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Die Gartenkunst — 9.1907

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64

DIE GARTENKUNST

IX, 3

rufen, die an und für sich an eine städtische Siedelung zu
stellenden Ansprüche in bezug auf Gesundheit, Weiträumigkeit,
Gartenmäfsigkeit, Anschlufs an die Natur, wirtschaftliche,
soziale, ästhetische und dgl. Gesichtspunkte in ganz anderem
Marse zu verwirklichen, als dies in so vielen unserer jetzigen
Städte möglich ist."

Es werden sodann eine Reihe wichtiger Forderungen auf-
gestellt, die kurz folgendermafsen formuliert werden:

„Zur Erfüllung der eben bezeichneten Aufgaben und zur
gesunden Entwickeluug der in Rede stehenden Bezirke ist ein
ganzer Kreis von Massnahmen notwendig: Reform der Bau-
ordnungen, Bebauungspläne u. dgl., rechtzeitiger ausgedehnter
Grundbesitzerwerb der G emeinden, der Kreise, des Staates usw.
und eine zielbewufste Bodenpolitik dieser Körperschaften über-
haupt, ferner Erweiterung und Ergänzung der gesetzlichen
Grundlagen für städtische und gewerbliche Ansiedelungen,
Schaffung von Verkehrsmitteln, steuerliche Mafsnahmen, eine
stärker auf die wirtschaftliche und soziale Seite des städtischen
und gewerblichen Ansiedelungswesens gerichtete Hochschul-
ausbildung der künftigen Beamten und Architekten u. dgl. m."

„Da die Dezentralisationsbewegung bei uns, wie oben aus-
geführt, bereits in vollem Flusse ist, so leidet diese Reform
keinen Aufschub mehr, wenn man nicht die neuen Siedelungen
denselben Mil'sständen preisgeben will, wie sie in unseren
jetzigen Städten zu beklagen sind. . . ."

An die „Leitsätze" schliefsen sich ein paar vortreffliche
Aufsätze von bekannten Fachleuten an. Als erster schreibt
der verdienstvolle Generalsekretär des Vereins Dr. K. v. Man-
goldt „Ein Wort über die Entwicklung gewerblicher und
städtischer Dezentralisation in Deutschland". Er erörtert darin
die mancherlei Umstände, die die Industrie bestimmen, die
GroCsstadt zu verlassen und sich lieber in Meinen Städten oder
ganz auf dem Lande niederzulassen und fordert eine „recht-
zeitige, kraft- und verständnisvolle Boden- und Ansiedelungs-
politik"für die zahlreichen Orte und Gegenden, diejetztoder später
in den Bereich der modernen Dezentralisationsbewegung' fallen.

Einen Hauptbestandteil dieser Politik mufs die schnelle
und energische Reform der Bauordnungen und Bebauungspläne
gerade auch für ländliche Bezirke bilden.

In den folgenden Abhandlungen wird diese Spezialfrage
von Eberstadt, Gretschel, Stübben u. a. eingehend erörtert.

Unser ganz besonderes Interesse verdient der Abschnitt IV:
Über Gartenkolonien als Bestandteile der Ortsanlage.

In dem volkswirtschaftlichen Teil erörtert zunächst
v. Mangoldt die hohe Bedeutung des Gartenbaues gerade für
unsere Zeit des Industrialismus. Der Garten gibt dem Menschen
die ständige Berührung mit der lebendigen Natur und gewährt
durch die Beschäftigung im Freien ein heilsames Gegen-
gewicht gegen die ungesunde Fabrikarbeit. Er trägt dazu bei,
die Volksernährung zu verbessern und gewährt der Frau eine
willkommene Beschäftigung, ohne sich dabei ihren Kindern zu
entziehen. Ganz besonders wichtig aber ist der Garten für das
allgemeine Wohlbefinden und die Lebensfreude der Bevölkerung
und für die Erziehung der Jugend.

