Die Gartenkunst (27.1914)

Daß es uns leiten möchte zu der Er-
kenntnis der Relativität all der gro-
ben Dinge unseres heutigen Genußlebens
durch den Garten. Und vor allem: Im
Gothein stehts, wenn auch nur zwischen
den Zeilen geschrieben: Es wird keine
neue Form, es sei denn durch Geist.
Es entsteht keine Kultur, es sei denn in
ihrer eigenen Zeit. „Zeiten" aber machten
immer nur freie Menschen!

Das alles und noch mehr verspricht
„der Große Gothein", wenn wir ihn richtig
studieren; denn studiert muß er werden.
Ein Darüberhinweglesen macht ein Werk
wie viele andere aus ihm und hilft nicht
zu den Quellen. Es ist aber auch ein Ge-
nuß, mitihmumzugehen. Bewundernswert
ist die Zähigkeit, mit der das ungeheuere
Material zusammengetragen ist, das nur
der geringe Stand der heutigen For-
schung bei einzelnen Kulturvölkern hin-
derte, noch vollkommener zu sein. Schon
das eingehendere Betrachten der vielen
hundert höchst bezeichnenden und zum
Teil seltenen Abbildungen, mit denen der
Verlag Diederichs dieses Werk generös
wie immer ausgestattet hat, kann genügen
— wenn auch eben nur dafür —, um selbst
dem Neuling eine Ahnung von dem erhe-
benden Geschehen zu übermitteln, das die
alte gute Gartenerde bis zum Tage trug.
Gartengeschichte ist tot —

Es lebe Gartengeschichte!
Leberecht Migge,

Architekt für Gartenbau, Hamburg-Blankenese.

Verschiedenes.

Vom Verein Naturschutzpark und
seinen Erfolgen. Von den Vereinen, die
sich ein Ziel gesteckt haben, für das dasVer-
ständnis der großen Menge erst in emsi-
ger Werbearbeit und Aufklärungstätig-
keit geweckt werden muß, kann kaum
einer auf ähnliche schnelle Erfolge zurüdi-
blicken, wie der Verein Naturschutzpark in
seinem kaum 5 jährigen Bestehen. Seine

Mitgliederzahl wächst ständig, seine finan- __

ziellen Kräfte erstarken fortgesetzt, und " Der Ausgang naca der Obstwiese,

die Durchführung der Aufgabe, welche Landhausgarten R. F. in D.

sich die zielbewußten Manner an seiner Gartenarchitekt: Paul Schädlich.

Spitze gestellt haben, schreitet in einer

Weise fort, wie es die Gründer wohl kaum erhofft birgszügen, die als Teile der Tauernkette sich in

haben. nordwestlicher Richtung vom Großglocknermassiv

Ein scheinbarer Mißerfolg trat ein, als man herunter ziehen. Es gehört also zu einem Gebiet
genötigt war, das Projekt des Alpenparkes am Fuße der Hochalpen, das zu den wildromantischsten der
des Hochgolling im Gebiet der Dachsteingruppe nörd- ganzen Alpenkette zählen. Ausgangspunkte für
lieh von Schladming aufzugeben. Die Bedingungen, seinen Besuch bilden Uttendorf und Mittersill, Halte-
die der Besitzer des in Frage kommenden Gebietes, punkte des erwähnten Bähnchens. Seine Wildheit
über das Seite 145 Jahrgang 1912 der Gartenkunst und Unzugänglichkeit für den Touristenverkehr in
berichtet worden ist, für die erbpachtweise Über- landläufigem Sinne machen es für den in Aussicht
lassung dem Verein stellte, waren unerfüllbar. Es genommenen Zweck besonders geeignet, seine Be-
mußte deshalb von der Verwirklichung Abstand ge- sichtigung stellt an den Wanderer hohe Anforde-
nommen werden. rungen, lohnt die Anstrengungen aber durch die

Indessen kann man dies fast als ein Glück be- tiefen Eindrücke, welche die erhaben schöne Hoch-
zeichnen, denn kurz darauf bot sich eine andere, gebirgsnatur in ihrer Ursprünglichkeit ausübt. Einige
noch bessere Gelegenheit zur Schaffung eines Alpen- bescheidene, aber für einfache Ansprüche genügende
Schutzgebietes, dessen Verhältnisse es für die Zwedte Unterkunftsstätten sind vorhanden,
des Vereins noch weit besser geeignet erscheinen Herr Dr. Prinzinger in Salzburg hat den Verein
lassen wie das aufgegebene. Es liegt südlich von auf dieses Gebiet aufmerksam gemacht. Die Ver-
der Nebenbahn, die von Zell am See im Salzachtale hältnisse liegen dort außerordentlich günstig. Dank
aufwärts führt, und umfaßt das Stubach-, Ammer- dem Entgegenkommen eines Mitgliedes, das das
und Felbertal mit den sie einschließenden Ge- nötige Kapital vorstreckte, konnten;Almen und Wälder

93