicht, dafs alles, was sie dort gesehen, nun-
mehr ohne weiteres auf unsere besonderen Vorhältnisse
angewendet werden könne, ja dafs dies in allweg auch
nur wünschenswert sei. Aber sie hat anderseits auch
die Uberzeugung gewonnen, dafs das Streben nach mög-
lichster landschaftlicher Ausschmückung des Friedhofs ein
durchaus zweckmäfsiges, löbliches sei, und dafs unser
Klima und unsere Terrainverhältnisse es in ganz beson-
derem Mal'se angezeigt erscheinen lassen. (Schlufs folgt.)

Zeit- und Sireitfragen.

Neues oder Altes?

Von

Alb. Hochstrafser, Cronberg i. T.

Wenn eine Weiterentwickelung der Gartenkunst auf
gesunder Grundlage vor sich gehen soll, so halte ich eine
Verständigung und Annäherung zwischen ihr und den
Ideen moderner Architekten und Maler, wie Olbrich. Mu-
tbesius, Schultze-Naumburg u. a., für unbedingt notwendig,
und ich bin gleich Heicke der Ansicht, dafs es nicht im
ersten Anlauf gelingen wird, die gegensätzlichen Anschau-
ungen miteinander in Einklang zu bringen; es wird vieler
Geduld, insbesondere aber ernsthaften Studiums dessen,
was man unter der Bezeichnung „moderne Bestrebungen"
zusammenfafst und was eigentlich jene Männer wollen,
bedürfen. Eines sollte man aber von vornherein nicht ver-
kennen, sondern zu würdigen wissen, nämlich dafs die Re-
form/die sich auf alle Kunstgebiete erstreckt und nun auch die
Gartenkunst ergreift, nicht aus dem Auslande herbeigeholt
ist, sondern eine Regung des heimischen Kunsterwachens
bedeutet, deren Wirkung auf das Ausland nicht aus-
bleiben, sondern auch dort Anerkennung rinden wird.

Noch vor etwa 10 Jahren arbeitete man auf dem Ge-
biete der Architektur, wenn es sich um Monumentalbauten
handelte, für die bedeutende Mittel zur Verfügung standen
— ich nenne als Frankfurter Beispiele die Oper, die Frank-
furter Bank, den Providentiabau —, wohl nach Vorbildern aus
der Blütezeit der Renaissance und der klassischen Bau-
stile und es entstanden neben vielen minderwertigen Bauten
auch Schöpfungen, die durch Schönheit und Pracht von
dauernder Bedeutung bleiben werden. Sonst blieb aber
der Mietskasernenbau nach der Schablone des Bauunter-
nehmei'tums vorherrschend. Wie in Prankfurt, so war es
fast ausnahmslos in allen deutschen Städten, die sich aus-
zudehnen oder zu ergänzen das Bedürfnis hatten. Im Be-
streben, Besseres, Schöneres, zu bieten wurde auch auf die
Empire- und Louis XVI.-Zeit zurückgegriffen, ohne wirklich
Befriedigendes zu schaffen, bis allmählich von Wien und
München aus in Verbindung mit englischen Ideen her-
vorragende Meister, die sich von der Schablone frei zu
machen verstanden und unter denen meiner Auffassung
nach Olbrich in der ersten Reihe steht, neue Wege fanden,
um Bauwerke zu schaffen, bei denen das Auge durch wohl-

tuende Formen befriedigt und gleichzeitig in Ausstattung
und Einrichtung den modernen Wohn- und Lebensbedürf-
nissen Rechnung getragen wurde.

Wenn man vor ihnen Landhäuser baute, wollte man sie
in erster Linie der Gegend anpassen. Gewifs hat das seine
Berechtigung, man hielt aber ein rotes Ziegeldach, farbige
Balken, Laden, Veranden für unzulässig, zur Einzäunung
der Gärten wurde Gufs- oder Stabeisen verwendet, ohne
ein oder mehrere Türmchen am Hause ging es nicht.
Ahnlich verhielt es sich mit der Innenausstattung. Nach
und nach kam Besseres zum Durchbruch, der Wert des
Natur- oder gebeizten Holzes, die Schönheit der schlichten
geraden Linie, der weniger sich aufdrängenden intim ge-
haltenen Verzierungen brachen sich mehr und mehr Bahn.
Die Schönheit in der Einfachheit bildete den wichtig-
sten Grundsatz. Er findet heute mehr oder weniger bei
jedem Neubau und jeder Einrichtung des inneren Hauses
Geltung und jeder Architekt weifs, dafs er nach dieser
Richtung jetzt dem geläuterten Geschmack Rechnung tragen
mufs. Aber mit welchem Mafs von Spott und Hohn wehrte
sich die Mehrzahl unserer Architekten aus der älteren Schule
gegen diesen Jugendstil, diese hypermodernen Verrückt-
heiten und wie sonst diese neuen Ideen genannt wurden.
Die gleichen Baumeister, die sich in derartigen Äusserungen
überboten, haben aber, wie wir uns an fast allen Neubauten
der letzten Jahre überzeugen können, ihre Meinungen ge-
ändert, oder sie wurden, wenn sie leistungsfähig bleiben
wollten, gezwungen, ihnen Rechnung zu tragen.

Sehr unrecht wäre es aber, wenn wir nun alles Neue
auch schön finden wollten, gewifs, wir begegnen Aus-
wüchsen, die weder schön noch gut sind, wie wir das im
Stil jeder Zeit finden; dies soll uns aber nicht hindern, das
neue Gute und Schöne anzuerkennen, wenn es uns auch
manchmal ungewohnt erscheint. Gerade der hervorragende
Künstler, der impulsiv voran strebt, kann einzelne Fehler
begehen, die von selbst übrigens verschwinden und in der
Praxis hinterher vermieden werden können.

Auf das, was uns nun besonders am Herzen liegt, auf
den Garten und dessen Zukunft, auf das, was in letzter
Zeit auf diesem Gebiet erreicht oder angestrebt wurde,
trifft das in gleicher Weise zu. Es wäre ein grober Ver-
stofs gegen das eigene Interesse wie gegen das Schön-
heitsgefühl, wenn der Gartonkünster gerade den von
Darmstadt ausgehenden neuen Bestrebungen, wie sie auf
der vorjährigen Ausstellung demonstriert wurden, sein
Auge verschliefsen wollte. Das Gute und Schöne, was
dai'in zum Ausdruck kam, wird sich trotz allem Sträuben
durchringen. Die spöttischen Abfertigungen Einzelner,
die glauben konservativ bleiben zu müssen und alles Un-
gewohnte zu bespötteln gewohnt sind, werden daran nichts
ändern; auch sollten ernste Fachblätter nicht, lediglich um
der mutmafsiiehen Anschauung der Mehrheit ihrer Leser
Rechnung zu tragen, ohne gründliche Prüfung Neuerungen
ohne weiteres verwerfen, schon deswegen nicht, weil er-
fährungsgemäfs diejenigen, die in die abfälligen Kritiken
anfänglich am lautesten einstimmten, die ersten zu sein
pflegen, die, wenn die zuerst verworfene neue Richtung
durchzudringen scheint, einschwenken und dann nicht
 
Annotationen