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Die Gartenkunst — 8.1906

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Heicke, C.: Die Nachahmung der Natur in der Gartenkunst, [2]: Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der D.G.f.G. am 19. August 1906
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vm, 12

DIE GARTENKUNST

229

Zeit- und Streitfragen.

Die Nachahmung der Natur in der Gartenkunst.

Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der
D. G. f. G. am 19. August 1906
von

C. Heicke, Frankfurt a. M.
(Schlufs.)

Damit ist ja noch lange nicht gesagt, dafs dies sein
einziger Vorzug sei und dafs es eine kleinliche Nachbildung
irgend einer bestimmten Szenerie sein müsse mit allen
Zufälligkeiten und Nebensächlichkeiten. Es soll damit
nur ausgedrückt sein, dafs das Werk eine der wichtigsten
Voraussetzungen erfüllt, die jedes Kunstwerk erfüllen
mufs, sofern es überhaupt Anspruch erheben will, als
solches anerkannt zu sein: Es mul's sich das Wesen
dos Materials in ihm offenbaren.

Wenn also der Landschaftsgärtner sich an das Vorbild
der Natur halten soll, so soll und kann damit nicht gemeint
sein, dai's er für jede einzelne Szenerie nun ein bestimmtes
Vorbild benutze und aus soinem Skizzenbuch die Anlage,
die ihn beschäftigt, zusammensetze, etwa wie der Bau-
gewerksschüler aus dem architektonischen Pormenschatz
seine Passade zusammenflickt! Nein so ist es nicht und
so darf es nicht sein.

Bei der Komposition einer Gartenanlago kann man
sich gar nicht, an bestimmte Vorbilder aus der Natur
halten. Man kann an die Wiese denken, man kann die
Waldlichtung vor Augen haben. Aber das, was man im
Garten und Park schafft, ist doch etwas ganz anderes
als die Nachbildung irgend einer Wiese oder Waldlichtung
oder dgl. Nur in ganz allgemeinen Umrissen, nur in
ihren grofsen charakteristischen Pormon kann uns die
Natur vwbndßeh sein.

Es können nur die grundlegenden Wesonszüge allein
und nicht etwa bestimmte Einzelvorbilder, mögen letztere
noch so reizvoll sein, uns bei unserem Schaffen leiten.
Abgesehen davon, dafs es ja erst jahrzehntelanger Ent-
wickelung bedarf, bis das Bild annähernd soweit heran-
gewachsen ist, wie die Szenen, die dem Schöpfer etwa bei
der Pflanzung vor Augen geschwebt haben könnten, ist
es auch höchst unwahrscheinlich, dafs es sich gerade so
entwickelt, denn die Entwickelung hängt von so vielen
gar nicht in unserer Gewalt liegenden Zufälligkeiten und
äufseren Einflüssen ab, dai's es geradezu eino Torheit wäre,
darauf überhaupt zu rechnen. Aber die Grundlage
künftiger Entwickelung, die wir schaffen, mufs
so sein, dafs sich die ganze Anlage überhaupt
n a t u r g e m ä f s entwickeln kann, dafs nicht P e h 1 e r
dabei unterlaufen sind, die eine naturgomäfse
Entwickelung zur Unmöglichkeit machen. Und
wenn wir unsere Gartonanlagen betrachten, so liegt doch
auch auf der Hand, dafs das keine exakten Nachahmungen

von Naturszonon sind. Es sind freie Schöpfungen der
künstlerischen Phantasie oder aber es sind, und das
kommt ja leider wie auf anderen Kunstgebieten
so auch in der Gartonkunst in der Mehrzahl der
Fälle vor, handwerksmäl'sige Nachbildungen sol-
cher Schöpfungen, nie aber Nachbildungen der Natur.

Worin kommen die Wesenszüge, die wir in der
Natur durch die Beobachtung und das Studium ermittelt
haben, bei der Schaffung von Gärten zum Ausdruck?
In der Hauptsache in der naturgemäl'son Ver-
wendung des I lauptworkstoffos der Gärten, der Pflanzen,
und in der Gestaltung des Bodens als der Pläche, auf der
wir unsere Bilder mittelst dieses Materials aufbauen. Wir
sind an die Ausdrucksweise und an die Ausdrucks-
möglichkoiten unseres Materials gebunden, unser
Material bedingt unsern Stil.

Auf jedem anderen Kunstgobiet ist dies eine ganz
selbstverständliche Sache. Nachbildung von Holzwerk
durch die Kunstfertigkeit des Anstreicherpinsels gilt für
ebenso stilwidrig und geschmacklos, wie die Anwendung
von Formen und Konstruktionen, die für Holz passen, bei
Eisen. Marmorbilder haben einen anderen Stil als Bronze-
flguren, weil Material und Technik in beiden Fällen ganz,
verschiedene Möglichkeiten gewähren. Und den Stil der
Bronze in Marmor nachzuahmen, ist ebenso falsch, als
wenn man Holzschnitten das Aussehen von Kupferstichen
oder Dreifarbendrucken das von Ölgemälden geben will.

loh möchte Sie hier auf ein Buch von Ludwig Volk-
mann, „Grenzen der Künste" aufmerksam machen. Ich
bin bei meinen Studien zufällig auf dieses Buch gestofson
und möchte es jedem empfehlen, der sich bei den uns be-
schäftigenden Zeit- und Streitfragen über Stilfragen, wie
ich sie eben berührte, belehren lasson will.

Ich bemerke dabei, dafs sich Volk mann in diesem
251 Seiton starken Bande mit keinem Worte über Garten-
kunst ausspricht. Er behandelt Malerei, Bildhauerei und
Architektur und weist jeder ihre durch Material und
Technik gegebenen Grenzen, die sie nicht überschreiton darf,
ohne in Stilwidrigkeiten zu verfallen. Wer mit Nachdenken
liest, zieht eine Menge Nutzanwendungen für unser
Gebiet daraus und ich liebe es, gerade solche Bücher zu
lesen, die mir die Freiheit gewähren, selbst meine Schlüsse
zu ziehen, anstatt mir in einem Lehrbuch ganz bestimmte
Regeln und Vorschriften geben zu lassen. Und ich
möchte behaupten, dafs die Lektüre derartiger Bücher
jedem Gartonkünstlor, der mit Ernst über die uns gegen-
wärtig bewogenden Fragen klar zu werden strebt, von
allergröfstem Nutzen ist.

Also der Stil wird durch das Material bedingt, und
hier kann unsere Lohrmeisterin nur die Natur sein, der
wir unser Material entlohnen. Und zwar nicht indem wir
uns bei der Gestaltung von Einzelheiten eng an Natur-
 
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