Aus diesen Gründen möchte der Verfasser allen denen
Gelegenheit zum Gartenbau geben, die danach verlangen.
Das Ideal ist auch für ihn der Hausgarten, der jedoch inner-
halb der bestehenden Städte wegen der hohen Bodenpreise nicht
immer geschaffen werden kann. Er tritt deshalb für die Er-
richtung von Gartenkolonien ein, deren Zweckmässigkeit, und
Rentabilität durch zahlreiche Versuche in vielen Städten
festgestellt ist. In manchen war es ein gemeinnütziger Verein
oder eine Genossenschaft, in anderen die Gemeinde selbst, die

das nötige Land darbot und die Organisation in die Hand
nahm. v. Mangoldt erachtet nun die bisher im Vordergrund
stehende Privatinitiative für unausreichend und wünscht, dafs
die Gründung und Unterhaltung solcher Gartenkolonien als
eine Angelegenheit von groCsem öffentlichen Interesse aner-
kannt und deshalb von den öffentlichen Faktoren — vor allem
den Gemeinden — übernommen werden soll. Jede gröfsere
Stadt, aber auch kleinere im Wachstum begriffene Ortschaften,
möge sich in erreichbarer Nähe für den Gartenbau geeignete
Flächen sichern, und sie in Parzellen von ca. 500 m zerteilen.
Rechnet man pro Quadratmeter der Gärten eine Jahrespacht
von 5 bis 10 Pfg., so entspricht das bei einem Zinsfufs von
4 Prozent einem Quadratmeterpreis von 1,25 Mk. bis 2,50 Mk.
Die Anlage solcher Kolonien ist demnach in der Nähe der
meisten Städte finanziell durchführbar und sogar rentabel. Für
die Verwaltung soll das jetzt übliche System des General-
pächters nutzbar gemacht werden. Wenn derselbe als Be-
soldung 1 Pfg. pro Quadratmeter erhielte, so würde das bei
200 Gärten zu je 500 Quadratmeter einen Gehalt von 1000 Mk. er-
geben. Dazu könnte erfreieNutzniefsung von 1 —2 Gärten erhalten.

Hier möchte ich einen ergänzenden Vorschlag machen.
Nämlich den, als Generalpächter einen tüchtigen Gärtner an-
zustellen, dem man die Verpflichtung auferlegen könnte, den
Pächtern unentgeltlich mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Gleichzeitig könnte er die Anzucht der jungen Pflanzen über-
nehmen, die dann zu billigem Preise an die Pächter weiter-
gegeben würden.

Die Anlage derartiger Gartenkolonien würde den aufstreben-
den Städten ohne sonderliche Opfer grofse Freiflächen sichern,
die für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner
von gar nicht genug zu schätzender Bedeutung wären.

Wenn man zunächst für ein Viertel der 16 Millionen
Deutscher, die in Städten über 50000 Einwohnern lebenden,
derartige Gartenkolonien schaffen wollte, und dabei auf je
4 Personen 500 Quadratmeter rechnete, so würde man 750
Quadratkilometer, d. i. nur 0,14 Prozent der Gesamtfläche des
Deutschen Reiches brauchen. Mangoldt schliefst seine inter-
essanten Darlegungen mit den Worten:

„Natürlich sind gegen diese Art der Rechnung hundert
Einwände geltend zu machen, aber wir wollen uns doch über-
legen, ob von diesen 0,14 Prozent nicht unter Umständen ein-
malSchicksal und Zukunft unseres Vaterlandes abhängen können."

Im Anschlufs an diesen volkswirtschaftlichen Teil erörtert
ein Jurist die rechtlichen Möglichkeiten, derartige Flächen
zwangsweiee von der Bebauung auszuschliefsen oder sie durch
Enteignung in den Besitz der Gemeinde zu bringen, um sie dann
in der geschilderten Weise dem Kleingartenbau zu erschliefsen.

Wie schon aus meiner kurzen Inhaltsangabe hervorgeht,
enthält das kleine Werk eine Fülle von Anregungen, die für
den Gartenkünstler, ganz besonders für die im staatlichen und
städtischen Dienst befindlichen Herren überaus wertvoll sind.
Das Studium des Buches sei deshalb aufs wärmste empfohlen.

H. Kampffmeyer.

Personalnachrichten.

Scharnke, Gust,, bisher Obergärtner im Botanischen Garten
zu Dahlem, ist als technischer Hilfsarbeiter bei der Garten-
verwaltung des Kreises Teltowangestellt worden. — Hoffmami,
Hans Karlsruhe, ist die Stadtgärtnerstellei n Pforzheim über-
tragen.— Ziwansky,M., Stadtgärtner in Ratibor, ist am 18. Ja-
nuar d. J. gestorben. — Kiehl, W., Gartentechniker, bisher in
Posen, tritt in die unter Prof. Schultze-Naumburgs Leitung
stehenden Saalecker Werkstätten, Saaleck bei Kösen, ein.

Für die Redaktion verantwortlich: Stadt-Gartendirektor Heieke, Frankfurt a. M. — Verlag von Gebrüder Borntraeger, Berlin SW. 11,

Dessauer Strasse 29. — Druck von A.W. Hayn'! Erben, Potsdam.
 
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