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Die Gartenkunst — 12.1910

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Groddeck, Georg: Heimatschutz und Naturschutz, [2]
DOI Artikel:
Zobel, Victor: Über Gartenkunst in Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0113

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XII, c

DIE GARTENKUNST.

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sichter sehen Sie, die nicht Ihre Kindheit teilten, die nicht auf
diesem Boden wuchsen. Das Bewußtsein, zur Erde zu gehören,
eine Heimat zu haben, und dieser Heimat verfallen zu sein,
von Generation zu Generation, verschwindet aus dem deut-
schen Volke. Der Deutsche, dessen Treue man rühmte, ver-
gißt seine Liebe zur Heimat. Er vergißt, daß er der Zukunft
verpflichtet ist, den Kindern und der kommenden Kraft. Schutz
der Heimat, das ist der Ruf, der überall ertönen müßte. Schafft
dem Deutschen eine Heimat, macht ihn ansässig! Gebt ihm
die Erde wieder, aus der er entstanden ist. Eührt ihn wieder
ein in das All der Natur, in der er heimisch ist. die ihn nährt
und leitet, die ihm Mut und Kraft gibt. Das ist der Sinn, der
Anfang und das Ende alles Heimatschutzes!

Heimat! Natur und Heimat! Ich wollte, ich könnte Ihr
Herz erfüllen mit dem, was ich beim Klange dieser Worte
fühle. Ich sehe ein Kind vor mir, das in einem Garten spielt.
Groß erscheint ihm der Garten und ist doch nur ein winzig
Ding. Aber er hat Raum für Eltern und Geschwister; für
Freunde und Nachbarn, für Lust und Leid. Ich sehe eine Sonne,
wie niemals wieder, und einen Himmel, der mir bekannt und
vertraut ist. Ich sehe Vogelscharen, Krähen und Dohlen in
der Winterkälte, und Finken auf den Bäumen, und weiß
Veilchen zu finden, und eine Höhle im Felsen, und einen Bach
zum Baden und Träumen. Ich sehe Gräber, die mir lieb sind,
ich sehe Felder, deren Frucht ich aß, ich höre Lieder, die
meinen Sinnen traut klingen. Ich sehe ein Haus mit Winkeln
unter einer Treppe, mit Tapeten, deren Blumen ich tausend-
mal zählte, ich sehe Lichterglanz und Weihnachtskerzen und
ich fühle den Druck von Händen, die mich trösten, wenn ich
traurig bin und mir die Decke streichen, wenn ich schlafen
gehe. Dort bin ich gewachsen, dort habe ich die Kraft aus
der Erde gesogen, aus der Freundschaft mit Busch und Baum,
mit Tier und Mensch, mit Sonne und Finsternis. Die Nächte sind
mir dort dunkler gewesen denn je, und die Tage heller, die Blätter
im Herbstwind tanzten dort lustiger und bunter als irgendwo.

Und in mir klingt es seit jener Zeit, und wie aus hundert
Brunnen fließt mein Leben, mein Stolz und mein Glück, meine
Kraft und mein Wille über in die Menschen, die neben mir
stehen. Ich schenke ihnen aus dieser Fülle des Reichtums, den
mir meine Heimat gab, und obwohl ich schöpfe tagaus und
-ein, so quillt aus ihm immer von neuem ein unermeßlicher
Strom von Leben und Leben und Leben. Und ich weiß es,
daß meine Worte widerhallen in Ihnen, diese Worte, die
nichts sind gegenüber dem, was Ihr Herz reich macht, wenn
Sie an die Tage denken, in denen Sie Wurzeln in der Erde
schlugen, in denen Sie Kraft sogen aus Gottesnatur, Worte,
die hohl sind gegen den vollen Klang, der jetzt all Ihr Wesen
durchflutet und Sie in Träumen hinüberführt in ein goldenes
Land.

Über Gartenkunst in Frankreich.

Recht wenig bekannt unter deutschen Lesern scheint mir
eine Zeitschrift zu sein, die in Frankreich unter dem Titel
„La vie ä la campagne" (Das Landleben) zweimal monatlich er-
scheint und inhaltlich mit dem englischen „Country Life", mehr
noch mit den amerikanischen Monatsschritten „House and
Garden" und „American Homes and Gardens" Ähnlichkeit hat.
Die einzelnen Nummern sind überaus reich, besonders mit
gutem Abbildungsmaterial ausgestattet. Wir finden Abhand-
lungen über neuere französische Gartenanlagen, besonders regel-
mäßiger Form; Vorschläge für die Gestaltung des Villen-
gartens mit ausführlichen, oft ein wenig wortreichen Begrün-
dungen; Beispiele für Haus- und Küchengärten, die häufig ein
etwasnüchternes Thema zeigen; Vorführungen alter französischer
Gärten, bei denen angenehm auffällt, daß auf die beigegebenen
Pläne, die z. B. im Country Life fast immer fehlen, ein großer
Wert gelegt wird. Auch Nachbargebiete, wie Belgien oder die
Schweiz werden gelegentlich zur Besprechung herangezogen.

