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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 20
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Sallmann, Paul: Von Kattowitz nach Lublin: Gartenbaulich-Landschaftliches aus einem Kriegstagebuch$nElektronische Ressource
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Heilig, Wilhelm; König, Hermann: Zur Frage des Wiederaufbaues zerstörter Ortschaften im Osten und Westen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0305

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oberschlesischen Städten noch der Lösung. Hier
könnten unsere selbständigen Gartenarchitekten
ein gutes Arbeitsfeld finden.

Zur Frage des Wiederauf-
baues zerstörter Ortschaften
im Osten und Westen.

L

Aus Zeitungsblättern, die mir in die Hand
gekommen sind, ersehe ich, daß man sich zu Hause
mit der Einleitung des Wieder auf baues zerstörter
Ortschaften befaßt; ich finde meine eigenen Ge-
danken darüber durch die darin enthaltenen Anre-
gungen bestätigt. Gartenstädte im Sinne der Deut-
schen Gartenstadtgesellschaft sollten an Stelle
niedergebrannter Städte und Dörfer entstehen!

Wie wird sich die Deutsche Gesellschaft für
Gartenkunst dazu verhalten ? — finden sich keine
Mitglieder, die vielleicht unentgeltlich für Propa-
gandazwecke (die unserer Sache nachher Früchte
bringen sollen) Projekte Hand in Hand mit Archi-
tekten ausarbeiten? Darin liegt der Schwer-
punkt unserer Bedeutung, daß wir uns hier bei-
zeiten die Mitwirkung sichern, daß wir weniger
Gewicht auf Kolossalanlagen legen, wie z. B.
Stadtpark Hamburg, der meines Erachtens sehr
viel Schattenseiten (notabene im Prinzip) hat. —
Was wollen wir mit diesen Kolossalanlagen?
Sowohl vom Standpunkt der Behaglichkeit, als
auch vom sportlichen Standpunkt aus begrüße
ich diese Riesenanlagen garnidit. Sie tragen eine
solch unpersönliche Note. Es werden da Massen
zu Massen gehäuft. — Hätte Hamburg doch das
Geld zu einer Gartenstadt verwendet.

Der Ausbau einer solchen bringt jedenfalls
mehr ethische Werte. Und ab und zu ein Spiel-
platz eingelegt, auf dem sich die in den umge-
benden Häuserblocks wohnenden Menschen zum
freundnachbarlichen Sport finden, dessen Reiz
durch persönliche Bekanntschaft erhöht wird!
Von dieser Seite fasse ich das Betreiben des
Sports auf. — Sport des Körpers und infolge-
dessen des Geistes wegen, nicht wegen des Aus-
trags von „Matches", nicht wie der Engländer,
an dessen Sportbetrieb wir oftmals nur ein
abschreckendes Beispiel nehmen sollten. Ein
Sport, der in Ruhmsucht gipfelt, ist vage, hohl,
wie das Geistesleben des modernen Engländers.
Der Sport muß für uns Deutsche nur das bedeuten,
daß wir durch Kräftigung des Körpers zu einer
höheren Stufe von Vergeistigung gelangen. —
Dazu haben wir aber keine „Matches" nötig, die
nichts mehr und nichts weniger bedeuten, als
Körper auszubilden, die reine Körper bleiben.
Es liegt eine unsagbare Verrohung im einseitigen

Betreiben des Sports, ein drastisches Beispiel
ist wiederum der Engländer. Wollen wir geistig
auf der Höhe bleiben, so muß der eingeschlagene
Weg die Richtung ganz und gar verändern und
zu gelegenheitlichen, großen Sportsveranstal-
tungen genügen improvisierte Plätze. Ich habe
das Empfinden, daß wir zu sehr unter englischem
Einfluß standen; und daß aber die Lebensbe-
dingungen der Engländer unseren Verhältnissen
nicht aufgeprägt werden können, ist klar, folg-
lich auch nicht ihre Gebräuche, die aus den Be-
dingungen herauswachsen. — Ich könnte noch
vieles darüber sagen und möchte am liebsten
energisch zur Feder greifen, auch um den „Volks-
parks der Zukunft" einmal den Star zu stechen.

Was wir nach dem Kriege brauchen, das ist
der Ausdruck trauter Heimlichkeit, um die unge-
heuren Wunden schneller zu heilen durch dieses
Mittel. — Repräsentation dürfte von selbst schon
zu viel wiederkehren. »~ Darum Gartenstadt in
erster Linie dann erst in letzter Instanz den viel-
besungenen Volkspark. —

22. X. 1914. W. Heilig

Landw.-Inf.-Rgt. 20, 6. Komp.

IL

Während der Architektur und in gewissem
Zusammenhange damit auch dem Kunstgewerbe
nach dem Kriege eine Menge neuer Aufgaben
erwächst, ich denke hier nur an den Aufbau der
niedergebrannten Ortschaften, bei deren Wieder-
errichtung man in erster Linie auf eine vernünf-
tige Bauplanung Rücksicht nehmen sollte, beson-
ders bei Ortschaften, deren Baucharakter durch
Einäscherung ganzer Straßenzüge — vielleicht
glücklicher Weise, — doch nicht mehr in die neue
Zeit hinüber gerettet werden kann, erscheint es
immer noch fraglich, ob man selbst jetzt dem
Gartenkünstler den Platz einräumt, der ihm bei
früheren städtebaulichen Aufgaben, sicher zum
Nachteil manches Städtebildes, vorenthalten
wurde.

An Stelle der mit Stroh und Schindeln ge-
deckten Lehmkaten dürften im Osten bald reiz-
volle Dorf- und Kleinstadtbilder etwa nach dem
Vorbild der bisher von der Ansiedelungskom-
mission in Posen geschaffenen entstehen, viel-
leicht unter größererBerücksichtigung des Garten-
stadtgedankens, während bei dem teilweisen
Aufbau größerer Ortschaften und Städte wohl
unschwer die städtebaulichen Sünden vergange-
ner Jahrzehnte ausgemerzt werden können. Die
diktatorische Macht des Siegers wird unserer
Generation die seltene Gelegenheit bieten, in
eroberten Provinzen vielleicht zum Teil vollstän-
diges Neuland künstlerisch zu bearbeiten, und
es steht zu hoffen und zu wünschen, daß dann
auch so manche einengende Bestimmung unserer
Städteordnung, die ein vernunftgemäßes Arbei-

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