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Die Gartenkunst — 12.1910

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Weiland, Paul: Italienische Renaissance-Gärten, [4]: Der Boboli Garten
DOI Artikel:
Groddeck, Georg: Heimatschutz und Naturschutz, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0090

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82

DIE GARTENKUNST.

XII, 5

des Lorbeers und der Pinie und der Cypresse, die ein
Ganzes sind, und als ein Ganzes vor dem leuchtenden
Himmel stehen oder im Winde sich bewegen, ohne
das eigenwillige, ewig rege Spiel der Zweige und Blätter
an unseren Bäumen.

Und groß und übersichtlich und edel wirkt diese
Geschlossenheit und faßt Gedanken und Gefühle
kräftig zusammen, so daß man ihrer froh wird und sich
selbst einmal wiederfindet in der schweifenden Unge-
wißheit des heutigen Daseins.

Dann aber öffnet sich zur Rechten oder Linken
ein Weg mit eben solcher grünen Wand auf beiden
Seiten, und an geraden Linien entlang gleitet der Blick
ungehindert und ohne durch reizvolle Einzelheiten ge-
fesselt zu werden, etwa hinab in eine regelmäßig ge-
formte Einsenkung und jenseits wieder am Hange hinauf,
wo dann ein gleichlaufender Querweg mit seiner Seiten-
wand den Abschluß bildet.

Und eine wundervolle Größe und Weite liegt in
dieser einen geraden Linie. Ein kräftiges und stolzes
Glück spürt man, wenn man durch diese Gänge und
wechselnden Räume wandelt, das von der nüchternen
und sachlichen Schönheit des Gartens auf einen über-
geht, ohne daß man dies gewahr wird. Denn hier ist
nichts, was einen besitzen möchte oder den Gedanken
eine andere Richtung gibt. Keine Erinnerung und Sehn-
sucht anderer Zeiten oder Menschen ist hier hängen
geblieben an rührend ungeschickten Nachbildungen von
Dingen, die unter einem fremden Himmel geworden
sind. In keinem Spiel und keiner Willkür fühlt man
die Gegenwart des anderen. Man ist allein in einer
starken und guten Einsamkeit; und uns gehört, was
um uns in sich selber sein Genügen hat; wie man
allein ist in einer scheinen Kirchenhallc eines alten
Meisters oder auch vor einem Bildwerke, in welchem
schöpferische Kraft so völlig aufgegangen ist, daß es
für sich selbst da steht und zu leben vermag, und alle
Verbindung zwischen ihm und seinem Schöpfer ist in
der Wirkung aufgehoben.

So ist im ganzen hier auf diesem Flecken Erde
die Art einer großen Zeit lebendig, die ihre Kraft und
Tüchtigkeit an jene Dinge wandte, um derentwillen
allein es sich zu leben lohnt; im einzelnen aber spürt
man auch hier schon den Verfall: wie denn um die
Mitte des Cinquecento die Menschen ihren Ernst in Dinge
zu setzen begannen, die jenseits der Kunst liegen, so daß
die Sinnlichkeit überwuchern konnte und die Formen an-
zuschwellen fingen und ihren Sinn und Inhalt verloren.

Und auf der andern Seite kam den Menschen das
Gefühl dafür abhanden, daß große Kunst das ganze
Leben mit seinem furchtbaren Ernste umfaßt und durch
die Form hinaufhebt in eine Höhe, wo es nicht mehr
erdrückt mit der Banalität des Wirklichen, sondern in
sich und seiner Größe auch sein ewiges Recht und
seine Freiheit birgt. Und ehrfurchtslos, wie irgend eine
bloße Kuriosität stellte man die Gefangenen vom Julius-
grabe Michelangelos, die selbst schon ein Ende be-
deuten, in einer Grotte auf, deren spielerische Nichts-

würdigkeit selbst heute nicht zu überbieten wäre. Oder
ging, wenn auch nur selten, mit gewollten Gegensätzen
auf malerische Wirkungen aus, in denen das Einzelne auf
Kosten der großen und nüchternen und klaren Schönheit
des Ganzen ein willkürliches, launenhaftes Dasein führt.

Drei Zeiten gibt es: die eine trägt ihr Recht in
sich selber, dann wird sie Dinge schaffen, wie diesen
Boboli; die zweite hat die Sehnsucht nach dem Wesent-
lichen und Vollkommenen, sie legte den Park von
Weimar an; die dritte aber ist völlig ratlos, wie die
Gegenwart, wo infolge der Geldwirtschaft alle wesent-
lichen Dinge, die doch persönlicher Art sind, zu einem
Luxus wurden und die Bedingungen für ihre Wirk-
samkeit sich vorschreiben lassen müssen von den Be-
dürfnissen müder und abgespannter Menschen, deren
Kraft und Tüchtigkeit die Gesellschaft in den Dienst
objektiver und unpersönlicher Zwecke gestellt hat.

Sie bringt Parks hervor, wie wir sie in Italien und
bei uns in Deutschland um alle großen Städte ent-
stehen sehen, und die wohl sehr gut gemeint sind und
auch ihren Nutzen haben, etwa für die Verbesserung
der Luft und was dergleichen mehr ist, in jedem
höheren Sinne aber allen Wertes entbehren.

Es ist sicherlich etwas Gutes um alle technische
Erleichterung des Lebens, aber größer und freier und
reiner empfinden wir nicht durch sie, wie überhaupt
nicht durch Dinge, die letzten Grundes der gemeinen
Lebenserhaltung dienen. An die aber haben wir gerade
alle unsere Kraft und unseren ganzen Ernst gesetzt
und von ihnen aus alles Andersartige umgewandelt und
unsere Sittlichkeit durch sie umformen und bestimmen
lassen. Und sind im Sinne jeder höheren Kultur ver-
armt und werden noch von Tag zu Tag ärmer, bis zu
dem Grade, daß dem Leben, wo anders man nach
seinem Werte fragt und es nicht hinnimmt als ein
Mittel zu fremden Zwecken, ein jedes Schwergewicht
abhanden gekommen ist, und nichts uns übrig blieb,
als eine spöttische willenlose Skepsis, aus welcher wohl
frivole oder gleichgültige oder sensationelle Dinge
entstehen können, aber nichts Rundes oder Vollendetes,
das in sich selber fest gegründet ist und uns erhebt.

Es sind keine fröhlichen Gedanken, mit denen man
im Boboli die Gegenwart betrachtet, aber sie sind doch
mehr als bloße Einsicht und Resignation; sind, wenn
anders wir weiter kommen und auf unserer Zivilisation
eine Kultur aufbauen wollen, eine Hoffnung.

Heimatschutz und Naturschutz.

Von Dr. Groddeck.

Heimatschutz und Naturschutz lautet der Titel des Vor-
trags*), für den ich heute abend Ihre Aufmerksamkeit in An-
spruch nehme. Daß in den letzten Jahren eine Bewegung
durch die Welt flutet, die sich den Schutz von Natur und
Heimat gegen die Verwüstungen des täglichen Lebens zum
Ziel gesetzt hat, ist Ihnen bekannt. Wir alle sind davon er-

*) Gehalten am 2. April d. J. in der Sitzung der Gruppe
Südwest in Freiburg i. B.
 
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