Neben diesen formalen Fragen, die uns hier in erster

Linie angehen, wird auch die Land- und Hauswirtschaft in
ziemlich umfangreicher Weise behandelt und es werden für
den Gartenbau praktische Ratschläge meist in der Form von
Frage und Antwort gegeben, eine lebendige Art der Vor-
führung, die für die Mehrzahl der Leser größere Reize hat,
als eine ruhig dahinfließende theoretische Anweisung. Uber-
haupt fällt das Amerikanische in der Aufmachung der Zeit-
schrift sehr in die Augen, als ein Beispiel etwa die Art, wie
auf drei ganzen Seiten für einen Gartenarchitekten Reklame
gemacht wird durch Vorführung seines Porträts, einer Anzahl
seiner Arbeiten und durch einen verführerisch plaudernden
Aufsatz mit dramatisch handelnden Personen.

Die diesjährige Frühlings-Nummer der Zeitschrift vom
15. März ist als eine geschlossene, umfangreiche Abhandlung
unter dem Titel „Quatre Siecles de Jardins ä la Francaise"
(Vier Jahrhunderte Französischer Gärten) mit außergewöhn-
lich reichen Bilderbeigaben erschienen und soll an dieser Stelle,
unter Herausgreifen einiger besonders interessierender Stücke,
ein wenig ausführlicher besprochen werden. Man wird nicht oft
eine so übersichtliche Zusammenstellung dessen finden, was wir
über den Garten französischen Stiles wissen, auch nicht leicht
besser die Entwickelung seiner Formen an gut gewählten Abbil-
dungen verfolgen können. Die Autoren sind der Herausgeber
Albert Maumene, der Gartenarchitekt Achille Duchene und
Georges Gibault, Bibliothekar der Französischen Gartenbau-Ge-
sellschaft. Es ist schon interessant und für uns ungewohnt, daß
hier von vier Jahrhunderten französischer Gärten gesprochen wird.
Man nimmt also für den Garten „ä la francaise" schon die-
jenigen Formen aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts in An-
spruch, wie sie, von Italien ausgehend, unter dem klassisch-
römischen Einfluß unter Überwindung der primitiven Formen
des Mittelalters entstanden, und wie sie etwa durch das Archi-
tektur-Werk des Franzosen du Cerceau und durch die Hor-
torum Formae des Niederländers Jean de Vries vertreten
werden. Die Begründung des Anspruches ist interessant. Ein-
italienisches Werk der schönen Literatur, das seinen Schau-
platz hauptsächlich in die prunkvollen Gärten der römischen
Großen verlegt, die „Hypnerotomachia Poliphili", von dem
Mönche Francesco Colonna um das Jahr 1470 geschrieben, soll
einen großen Einfluß auf die Gartenformen der italienischen
Renaissance gehabt haben, und mit dem Erscheinen der
französischen Ubersetzung des Buches sollen diese Formen
sich auch in Frankreich verbreitet haben. In der Tat ist offen-
bar, wie lange vor Le Nötre die Gärten Frankreichs Formen
von einer Mannigfaltigkeit zeigen, von einem Rhythmus, von
einem so ausgesprochenen Sinn für das Architektonische, wie
sie das Mittelalter nicht gekannt hat und wie sie nur aus einem
entscheidenden Einfluß von außen zu erklären sind. Der Haupt-
vertreter dieser französischen Abart des italienischen Gartens
ist Claude Mollet, der, aus einer alten Gärtnerfamilie stammend,
unter Heinrich IV. schuf und den Boden für das „Große Jahr-
hundert" bereiten half. Der Abschnitt über die Renaissance-Zeit
schließt mit feinen und stolzen Worten, die ich hier anfügen will:

„Die französischen Gärten der Renaissance standen nicht immer
in inniger Verbindung mit dem Wohnbau, von dem sie sich zu sehr
absonderten ; das Einzelne trat mehr hervor als der Zusammenklang
des Ganzen; es fehlte jene Weiträumigkeit, jene unvergleichliche
Einheit, die das Werk Le Nötre's so groß machen — aber es ist
trotzdem kein Zweifel, daf3 sie den Weg zu diesen Meisterwerken
bedeuten, und sie geben Zeugnis von einem so guten Geschmack,
von so eifrigem Suchen nach Schönheit, dafa es berechtigt schien,
sie für sich zu behandeln als leuchtende Spuren einer gewissenhaften,
ehrlichen und feinfühligen Kunst, in jedem Sinne würdig unserer
alten Garten-Meister von Frankreich."

Eingehender wird dann das sogenannte „Große Jahr-
hundert" behandelt, in dessen Anfang noch unter Ludwig XIII.
der Garten sich enger an die Hausarchitektur anschließt und
reichere Formen entwickelt, für die besonders die beiden Haupt-
vorläufer Le Nötre's, Andre Mollet und Boyceau de la
Barauderie in Betracht kommen; ,von dem letzten stammt
unter anderen der Garten des Luxemburg-Palastes in Paris.
 
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